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Von großen Fischen und Umweltsündern

Vor 90 Jahren wurde Döbelns erster Anglerverein gegründet. Die Nachfolger haben heute die gleichen Probleme.

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© Dietmar Thomas

Von Jens Hoyer

Döbeln. Früher war alles besser? Nicht unbedingt. Der 1. Anglerverein Döbeln 1926 schickte einige Jahre nach seiner Gründung einen Beschwerdebrief an die Chemiefabrik Oswald Greiner. Die hatte am Burgstadel Schadstoffe in die Mulde eingeleitet. 1400 Setzkarpfen der Angler trieben Bauch oben den Fluss hinunter. Der Brief von damals gehört zu einer kleinen Materialsammlung aus den Anfangsjahren des Vereins, der in diesem Jahr 90 Jahre alt geworden ist. „Wir haben erst im Oktober durch einen Zufall diese Unterlagen bekommen“, sagte Vereinschef Eckhardt Erdmann. Darunter ist auch ein Protokollbuch des Vorstandes, das erhellende Einblicke ins Anglerleben vor über 80 Jahren gibt: „Die hatten damals die gleichen Probleme wie wir heute. Es gab Verstöße von Anglern gegen die Fischereiverordnung, es ging um Fischbesatz und Schadstoffe, um Zu- und Abgang von Mitgliedern. Um Naturschutz, Umweltschutz, Hege und Pflege.“

Diese würdigen Herren haben 1926 den 1. Anglerverein in der Gaststätte „Weiße Taube“ gegründet: (hinten von links) Max Örtel, Robert Newe, Eberhard Hoffmann, Georg Bettinger, Max Antrag, Franz Eulitz; (vorn von links) Adolf Hornig, Robert Schubert, Curt N
Diese würdigen Herren haben 1926 den 1. Anglerverein in der Gaststätte „Weiße Taube“ gegründet: (hinten von links) Max Örtel, Robert Newe, Eberhard Hoffmann, Georg Bettinger, Max Antrag, Franz Eulitz; (vorn von links) Adolf Hornig, Robert Schubert, Curt N © privat

Der Verein hatte damals eigene Pachtgewässer: die Mulde von Döbeln bis Technitz, die Zschopau von Limmritz bis zur Mündung in die Mulde. Limmritz ist bei Anglern heute immer noch beliebt. Werner Koßack hat erst vor zwei Wochen am Viadukt zwei Hechte aus der Zschopau gezogen. Einen mit 80 Zentimeter Länge, der zweite hatte sogar einen Meter. Sie waren scharf auf Koßacks Blinker. Die baut der 65-Jährige selbst aus starkem Kupferblech.

Mit Gerhard Sabow gehört Koßack zu den „alten Hasen“ des Anglervereins. Die beiden haben einige der Wellenbewegungen mitgemacht, die der Verein in den vergangenen Jahrzehnten vollführte. Die beiden waren Mitglieder der Anglergruppe im damaligen VEB DBM. Dieser schloss sich 1991 mit der Ortsgruppe des Deutschen Anglerverbands (DAV) zu einem neuen Verein zusammen, der seitdem einen alten Namen trägt: 1. Anglerverein Döbeln 1926.

Koßack und Sabow haben in den 70er und 80er Jahren in der Jugendgruppe mit dem Anglernachwuchs gearbeitet. Man traf sich damals im Pionierhaus an der Straße des Friedens. „Wir hatten dort einen Raum. Das war prima, da konnten wir im Winter basteln“, erzählt Kossack. Gutes Anglerzubehör war knapp in der DDR. Posen wurden aus Balsaholz oder sogar aus Holundermark gebaut.

Das Angelmaterial taugte damals nicht viel, meint Koßack. Es wurde improvisiert. „Bei Samenwagner gab es Bambus. Daraus wurden Ruten gebaut.“ Um ordentliche Haken zu bekommen, pulten die Angler das Blei von russischen Eisangelködern oder besorgten sich das Material in Polen oder Tschechien. Gute Rollen wie die „Forelle“ gab es nur unterm Ladentisch. Wenn die Angler diesen Sonnabend ihren Jahrestag feiern, wird auch einiges von der alten Angeltechnik ausgestellt.

„Wir waren mit der Jugendgruppe dreimal bei der DDR-Meisterschaft“, erzählt Koßack. 1982 ging es eine Woche nach Bützow, wo die Friedfischmeisterschaft ausgetragen wurde. „Wir haben dort mit den Kindern eine Woche lang gezeltet“, erklärt er. Am Ende angelten sich die Döbelner den dritten Platz. Koßack kümmert sich bis heute mit Roland Apostel, Christian Heide, Klaus-Peter Katzer und Rainer Goldammer um den Nachwuchs. „Die Weihnachtsfeier ist immer ein Höhepunkt. Da gehen wir in die Grundschule Mochau und bauen mit den Kindern Spinner, Blinker und Fliegen.“

Auch heute spielt der Wettkampfsport im Verein eine Rolle. Sabow war 2013 mit der deutschen Mannschaft bei der Weltmeisterschaft der Veteranen in Bosnien-Herzegowina. Koßack angelte 2012 und 2013 bei der Weltmeisterschaft im Spinnfischen mit. Zusammen mit Klaus-Peter Katzer, der bei ihm das Angeln gelernt und der ihn – wie Koßack neidlos zugibt – an Können übertrifft. Michael Wittig aus dem Verein mischt ebenfalls bei großen internationalen Vergleichen mit. Gerade war er bei der Weltmeisterschaft in Bulgarien.

Sabow hatte 1960 mit neun Jahren mit der Angelei angefangen. Koßack feiert dieses Jahr sein 50-jähriges Angel-Jubiläum. Fische haben die beiden in ihrem Leben eine Menge gefangen. Seinen größten Hecht zog Koßack aus dem Bodden: 1,23 Meter Länge hatte der. Szabo hatte in der Saidenbachtalsperre mal einen Riesenaal gefangen – knapp einen Meter lang.

Die Döbelner Angler hatten nicht nur gute Zeiten. Im Zweiten Weltkrieg war die Hälfte der mehr als 100 Mitglieder beim Militär. Geangelte Fische mussten dem „Reichsnährstand“ zur Versorgung der Bevölkerung abgegeben werden. Der erste Angelwettbewerb nach dem Krieg war 1946 der „Preis der Volkssolidarität“, ausgetragen in Leisnig. Der geangelte Fisch wurde gegen Quittung an das Krankenhaus abgegeben. Die Angler waren dann in einer Kreisfischereigenossenschaft organisiert, in den 50ern wurde eine Ortsgruppe des DAV gegründet.

2007 kauften die Angler das Vereinshaus in Limmritz – eine ehemalige Gaststätte. Nicht alle waren mit höheren Beiträgen einverstanden: Etwa 40 Mitglieder traten damals aus, erzählt der Vorsitzender Eckhardt Erdmann. Heute hat der Verein wieder rund 160 Mitglieder. Davon sind dank der Nachwuchsarbeit etwa zehn Prozent Kinder- und Jugendliche. Eine ordentliche Quote, wie der Vorsitzende meint. „Wir haben einen ausgewogene Altersstruktur.“ Diese versucht man auch im Vorstand zu halten. „Wir haben drei junge Leute kooptiert, um Nachwuchs für den Vereinsvorstand einzuarbeiten.“