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„Von Seniorentests halte ich nichts“

Fahrlehrer Volker Lohse über neue Regeln in der Straßenverkehrsordnung und einen vieldiskutierten Vorschlag.

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Von Maik Brückner

Osterzgebirge. Volker Lohse sieht einiges auf der Welt mit anderen Augen. Vor allem, wenn er mit dem Auto unterwegs ist. Denn seit fast 50 Jahren ist er im Dienste der Verkehrssicherheit unterwegs. Der 72-Jährige ist Fahrlehrer. Unzählige junge Leute hat er geschult, zu DDR-Zeiten bei der Gesellschaft für Sport und Technik. Kurz vor der Wende gründete er seine eigene Fahrschule, die er bis 2010 führte. Seither ist er weiter in der Region unterwegs, um in Verkehrssicherheitsseminaren – früher: Verkehrsteilnehmerschulungen – interessierten Auto-, Moped- und Lkw-Fahrern über Neuerungen im Verkehrsrecht zu unterrichten und ihnen Tipps zu geben.

Herr Lohse, vor wenigen Tagen hat es zum ersten Mal in diesem Winter richtig geschneit. Obwohl jeder Verkehrsteilnehmer mit dem Winter vertraut sein dürfte, gab es wieder mehrere Verkehrsunfälle. Wie erklären Sie sich das?

Das größte Problem ist, dass viele Autofahrer sich überschätzen und die Geschwindigkeit nicht anpassen. Das wird gerade dann zum Problem, wenn sie von einer Bundesstraße auf eine Staats-, Kreis- oder Landstraße abbiegen. Denn hier wird der Winterdienst etwas anders gehandhabt. Je geringer das Verkehrsaufkommen ist, desto seltener wird Schnee geschoben und gestreut. Und sobald sich der Fahrbahnzustand ändert, wird es problematisch.

Der Gesetzgeber hat inzwischen eine Winterreifenpflicht verordnet. Hat das aus Ihrer Sicht etwas gebracht?

Zunächst: Niemand ist verpflichtet, Winterreifen aufs Auto zu ziehen. Denn man kann das Auto über den Winter auch stehenlassen. Wenn man aber auch im Winter fahren möchte, sollte man unbedingt drauf achten, dass die Reifen eine M+S-Kennzeichnung und ein Froststernchen tragen. Diese Reifen sind so beschaffen, dass sie auch bei Temperaturen unter sieben Grad plus gute Fahreigenschaften gewährleisten. Zum Allgemeinwissen der meisten Autofahrer gehört mittlerweile, dass Winterreifen zwischen Oktober und Ostern aufgezogen werden müssen. Und die meisten halten sich daran.

Und was passiert mit denen, die es nicht tun?

Die Polizei ahndet so etwas. Wer bei Glatteis, Schneematsch, Schnee-, Eis- oder Reifglätte ohne Winterreifen erwischt wird, bekommt einen Punkt in Flensburg und hat ein Bußgeld zu zahlen. Bei der Höhe hat der Gesetzgeber den Beamten einen Spielraum gelassen.

Welche Themen sprechen Sie in Ihren Seminaren noch an?

Für viele neu ist die Rettungsgasse. Der Gesetzgeber hat jetzt genauer beschrieben, wie diese zu bilden ist, damit Rettungskräfte auf Autobahnen und Schnellstraßen besser zum Unglücksort kommen. Autofahrer, die auf einen Stau zufahren, sind nun angehalten, eine Rettungsgasse zu bilden. Bei mehrspurigen Straßen ist diese zwingend rechts von der linken Verkehrsspur zu schaffen. Neben der Rettungsgasse spielt auch das Verhalten im Kreisverkehr eine Rolle in meinen Seminaren. Diese Form der Kreuzungsgestaltung wird zunehmend beliebter, nicht nur in unseren Nachbarländern, sondern auch hier. Ich erinnere an den Kreisverkehr in Liebenau oder am Real-Markt in Bannewitz. Als Fahrlehrer habe ich die Erfahrung gemacht, dass hier auch viel weniger Unfälle passieren als an den klassischen Kreuzungen. Dennoch machen einige Autofahrer auch hier noch Fehler und dabei meine ich nicht die Motorradfahrer, die den Kreisel überfahren.

Was meinen Sie?

Das Ein- und Ausfahren in den Kreisel machen viele richtig. Sie gewähren dem, der im Kreisel fährt, die Vorfahrt und fahren dann, ohne zu blinken in den Kreisverkehr. Beim Ausfahren muss geblinkt werden. Viele wissen aber nicht, dass Fußgänger und Radfahrer, die eine Zufahrt des Kreisverkehrs passieren wollen, Vorfahrt haben.

Seit fast 50 Jahren sind Sie Fahrlehrer, haben sich permanent mit der Straßenverkehrsordnung befasst. Hat sich diese über die Jahre verändert?

1970 wurde die jetzt noch gültige Straßenverkehrsordnung eingeführt. Seitdem gab es immer wieder kleinere Anpassungen, inzwischen gibt es die 52. Novelle. Die letzten größeren Änderungen gab es vor zwei Jahren, als Neuregelungen zu den Elektromobilen dazukamen. Ich hoffe, dass Verkehrsteilnehmer, die schon länger einen Führerschein haben, sich mit den Neuerungen beschäftigen.

Ein großes Thema ist immer wieder das Verhalten von älteren Verkehrsteilnehmern. Sie selbst sind Rentner. Was halten Sie von dem Vorschlag, dass Senioren ab einem bestimmten Alter in regelmäßigen Abständen ihre Fahrtauglichkeit unter Beweis stellen sollen?

Ich halte nichts davon, Senioren zu Tests zu schicken. Jeder Verkehrsteilnehmer sollte selbstständig entscheiden, wann er seine Fahrerlaubnis abgibt. Wünschenswert wäre es, wenn Ärzte bei Routinekontrollen die Senioren auch auf ihre Fahrtauglichkeit untersuchen. Es ist zum Beispiel kein Geheimnis, das es Senioren schwerer fällt, den Kopf für den Schulterblick zu drehen. Auch die Sehfähigkeit lässt im Alter nach. Deshalb meiden viele Senioren auch das Fahren im Dunkeln. Mir geht es ähnlich. Auch mich strengen längere Fahrten an, deshalb lege ich auch Pausen ein. Von daher wäre es gut, wenn Senioren nach ihrem Arztbesuch auch wüssten, wie es um ihre Fahrtüchtigkeit bestellt ist. Allerdings sollten die Ärzte nicht verpflichtet werden, die Untersuchungsergebnisse weiterzumelden. Sie sollten die mit den Senioren auswerten und sie auf mögliche Konsequenzen hinweisen. Die Entscheidung sollte bei den Senioren verbleiben.