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Von Gorbitz nach Brasilien und wieder zurück

Eine Dresdner Künstlerin hat Menschen nach ihren Hoffnungen gefragt und daraus eine Freiluftausstellung gemacht.

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© sächsische zeitung

Von Sophie Arlet

Wer in den vergangenen Tagen am Amalie-Dietrich-Platz aus der Bahn gestiegen ist, wurde mit einer einfachen und doch sehr großen Frage konfrontiert: „Hoffst du?“ Zu lesen war sie auf großen Plakaten an der Haltestelle. Die Frage hat die Künstlerin Karen Packebusch anderthalb Jahre lang Menschen in Gorbitz und der brasilianischen Großstadt Recife gestellt. Wer sie mit Ja beantwortet hat, sollte sagen, worauf sich diese Hoffnung richtet.

Die aufgeschriebenen Antworten hat Packebusch für zwei Wochen in Gorbitz aufgehängt. „Ich wollte mit den Menschen in Kontakt kommen, nicht nur beobachten“, sagt die 34-Jährige. Eine künstlerische Arbeit, die sich nur mit sich selbst beschäftigt, lehnt sie ab und betreibt lieber „Feldforschung“. Dabei beschäftigt sie sich auch immer wieder mit dem Leben in Gorbitz, schließlich ist sie in dem Stadtteil aufgewachsen. Bei ihrer Diplomarbeit an der Hochschule für Bildende Künste (HfBK) 2011 hatte sie Leute in eine typische Einraumwohnung eingeladen. „Damals habe ich oft die Frage gehört, ob in dem Stadtteil Hoffnung besteht“, sagt die Dresdnerin. Sie konnte die Skepsis nicht nachvollziehen. „Ich war glücklich als Kind.“

Für ihre Arbeit zum Thema Hoffnung hat sie Fragebögen erarbeitet, die an Formulare von deutschen und brasilianischen Behörden erinnern. „Da wird auch nach der Hautfarbe und Religionszugehörigkeit gefragt“, so Packebusch. Auf dem Blatt konnten die Befragten ihre Hoffnungen aufschreiben. Die 17-jährige Freya aus Dresden hofft, dass kein Weltkrieg mehr ausbricht und dass die neue Staffel der Fernsehserie Game of Thrones bald herauskommt. Ein gleichaltriger Schüler aus Recife träumt davon, dass sein Fußballteam von einem arabischen Scheich gekauft wird. Der Zettel der Gorbitzerin Rebecca ist leer, sie hofft nicht. Auch bei Severino aus Brasilien ist nichts eingetragen, aber aus einem anderen Grund. „Er arbeitet als Parkplatzwächter und kann nur seinen Namen schreiben“, erzählt Karen Packebusch. Für das Projekt hat sie extra Portugiesisch gelernt und konnte sich mit den Leuten über ihre Hoffnungen unterhalten. So hat sie erfahren, dass sich der Parkplatzwächter vor allem wünscht, seine Arbeit zu behalten.

Etwa 250 Fragebögen mit witzigen, verzweifelten und auch unerfüllbaren Hoffnungen hat die Künstlerin gesammelt. Auf Recife ist sie durch ein sehr altes Buch eines Dresdner Künstlers gekommen. Der hat vor knapp 400 Jahren in der brasilianischen Stadt gearbeitet und sich mit dem Sklavenhandel und der Kolonialherrschaft beschäftigt. „Ich wollte wissen, wie ich die Stadt als Künstlerin heute erlebe“, sagt die Wahlberlinerin. Sie hat Leute auf der Straße angesprochen, war in Schulen und hat sich mit Gewerkschaftern getroffen. „Die Menschen in Receife und Dresden hoffen meistens wirklich grundlegende Dinge, die ihnen fehlen. Einige sind einfach und doch für manche unerreichbar.“

Die Arbeit in Gorbitz war ein Kontrastprogramm zu den Monaten in Recife. „Am Anfang war es komisch, wieder hier zu sein.“ Als Packebusch 1983 mit ihren Eltern in die gerade entstehende Plattenbausiedlung gezogen ist, war das etwas Besonderes. „Wir hatten Zentralheizung!“ Während ihrer Arbeit war sie auch in ihrem alten Kindergarten am Helbigsdorfer Weg und in der ehemaligen 133. Polytechnischen Oberschule.

Die gesammelten Hoffnungen hat Packebusch in einem kleinen Buch zusammengestellt. Das kann beim Quartiersmanagement am Leutewitzer Ring 35 durchgeblättert werden. Die Hoffnungsplakate müssen jetzt wieder ab, zum Westhangfest am 14. Juni sollen sie aber noch mal in Gorbitz aufgehängt werden.