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Von Holz und Fels herausgefordert

Die 10. Internationale Bildhauerwerkstatt am Miltitzer Steinbruch Krabatstein vereinte Teilnehmer aus sechs Kulturen.

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© Andreas Kirschke

Von Andreas Kirschke

Lausitzer Granit fühlt sich hart, homogen und grobkörnig an. Er weist eine hohe Dichte auf. Sogar extremer Witterung hält er stand. „Ich sagte mir: Wenn ich schon hier in der Lausitz bin, dann will ich ihn auch bearbeiten. Ich will es versuchen“, sagt Bildhauerin Jiang Bian-Harbort aus Shijiazhuang (China). Am Krabatstein Miltitzer Steinbruch gehört sie zu den Akteuren der zehnten Internationalen Bildhauerwerkstatt.

„Es hängt alles miteinander zusammen. Nichts steht isoliert für sich. Und alles ist im Fluss.“ Dies meint Bildhauer Hardy Raub. Der gebürtige Eisenacher lebt seit anderthalb Jahren in Montescheno (Nord-Italien). Sein Kunstwerk bei den Bildhauertagen in Mi
„Es hängt alles miteinander zusammen. Nichts steht isoliert für sich. Und alles ist im Fluss.“ Dies meint Bildhauer Hardy Raub. Der gebürtige Eisenacher lebt seit anderthalb Jahren in Montescheno (Nord-Italien). Sein Kunstwerk bei den Bildhauertagen in Mi © Andreas Kirschke

Aus der deutschen, sorbischen, tschechischen, weißrussischen, italienischen und chinesischen Kultur gewann der Verein Steinleicht als Organisator die Teilnehmer. Mit Holz, Lausitzer Granit und Metall erschaffen die zehn Bildhauer ihre Kunstwerke. „Das wird ein Drachen“, meint Jiang Bian-Harbort. „In China gilt er als Fabeltier. Der Drache steht symbolisch für den Kaiser, für Macht, für Herrschaft, für Reichtum.“ Die Künstlerin fügt ihm Fischflossen bei. Sie stehen für den Lausitzer Karpfen. Somit verbindet sie China und Lausitz. Mit Gips, Bronze, Keramik, Sandstein, Marmor und Serpentin hat sie schon gearbeitet. Heute lebt sie als freischaffende Bildhauerin in Kitzen bei Leipzig. Durch die Freundin eines Kollegen erfuhr sie von der Bildhauerwerkstatt. „Ich fühle mich sehr wohl hier. Die Sorben sind sehr offen und gastfreundlich“, sagt die Bildhauerin. „Ich arbeite klassisch.“ Zunächst zeichnet sie mit Skizze vor. Danach entsteht ein Mini-Entwurf aus Ton. Es folgt das eigentliche Kunstwerk aus Granit. Mit Spitzeisen stemmt sie die Schuppen. Mit Diamant-Schleifer formt sie die Flächen. „Die Augen kommen ganz zum Schluss“, sagt sie. „Das ist wie eine Zeremonie. Bei uns in China arbeiten Künstler so. Der Drache öffnet sozusagen die Augen. Er soll lebendig sein.“

Den Stein nicht entfremden

Wie die Chinesin ließ auch Uli Mathes, seit 1988 freier Bildhauer in Berlin, den Miltitzer Steinbruch auf sich wirken. Auch er versucht sich am Lausitzer Granit. „Die Idee entsteht erst“, sagt der Bildhauer. „Im Grunde belasse ich den Stein. Ich gebe ihm meine Kraft und meine Inspiration dazu. Ich entfremde ihn nicht. Wichtig ist für mich die Achtung. Das ist immer das Entscheidende.“ Mit Symposien sammelte er bereits gute Erfahrungen. Bis nach Davos (Schweiz) und nach Klagenfurt (Österreich) führten sie ihn. Hier am Krabatstein hatte er 14 Tage Zeit. Die Bildhauerwerkstatt eröffnete ihm Freiheit. Sie nahm ihm den Leistungsdruck. Sie ließ Zeit für Ideen.

