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Von Risiken und Nebenwirkungen

Nicht nur bei den Ärzten fehlt Nachwuchs. Auch gut ausgebildete Apotheker sind in Niesky und Umgebung gefragt.

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© Jens Trenkler

Von Alexander Kempf

Vitamin B kann sehr hilfreich sein. Als eine Apothekerin in Löbau einem Pharmaziestudenten selbst kein Praktikum anbieten kann, gibt sie ihrem alten Studienkollegen in Niesky einen Tipp. Der heißt Heiko Neumann und ist über den Hinweis bis heute sehr dankbar. Denn Pharmaziestudenten für ein Praktikum zu finden, ist alles andere als leicht. Also legt sich der Apotheker ins Zeug, um den Nachwuchs nach Niesky zu locken. „Ich habe um ihn gekämpft“, sagt Heiko Neumann.

Er ist erfolgreich gewesen. Denn William Scanlan, gebürtiger Ebersbacher, steht mittlerweile in der Nieskyer Hausmannstraße hinter der Ladentheke oder im Labor. „Ich bin top zufrieden mit der Entscheidung“, sagt der 26-Jährige. Beide Seiten macht die Zusammenarbeit glücklich. Der Apotheker gewinnt für einige Monate eine bestens ausgebildete Fachkraft, der Student viel Erfahrung. Die vergangenen vier Jahre hat William Scanlan in Marburg Pharmazie studiert. Nach einem Praxissemester in der Forschung muss er nun nur noch ein halbjähriges Praktikum in einer Apotheke absolvieren, ehe er sein Staatsexamen ablegen kann.

William Scanlan hat sich bewusst für die Oberlausitz entschieden. Er sei sehr heimatverbunden, erzählt der Pharmaziestudent. „Es ist mal schön, nicht pendeln zu müssen.“ Ins Auto setzt er sich dennoch täglich, um nun von Ebersbach nach Niesky zu gelangen. Er kann sich gut vorstellen, irgendwann ganz in die Heimat zurückzukehren. Wenn, dann vermutlich als Doktor, denn den Vertrag für eine Doktorstelle in Marburg hat er schon in der Tasche. Der Bedarf an Fachkräften in der Branche ist sehr groß, erzählt Heiko Neumann. „In Deutschland werden gemessen am Bedarf zu wenige Pharmazeuten ausgebildet“, sagt der Nieskyer Apotheker.

Das verdeutlichen auch verschiedene Initiativen. So wollen etwa die sächsischen Apotheker eine Stelle schaffen, um gezielt Rückkehrer in die alte Heimat zu locken, berichtet Heiko Neumann. Nach seiner Einschätzung werde der Bedarf an Apothekern in den nächsten Jahren stärker steigen. Pharmazieingenieure, wie sie bei ihm noch arbeiten, werden in der Form nicht mehr ausgebildet. Ihr großer Vorteil ist, dass sie ihren Chef auch mal einige Wochen im Jahr vertreten können. Gehen die studierten Fachkräfte irgendwann in Rente, wird die Personaldecke deutlich dünner. „Die Pharmazieingenieure sind nur durch Apotheker zu ersetzen“, erklärt Neumann.

Doch die jungen Fachkräfte schätzen oft die urbanen Ballungszentren. „Die Großstädte sind für viele junge Leute attraktiver“, bestätigt William Scanlan. Gleich und gleich gesellt sich nämlich gerne. Auch sei es nicht leicht, in kleinen Städten auch einen passenden Job für den eigenen Partner zu finden. Diese Argumente kennt auch Heiko Neumann. Trotzdem wirbt er leidenschaftlich für die Arbeit als Apotheker in Niesky. „Die Stadt ist aus pharmazeutischer Perspektive sehr interessant, denn wir haben noch immer viele Fachärzte“, sagt er. Dadurch ergebe sich ein breites Spektrum an Aufgaben.

William Scanlan will sich noch nicht festlegen, ob er nach seinem Doktortitel in einer Apotheke arbeitet oder doch lieber forscht. Gegenwärtig würde es ihn sehr reizen, später in einem Krankenhaus die Arzneimittelversorgung zu organisieren. Und das gerne in der Oberlausitz. Er hat auch deshalb Pharmazie studiert, erzählt er, weil die Absolventen bundesweit gesucht werden und er so vielerorts Arbeit finden kann. „Ich wollte immer einen Beruf in der medizinischen Branche haben und unabhängig bei der Ortswahl sein“, sagt er.

Seine derzeitige Arbeitskollegin Miriam Adamova beweist reichlich Flexibilität. Die Slowakin hat nach ihrem Studium in Bratislava erst in der Slowakei und später in Tschechien gearbeitet. Seit anderthalb Jahren gehört sie nun zum Team von Heiko Neumann. Der ist heilfroh über die ausländische Fachkraft. Doch die Anerkennung von Abschlüssen sei in Europa noch immer ein Problem. So werde zwar Miriam Adamovas Magister-Abschluss, nicht aber ihr Doktortitel in Sachsen anerkannt. „Leider sind nicht alle Gesetze so klar, wie wir uns das wünschen“, sagt die 38-Jährige.

Sie hat sich mit dem Job in Niesky gleich zwei Wünsche erfüllt, erzählt die Slowakin. Weil sie seit ihrer Schulzeit von der deutschen Sprache fasziniert ist, hat sie immer einmal in Deutschland arbeiten und leben wollen. Außerdem sei es fachlich interessant, über den Tellerrand zu schauen. „Die Wiese bei den Nachbarn ist immer grüner“, zitiert Miriam Adamova ein slowakisches Sprichwort. Um das zu hinterfragen, habe sie sich selbst ein Bild machen wollen. Erst in Tschechien, dann in Deutschland. Dass es auch östlich von Niesky an Fachkräften mangelt, stellt sie oft in ihrer Heimat fest. In vielen Inseraten würden dort Pharmazeuten gesucht.