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Von der Not zur Tugend

In Kreba sollen Erstklässler und Zweitklässler zusammen lernen. Damit das gelingt, braucht es mehr Selbstständigkeit.

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© André Schulze

Von Alexander Kempf

Jana Graupner hat den Vortrag für die Eltern der Krebaer Grundschüler gut vorbereitet. Kurz bevor sie ihn am Mittwoch hält, geht ihn die Lehrerin in Gedanken dennoch noch einmal durch, um sicherer zu werden. Es ist eine wichtige Präsentation für sie und die gesamte Gemeinde. Denn in Kreba soll ab dem kommenden Schuljahr aufgrund zu geringer Schülerzahlen zum ersten Mal altersgemischter Unterricht stattfinden. Die heutigen Erstklässler werden sich dann also mit den nächsten Erstklässlern einen Lehrer und einen Unterrichtsraum teilen. Das ist vor allen Dingen ein neues Konzept für die Eltern. Jana Graupner ist von dem Modell schon überzeugt. Heute will sie auch die Eltern dafür begeistern.

Denn die müssen das Vorhaben nicht unterstützen. Wer bei dem Vorhaben kein gutes Bauchgefühl habe, der kann seinen Sohn und seine Tochter auch in die Grundschule im Nieskyer Ortsteil See schicken, erläutert Jana Graupner. Wenngleich sie natürlich auf großen Zuspruch hofft. Ihr ist aber wichtig, dass die Eltern den neuen Weg von Anfang an gerne mitgehen. „Denn bei Problemen ist eine Lösung nur möglich, wenn man nicht an der Basis zweifelt“, sagt sie.

Und Probleme kann es geben. Etwa wenn ein Lehrer ausfällt. Insbesondere ab dem Schuljahr 2019 und 2020, wenn es nur noch zwei Klassen an der Grundschule geben soll, könnte das Herausforderungen mit sich bringen. Dann lernen nicht mehr nur Erstklässler und Zweitklässler, sondern auch Drittklässler und Viertklässler jahrgangsübergreifend zusammen. Für alle Schüler sind dann aber nur noch drei volle Lehrerstellen vorgesehen. „Der beste Plan nützt nichts, wenn Fachkräfte ausfallen“, sagt Jana Graupner. Darum würde ab dem kommenden Schuljahr die sechste Stunde ausfallen, sobald eine Lehrerin länger als einen Tag fehlt. Diese Erkenntnis haben sie und ihre Kolleginnen aus einem Probelauf gewonnen.

Lehrerin Carmen Hoppenz ermutigt die Eltern, das Modell des altersübergreifenden Unterrichts mitzutragen. Gudrun Mirle, Jana Graupner und sie haben sich eigens fortgebildet. „Ich will das probieren. Ich hoffe auf ihre Unterstützung“, sagt sie. Eine Schule sei schließlich schnell geschlossen. Sie anschließend aber wieder zu eröffnen, sei ungleich schwieriger. Auch die scheidende Schulleiterin Marlies Brehmer wirbt um Unterstützung. Kreba sei ein Vorreiter, werde aber nicht die letzte Grundschule in Sachsen sein, die diesen Weg gehen wird. Immerhin investiere der Freistaat viel in eine entsprechende Qualifizierung von Lehrkräften.

Die Rückmeldung der Eltern der Krebaer Grundschüler fällt am Mittwochabend sehr wohlwollend aus. „Eigentlich müsste Kreba eine Krone kriegen, weil es sich traut, das umzusetzen“, sagt eine Mutter. Aus den Fragen der Eltern klingt zuweilen aber auch Unsicherheit heraus. Wie werden die Kinder etwa damit zurecht kommen, wenn sie nach der Grundschule an eine Schule wechseln, in der wieder konventionell unterrichtet wird? Denn an der Krebaer Grundschule ist für den neuen pädagogischen Ansatz auch das Klassenzimmer umgebaut worden, es teilt sich in zwei Räume auf, die mit einer Glastür getrennt sind.

Ob sie den jahrgangsübergreifenden Unterricht unterstützen, diese Entscheidung müssen die Eltern selbst für ihr Kind treffen. Umfragen unter den Schülern während des ersten Testlaufes fallen laut Jana Graupner positiv aus. Die Kleinen gehen gerne in die Schule. Der altersgemischte Unterricht will früh ihre Selbstständigkeit fördern und setzt unter anderem auf individuelle Wochenpläne für die Schüler. „Wenn man differenziert unterrichten will, ist das die einfachste Möglichkeit“, erläutert Jana Graupner. Der Plan biete Halt und sei auch praktisch, wenn einmal Lehrer von außen aushelfen müssen.

Dass es zum altersübergreifenden Unterricht in Kreba keine Alternative gibt, verdeutlicht Jana Graupner in ihrem Vortrag besonders eindrucksvoll mit den erwarteten Schülerzahlen in den kommenden Jahren. Das sächsische Schulgesetz verlangt mindestens 15 Schüler pro Klasse. Bis 2020 aber gibt es dafür in Mücka und Kreba-Neudorf nicht genügend Erstklässler. Im Jahr 2019 sollen sogar nur sieben Kinder eingeschult werden. Dank der gemeinsamen Klassen sollen die Schulwege dennoch kurz bleiben. „Schule unterliegt immer einem Wandel und muss sich anpassen“, sagt Jana Graupner und versucht Zweifel zu zerstreuen. Offenbar erfolgreich. „Vielleicht“, sagt ein Zuhörer optimistisch, „wird das Modell im Laufe der Zeit sogar die Regelschule.“ Denn nicht nur in Kreba fehlt es an Nachwuchs.