Von Peter Anderson
Meißen. Vielleicht sind es Lothar Sells Schnitzwerke, die abfärben. Kirschpaare trägt die kräftige junge Dame als Ohrringe und einen Hosenmatz auf den Schultern. Wer die kleinen Kiefern-Figuren des Meißner Bildhauers und Grafikers anschaut, der muss automatisch schmunzeln. Und zwar ungefähr so, wie das gerade Frank Händel tut.
Der Chef des Meißner Auktionshauses Efreuna reibt sich die Hände. „Wird Zeit, dass wieder etwas rauskommt“, sagt er. Kaum ein freies Plätzchen ist um ihn herum geblieben. Gemälde, Aquarelle und Grafiken ziehen sich die Wände hinauf. Hier stapeln sich Bücher, dort Meissener Porzellan. Am kommenden Sonnabend steht ab 10 Uhr die Frühjahrsauktion bei Efreuna an.
Vorfreude – schönste Freude. Auf diese Weise ist schnell vergessen, dass es die vergangenen Tage schwer zu tun gab. Etwas zeitlicher Abstand verwandelt zum Beispiel die Geschichte vom schwierigen Transport des Jagdzimmers in eine heitere Anekdote. Aus massiver Eiche getischlert und geschnitzt, könnte es glatt im Monströsensaal von Schloss Moritzburg stehen. Auf den Rückseiten der Stühle prangen Schilder mit Fasan, Wolf, Rehbock, Bison, Hase und Biber. Die Säulen von einer der zwei Anrichten sind als springende Pferde gestaltet. Frank Händel klopft auf Holz. Mit einem Spediteur zusammen habe er das Buffet bei seiner Besitzerin abgeholt, erzählt er. Die Türen wurden demontiert, die Schübe herausgezogen. Doch das über zwei Meter breite Möbel bewegte sich nicht. Es bedurfte weiterer Tricks und Kniffe, um es nach Meißen zu transportieren.
Der Gong der Geschäftsklingel unterbricht den Auktionator. Ein älteres Ehepaar möchte sich gern umsehen. Offenbar Liebhaber von Meissener Porzellan. Sie nehmen schon einmal in Augenschein, was ihnen am Sonnabend ein Gebot wert sein könnte. Die Szene ist typisch für die Tage vor dem großen Show-down. Der eine Besucher kommt gezielt, weil er Werke der Meißner Künstlerin Anni Jung sammelt. Ein anderer Gast schaut wahllos vorbei, ohne bestimmtes Ziel, und geht doch mit einer Idee hinaus.
Möglicherweise haben es ihm die historischen Theaterkostüme aus dem Fundus der ersten Semperoper angetan? Ein Einnäher weist als Lieferanten die Firma Hugo Baruch & Cie. aus. Das Unternehmen galt im 19. Jahrhundert als einer der größten europäischen Spezialisten für Bühnen- und Festausstattungen, mit Hauptsitz in Berlin und Filialen in London und New York. Dem Firmenchef wurde – aufgrund seiner Verdienste um die Theaterwelt und die Bühnen-Staffage im Deutschen Kaiserreich des 19. Jahrhunderts – die Würde „Königlicher Hoflieferant“ zuerkannt. Der Wert dieser Theater-Antiquitäten dürfte nicht zuletzt aufgrund der Tatsache hoch sein, dass ein Großteil der historischen Ausstattung beim Brand der ersten Semperoper vernichtet wurde.
Trotz mittlerweile internationaler Klientel betont Efreuna-Chef Frank Händel die Wichtigkeit des regionalen Kundenkreises. Die hiesigen Bieter wüssten um Hintergrund und Geschichte und könnten daher beispielsweise den Wert eines kompletten Meißner Kachelofens schätzen. Grün, gelb und weiß leuchten die Jugendstilornamente. Händel lüftet eine Decke. Tatsächlich, dort liegt das Zubehör für einen ganzen Ofen. Warum nicht im Mai schon an den nächsten Winter denken?
Die Auktion beginnt am Sonnabend, 10 Uhr, auf der Martinstraße 12. Das Angebot ist einsehbar unter www.efreuna.de.