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Von Göhlis ins Airbus-Cockpit

Pilotin Manja Schindler steuert Passagierflugzeuge quer durch Europa. Fliegen gelernt hat sie in Riesa.

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© privat

Von Britta Veltzke

Riesa. Kribbeln im Bauch vor dem Abheben, der unbedingte Wille ein Ziel zu erreichen, das Gefühl von Freiheit Hunderte Meter über der Elbe – das verbindet Manja Schindler mit dem Flugplatz Riesa-Göhlis. Jetzt, wo in der Stadt so emotional um die Zukunft des Platzes gestritten wird, lässt die 37-Jährige die Zeit vor knapp 20 Jahren noch einmal Revue passieren. Damals lernte die Abiturientin auf den Flugplätzen Riesa und Großenhain das Fliegen – heute lebt sie in Hamburg. Von dort aus bringt sie Passagiere für die Fluglinie Air Berlin in Städte in ganz Europa. Zürich, Rom, Madrid zählen zu ihren Standard-Strecken – dabei hatte sie nach dem Abitur in Dresden eigentlich ganz andere Pläne.

„Ich wollte Medizin studieren“, erzählt Manja Schindler. Doch sie bekam nicht gleich einen Studienplatz. Ein Jahr Wartezeit habe sie überbrücken müssen. Als lukrativer Lückenfüller erschien ihr damals Flugbegleiterin als der passende Job bis zum ersten Semester an der Uni. „Das ging damals noch mit einer sechswöchigen Ausbildung bei Air Berlin. Ich hatte mich beworben und eine Woche später saß ich schon im Vorbereitungskurs.“

Bei einem Übungsflug war es plötzlich um sie geschehen: „Ich war früh morgens beim Anflug auf Teneriffa mit im Cockpit, da wusste ich: Ich will nichts anderes mehr machen außer Fliegen.“ Die Faszination war so groß, dass die damals 19-Jährige ihren Studienplatz absagte. Ihre Mutter jedoch hielt zunächst gar nichts von ihren Pilotinnen-Plänen. Manja Schindler erinnert sich noch genau an ihre Reaktion. „Meine Mutter sagte: Du warst viel zu blöd in Physik.“ Ihre Schwäche in dem unliebsamen Schulfach konnte sie damals nicht bestreiten. „Ich war tatsächlich nicht sehr gut in Physik“, erinnert sie sich. Doch gleichzeitig war und ist sich Manja Schindler sicher, dass sich solche Hürden überwinden lassen, wenn man nur will. Und sie wollte, unbedingt. „Ich habe mich voll reingekniet.“

Ihren Privatpilotenschein, den vor Beginn der Verkehrspilot-Ausbildung jeder vorweisen muss, machte Manja Schindler in der Flugschule August der Starke. „Für Anfänger sind solche kleinen Flugplätze wie Riesa oder Großenhain enorm wichtig. Zum einen, weil dort weniger los ist und man einfach ungestörter üben kann, und zum anderen, weil die Start- und Landegebühren für die meisten Flugschüler auf den großen Flughäfen unerschwinglich sind.“ So sei die Ausbildung schon teuer genug. Rund 15 000 DM für ihren Privatflugschein und noch einmal etwa 140 000 DM für den Verkehrspilotenschein musste Manja Schindler aufbringen. Da war sie froh, dass sie parallel zu ihrer Ausbildung weiter als Stewardess Geld dazuverdienen konnte. Zusätzlich musste sie Kredite aufnehmen. „Wenn noch mehr kleine Flugplätze schließen, wird es für Flugschüler ohne reiche Eltern immer schwieriger“, sagt sie. Als Alternative böte sich da nur das Ausland. „Viele meiner Kollegen haben in Kroatien oder den USA fliegen gelernt.“

An ihren unbedingten Willen kann sich auch Ralf Kruse, Chef der Flugschule August der Starke, noch erinnern: „Ich muss sagen, dass es talentiertere Flugschüler gab als Manja. Aber sie hat sich durchgebissen.

Der Aufwand hat sich für Manja Schindler gelohnt, auch wenn sie um ein Haar noch um ihren Berufseinstieg gebracht wurde – von Terroristen. „Nur etwa zwei Wochen nachdem ich meinen ersten Arbeitsvertrag unterschrieben hatte, steuerten die Terroristen am 11. September 2001 die Maschinen in die Zwillingstürme in New York. Für die Fliegerei bedeutete der Anschlag einen unglaublichen Knick. Die Fluggesellschaften reduzierten danach ihre Maschinen und stellten erst einmal keine neuen Piloten mehr ein.“ Trotz eines mulmigen Gefühls nach der Tragödie – Manja Schindler war erst mal an Bord.

Gerade ist sie mit ihrem zweiten Kind in Elternzeit – der Wiedereinstieg sei aber fest geplant. „Der Job lässt sich erstaunlich gut mit dem Familienleben vereinbaren. Ich arbeite nicht Vollzeit und habe mich außerdem für die Kurz- und Mittelstrecken entschieden, damit ich nicht so lang am Stück weg bin.“ Und? Was sagt die Oma ihrer Kinder heute dazu, dass sie ihren Traum vom Fliegen verwirklicht hat? „Sie ist glücklich, dass ich meinen Weg gegangen bin – auch gegen ihren Rat.“