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Von der Wäsche zum Wort

Nach schwerer Krankheit will Evelyn Kühne ihren Laden abgeben. Sie hat schon eine neue Passion für sich entdeckt.

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© Sebastian Schultz

Von Uta Büttner

Nünchritz. Schicke Büstenhalter in großen Größen wie einer 95 F zu finden, ist nicht leicht. Evelyn Kühne weiß es aus eigener Erfahrung. Sie berät und verkauft BHs von 70 AA bis 110 K. „Gerade junge Mädchen mit extremen Oberweiten möchten farbenfrohe BHs und nicht hautfarbene oder nur schwarze oder weiße“, sagt die 47-jährige Inhaberin des Wäsche-Paradieses in Leckwitz. Das Wichtigste sei: „Der BH muss passen, damit sich die Frau wohl fühlt.“

Deshalb bietet Evelyn Kühne individuelle Beratungstermine an, zu denen sie auch die Maße nimmt. Vor allem molligen Frauen schätzen die angenehme Atmosphäre bei ihr. Zu ihren Kundinnen zählen junge und ältere Frauen – auch aus Dresden und Leipzig: „Manchmal sitzen hier Oma, Mama und Enkelin gemeinsam“, rezählt sie.

Doch eigentlich möchte die Geschäftsfrau den kleinen Laden im eigenen Haus schließen: „Ich habe lange mit mir gerungen, diese Entscheidung zu treffen. Ich habe viele Kundinnen, die nach Jahrzehnten endlich den richtigen BH gefunden haben und dann vor dem Spiegel stehen und deshalb in Tränen ausbrechen oder mich umarmen.“ Trotzdem – sie muss kürzer treten, denn 2011 erkrankte sie an Brustkrebs und anschließend an einem chronischen Erschöpfungs-Syndrom – einer Folgeerkrankung. Deshalb möchte Evelyn Kühne am liebsten ihr Geschäft an eine Nachfolgerin weitergeben. „Es ist mein Baby, und die Kundinnen liegen mir sehr am Herzen.“

Deshalb hat sie auch genaue Vorstellungen von der neuen Inhaberin. Sie müsste ein sehr offener Mensch sein und sehr gut mit Menschen umgehen können, sagt Evelyn Kühne. „Denn wir sind auch ein bissel Kummerkasten. Wenn eine neue Kundin kommt, setzen wir uns erst einmal hin und machen einen Schwatz, damit der Stress abfällt.“ Schließlich müssten die Frauen sich wohl fühlen. Auch dürfe die Nachfolgerin keine Berührungsängste haben. „Denn die Frauen müssen sich zum Maßabnehmen ausziehen, und da fasse ich die Frauen auch an.“ Anders gehe das gar nicht.

Genug Ideen, fehlende Kraft

Evelyn Kühne würde sich freuen, wenn sie jemanden fände, der mit der gleichen Leidenschaft, aber mit mehr Elan das Geschäft weiterführen könnte. Denn man würde den Laden noch viel weiter ausbauen können, sagt sie. Ideen habe sie genug, doch dazu fehle ihr die Kraft.

Für die Geschäftsübernahme würde Evelyn Kühne natürlich mit ihrer Erfahrung helfen – mit Tipps allgemein zur Selbstständigkeit und natürlich mit Tipps zum richtigen BH. Bei ihren ersten Kundinnen vor drei Jahren habe sie bis zu 30 BHs probieren lassen müssen – inzwischen habe sie einen guten Blick. „Es gibt unendlich viele Brustformen“, erklärt sie. Doch heute wisse sie, welche BHs von welchem Hersteller am besten passen. Um einen neuen Geschäftsraum müsse sich die Nachfolgerin allerdings selbst kümmern.

Am liebsten würde sich Evelyn Kühne nur noch ihrer größten Leidenschaft, dem Schreiben, widmen. Das erste Buch, in dem sie ihre Krankheitsgeschichte verarbeitete, erschien Ende 2016. Inzwischen schreibt sie Romane – Liebesgeschichten. Einen Verlag habe sie auch schon gefunden. Beim Schreiben müsse sie kein schlechtes Gewissen haben, wenn sie mal eine Woche wegen ihrer Krankheit nicht arbeiten könne. Doch ihren Kundinnen hin und wieder wochenlang die Termine absagen zu müssen, das gefalle ihr nicht.

Von heute auf morgen das Wäsche-Pardies ganz schließen – das werde nicht passieren, sagt Evelyn Kühne. Dazu lägen ihr die Kundinnen viel zu sehr am Herzen. „Und die Gutscheine werden auch nicht verfallen“, betont sie. So verkaufe sie häufig am Jahresende viele Gutscheine an Männer, die sagen: „Meine Frau liegt mir schon seit Jahren in den Ohren, dass sie keinen passenden BH findet.“

Evelyn Kühne hofft auf eine Nachfolgerin – doch eigentlich ist sich die Optimistin sicher: „Ich werde eine finden.“

www.waesche-paradies.com