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Von Markersdorf nach Windhoek

Ärztin Barbara Großmann aus Markersdorf verbringt ihren Urlaub in Namibia. Dort behandelt sie die Einwohner.

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© Pawel Sosnowski

Von Rita Seyfert

Sonne satt, ewig blauer Himmel, Safari-Idylle und Spuren deutschen Kulturguts. Namibia, das ehemalige Deutsch-Südwest an der Atlantikküste, fasziniert wegen seiner weiten Wüsten und verschiedenen Ethnien, dem wildreichen Etosha-Nationalpark und der kolonialen Vorgeschichte. Als Barbara Großmann im Mai in der Hauptstadt Windhoek aus dem Flugzeug stieg, wollte sie dem Land etwas zurückgeben. Die Markersdorfer Ärztin verbringt ihren Urlaub in Namibia, um dort Menschen medizinisch zu helfen. „Es ist einfache, aber notwendige Basismedizin“, sagt sie.

Auch 2018 möchte sie wieder nach Afrika.
Auch 2018 möchte sie wieder nach Afrika. © SZ

In diesem Jahr reiste Barbara Großmann bereits zum zweiten Mal mit der Trägerorganisation Round Table Club Windhoek an den Südwestzipfel Afrikas. Bei dem über Spenden finanzierten Projekt werden mobile Kliniken in den Provinzen aufgebaut. In den Dörfern etwa hundert Kilometer rund um ein Basislager versorgt sie die Menschen mit Medikamenten, Verbandsstoffen und wichtigen Ratschlägen. „Viele Kinder sind verwurmt.“ Die Erwachsenen klagen über Rückenschmerzen, Allergien oder Augen- und Hautprobleme. „Und es wird viel geraucht“, erzählt sie. Daher kämen neben Zivilisationskrankheiten wie Bluthochdruck und Diabetes auch Lungenkrankheiten vor.

Barbara Großmanns Ehemann Ulf, in Görlitz als ehemaliger Kulturbürgermeister bekannt, begleitete die Ärztin. Während sie ihre Diagnosen stellt und den Patienten hilft, repariert er Autoreifen, Rollstühle oder hilft den älteren Herrschaften, wieder auf ihre Eselskarren oder die Ladeflächen der offenen Wagen zu kommen.

Fünf Tage lang stehen sie vor Sonnenaufgang auf, um über die unwegsamen Sandwege zu den Einsatzorten zu fahren. Neben den Verbindungsstraßen von Windhoek-Swakopmund und Windhoek-Lüderitz ist außerhalb der Städte nur die Nord-Süd-Achse von Angola nach Südafrika asphaltiert. Wenn sie mit dem etwa 50-köpfigen Konvoi eintreffen, warten die Anwohner schon, darunter Owambos, Damaras, Himbas und Hereros, erzählt sie. Letztere Volksgruppe hatten die deutschen Kolonialtruppen 1904 in der Wüste verdursten lassen. Die Hereros hatten sich gegen die Kolonialisierung gewehrt. Von 80 000 überlebten nur etwa 16 000. Noch heute tragen die Frauen die typische Kleidung im viktorianischen Stil. Nur die stolzen Himba-Frauen im Norden des Landes reiben sich die Haut mit Creme aus Butterfett und roter Erde ein, um sich gegen die Sonne und Mücken zu schützen.

„Unser medizinischer Einsatz für die Menschen gleicht einem Tropfen auf den heißen Stein.“ Doch ein Tropfen sei besser als gar keiner, ist Barbara Großmann von ihrem Tun überzeugt. Die Menschen werden wahrgenommen und erfahren Zuwendung, allein das könne ein Heilungsimpuls sein. Und sie bekommen etwas geschenkt, seien es Decken, Medizin oder eben Zeit.

Befremdlichkeiten erlebte sie kaum. Der Unterschied zwischen Schwarz und Weiß sei zwar groß, berichtet sie. Die Differenzen zwischen den afrikanischen Volksgruppen sei aber noch ungleich größer. Diese Erfahrung machte sie bei ihrem ersten Einsatz im verarmten Norden Namibias. Neben den zwei Neurologen und ihr als Ärztin waren auch fünf Medizinstudenten sowie junge norwegische Krankenschwestern mit im Einsatz. Die Mehrzahl der Landbevölkerung lebe im Norden noch wie vor tausend Jahren in Rundhütten, die mit Schilf geflochten werden, erklärt Großmann. Nur das Familienoberhaupt habe häufig ein Bett. Alle anderen müssten ohne Decken auf der blanken Erde schlafen. So in etwa müsse man sich auch die Hostels vorstellen, in denen die schulpflichtigen Kinder unter der Woche untergebracht sind. Zurück in der Heimat, wenn sich die Leute über die Probleme hierzulande aufregen, relativiere sich vieles. Insofern sei ihre Tätigkeit in Afrika eine unglaubliche Bereicherung. Es sei nicht selbstverständlich, auf der Sonnenseite des Lebens zu stehen. „Und es ist nicht unser Verdienst allein“, sagt sie. Ihr Einsatz sei zwar körperlich anstrengend. Doch nach ihrem „Urlaub“ fühle sie sich seelisch erholt. „Das ist nie bloß Arbeit“, sagt sie. In einer Hotelanlage würde sie Land und Leute nicht so intensiv kennenlernen. Richtig in die Ferien fährt Barbara Großmann aber dennoch. In diesem Sommer ging es für zwei Wochen auf eine Rundreise nach Frankreich.