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Von echten Tataren und falschen Indianern

Die kleine Eishockeyabteilung des ESV Dresden organisiert ein ungewöhnliches Turnier. Und folgt damit einem Trend.

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© Robert Michael

Von Alexander Hiller

Russische Eishockeyteams verirren sich ganz selten nach Dresden. Ganz gezielt haben sich jedoch die Männer mit dem etwas sperrigen Teamnamen Elabuga 1 000 Tatarstan ihren Auftritt in der sächsischen Landeshauptstadt herausgepickt.

Die Tataren waren beim 2. Dresden Summer Hockey-Cup die Gäste mit der weitesten Anreise. Die Eishockey-Abteilung des Mehrspartenvereins ESV Dresden will mit diesem Hobbyturnier eine schöne Tradition entstehen lassen. „Solche Turniere gibt es weltweit. In Bangkok gibt es jährlich eins, da spielen bis zu 60 Mannschaften“, sagt René Seidel. „Wir haben uns gefragt, warum das nicht auch in Dresden funktionieren soll“, erklärt er. Offenbar kommt das Konzept für das dreitägige Turnier in der Energieverbund-Arena an. „Ich habe so viele Kontakte in der Szene, da könnte ich locker 200 Teams hierher einladen“, sagt Seidel. Das würde erstens wenig Sinn machen, weil zweitens den zeitlichen Rahmen sprengen.

Deshalb erhielten neben dem Gastgeber, dessen Team als „Cowboys Dresden“ antrat, sieben weitere Mannschaften eine ganz konkrete Einladung. „Für das nächste Jahr haben wir schon sieben Zusagen, da wollen wir das Feld auf zwölf Mannschaften aufstocken“, blickt René Seidel voraus. Möglich, dass dann auch wieder die Russen aus der autonomen Republik Tatarstan dabei sind, sie wiederholten am Sonntag ihren Vorjahressieg – vor den West Berlin Boys und den Rainmen Allstars und den Gastgebern. Letztere hatten sich mit dem ehemaligen Eislöwen-Profi Robin Sochan (40) verstärkt, der noch für die Erfurt Dragons in der Oberliga aktiv ist. „Ohne solche Verstärkungen wären wir ziemlich chancenlos gewesen“, mutmaßt René Seidel.

Denn nicht nur die Hausherren trumpften mit Ex-Profis auf. Das gehört mittlerweile auch bei Wettbewerben von sogenannten Freizeitteams zum guten Ton. Gewinnen macht schließlich auch beim Hobby Spaß. Beim Turniersieger aus dem tatarischen Jelabuga soll unter anderem ein Akteur aufgelaufen sein, der bereits in der MHL-Liga spielte – der höchstklassigen Nachwuchsspielklasse im Land des Eishockey-Rekordweltmeisters. Die West Berlin Boys werden vom ehemaligen DEL-Profi Harald Windler betreut, bei den Rainmen Allstars kurvten drei ehemalige finnische Zweitliga-Cracks mit über das Eis. Der Weißwasseraner Stefan Mann (42), 1995 mit den Kölner Haien sogar deutscher Meister, ging mit seinem Freizeitteam der Berliner Pandas leer aus.

„Ich glaube, in anderen Städten sind solche Turniere sehr beliebt. Wieso einem hier so die Bude eingerannt wird, habe ich noch nicht so richtig begriffen“, sagt der Organisationsboss. Der ESV kann einen solchen Wettbewerb nur stemmen, weil die Startgebühr im Vergleich zu anderen Turnieren exorbitant hoch erscheint. „Jede Mannschaft entrichtet vorher 650 Euro. In Bangkok sind es sogar 3 000 Euro“, betont Seidel, der hauptberuflich in der Stadtverwaltung tätig ist. Mit diesen knapp 5 000 Euro an Startgebühren bestreitet der ESV den Turnieretat – immerhin ist die Eishalle in der Energieverbund-Arena drei Tage lang geblockt. Alle anderen Kosten für Übernachtungen, Verpflegung, An- und Abreise bleiben an den Gastteams hängen. „Anders wäre das Turnier nicht zu bewältigen. Das steht auf Spitze und Knopf.“ Auch, weil sich in den Sommerferien nur 30 bis 40 Zuschauer für das außergewöhnliche Turnier interessieren – und dafür noch nicht einmal Eintritt zahlen mussten.

Aber es bleibt dennoch Raum für kleine Extras. Am Sonnabend ließ eine kooperierende Pizzeria mit einem mobilen Steinofen vor Ort insgesamt 150 Pizzen backen – vor den Augen der hungrigen Spieler. „Die wurden ganz locker verputzt“, sagt Seidel.

Der nutzt das Heimturnier auch, um alte Kontakte aufzufrischen und neue zu knüpfen. Etwa zu den Geronimo Stars. Diese Mannschaft, deren loser Kader zum Großteil aus ehemaligen Erst- und Zweitligaspielern besteht, will im Februar 2018 ins Guinnessbuch der Rekorde eingehen. Mit dem höchsten Eishockeyspiel der Welt.

Im indischen Teil des Himalayagebirges soll auf 3 550 Metern Höhe in einem Natureisstadion gespielt werden. Das hat Geronimo-Manager Markus Nirschl zwar schon häufiger mit seiner Mannschaft gewagt, diesmal jedoch erstmals als offiziell beantragter Weltrekordversuch. „Zuletzt waren die Prioritäten einfach andere. Jetzt ist da oben gerade ein richtiges kleines Stadion im Bau, sodass dann theoretisch das ganze Jahr dort gespielt werden kann“, sagte Nirschl auf Nachfrage der Sächsischen Zeitung. Auch René Seidel interessiert sich für das Projekt.

Da könnte von Vorteil sein, dass Nirschl das Dresdner Turnier durchaus als Bereicherung für seine Mannschaft versteht, die sonst regelmäßig in Madrid, Bangkok oder eben im Himalaya im Einsatz ist. „Ich war ja schon oft hier“, sagt der Starnberger, der früher auch mal ein Fitnessstudio in Dresden unterhielt. „Die Struktur ist absolut top, Dresden hat sich als Eishockey-Standort toll entwickelt – und das sportliche Level war sehr hoch“, sagt er. Sogar so hoch, dass seine Indianer in der stärkeren B-Gruppe nicht so richtig zurande kamen und am Ende nur Fünfter wurden.