„Symposien mit nur fünf, sechs Tagen sind wie Arbeit ohne Denken“, sagt Holzbildhauer Hardy Raub. Seit anderthalb Jahren lebt und arbeitet der gebürtige Eisenacher in Montescheno (Nord-Italien). „Entfaltung“ nennt er sein jetziges Kunstwerk. Aus Roteiche entsteht es sorgfältig. „Meine Arbeiten sind immer fließend“, sagt der Bildhauer. „Sie zeigen das Leben. Die Energie des fließenden Wassers liegt mitten im Holz.“ Immer, so Hardy Raub, gehe es um Zusammenarbeit, Vernetzung, Austausch. Alles sei miteinander verbunden. Nichts lebe isoliert nur für sich. Das soll sein Kunstwerk versinnbildlichen. „Es bezieht die Menschen, hier in der Region mit ein, ihre Visionen, ihr Tun. Es geht mir ums Ganze“, sagt der Bildhauer. Sein Kunstwerk soll in der Lausitz verbleiben. Neue Erfahrungen sammelt er hier am Krabatstein. Hier wertschätzt er den fachlichen Austausch.

Arbeit mit heimischen Eichenwurzeln

„Du bekommst für dich eine ganz neue Sicht auf dein eigenes Schaffen. Du bekommst neue Ideen, neue Inspiration, neue Sichtweisen“, stimmt ihm der sorbische Holzkünstler Aloysius Scholze aus Säuritz zu. „Meine Kunst kommt aus der eigenen Schiene heraus. Ganz neue Abzweigungen entstehen.“ Sehr kreativ arbeitet der Säuritzer mit heimischen Eichenwurzeln. Im Umkreis von bis zu 20, 30 Kilometern sichtet er sie. Aloysius Scholze findet sie meist in Wäldern und in Waldinseln mitten auf Wiesen und auf Feldern. Immer wieder spürt er: Was unter der Erde erhalten blieb, ist zu 100 Prozent noch gesundes Holz. „Und das lässt sich wie normale Eiche bearbeiten“, sagt er. Mit viel Liebe zum Detail entstehen zur Bildhauerwerkstatt gleich vier Werke von ihm. Das erste Motiv zeigt „Mohammed und Jesus“. Einander zugewandt reden sie miteinander. „Damit will ich sagen, dass sich gerade die Weltreligionen aufeinander zubewegen sollen“, sagt der Säuritzer. „Für den Frieden in der Welt ist das unverzichtbar.“ Ein weiteres Motiv zeigt eine Engelsfigur. Sie thront über der Stadt. Der Titel für dieses Kunstwerk, so der Säuritzer, sei noch offen. Bei zwei weiteren Wurzeln lässt er sich noch von seiner Phantasie leiten.

„Der künstlerische Anspruch der Werkstatt ist hoch. Die Bildhauer arbeiten selbstständig und professionell“, sagt Organisator Ludwig Pickert, Vorsitzender des Vereins Steinleicht. Diesmal wohnten alle Teilnehmer gleich vor Ort am Steinbruch. So blieb mehr Zeit für Begegnung. Dank Förderung durch die Euroregion Neiße und den Kulturraum sowie durch Eigenmittel der Gemeinde und des Vereins gelang die Finanzierung.

Jeden Tag genossen die Teilnehmer nach getaner Arbeit die Abendstimmung pur am Steinbruch. Oft diskutierten und sangen sie zusammen. Steinleicht, so Pickert, strebt den Verkauf der Kunstwerke an. Je nach Interesse können Kommunen, Firmen, Schulen und Einrichtungen nachfragen. Nicht verkaufte Kunstwerke sollen im Miltitzer Steinbruch verbleiben. Sie sollen es aufwerten und so die Weiterentwicklung des Geländes unterstützen. „Alle hier entstehenden Kunstwerke haben eine tiefe Aussage“, freut sich Ludwig Pickert über die hohe Kreativität. „Es soll etwas Bleibendes für die Nachwelt entstehen.“