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Von der noblen Adresse zur Bürostadt

Einst wohnten am Ferdinandplatz gut betuchte Bürger. Künftig werden Verwaltungsmitarbeiter das Bild bestimmen.

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© Visualisierung: Barcode Architects

Von Ralf Hübner

Ein Platz zum Wohlfühlen soll der neue Ferdinandplatz werden. Die Dresdner und ihre Gäste sollen flanieren, einkaufen oder sich in einem Café niederlassen. Der einst kreisrunde Platz lag vor der Zerstörung der Stadt allerdings ein wenig weiter südwestlich. Das Gebiet ist nach dem Krieg überbaut worden. Etwa an der Stelle buhlt jetzt ein Sexshop um Kunden.

Doch so mondän wie 1910 wird es dort nicht mehr zugehen.
Doch so mondän wie 1910 wird es dort nicht mehr zugehen. © Sammlung Holger Naumann

Der ehemalige Ferdinandplatz ist 1861 angelegt worden. Er wurde von der Ferdinandstraße durchquert, der er den Namen verdankt. Sie soll 1856 nach Erzherzog Ferdinand von Toskana benannt worden sein, der am 24. November jenes Jahres die sächsische Prinzessin Anna heiratete.

In dem Stadtviertel wohnten gut betuchte Dresdner. An dem Platz hatte unter anderem der Delikatessenhändler Alfred Flade seinen Laden – königlich-sächsischer Hoflieferant. Das Geschäft und die dazugehörige Weinstube seien gut gegangen, denn sie hätten in einem vornehmen Viertel gelegen, erinnert sich Alfreds Enkel Ludwig Flade in den „Dresdner Monatsblättern“. In den Häusern der umliegenden Straßen habe es Häuser mit Durchfahrten zu Pferdeställen und Wagenremisen gegeben. „Also wohnten dort Menschen, die sich Pferd und Wagen leisten konnten, wie Rittergutsbesitzer, Offiziere und Adelige.“

Die wohl prominentesten Gäste in der Weinstube sollen dem Bericht zufolge Erzherzog Franz Ferdinand und die böhmische Gräfin Sophie Chotek von Chotkowa gewesen sein, die sich dort trafen. Die Gräfin wohnte damals noch bei ihrem Vater in Dresden. Sie hatte den Erzherzog auf einem Ball in Prag kennengelernt. Die Verbindung der beiden galt am kaiserlichen Hof in Wien als nicht standesgemäß und war ungern gesehen. Dennoch heirateten sie. Das Paar wurde am 28. Juni 1914 in Sarajevo von serbischen Attentätern erschossen – der Auslöser des Ersten Weltkriegs.

Am Ferdinandplatz hatten zudem unter anderem die Vorfahren des Zahnarztes Günther Voigt aus Dresden-Plauen ihre Praxis. Zu den Patienten gehörten Händler, Industrielle, Adlige und Künstler wie der langjährige Kreuzkantor Rudolf Mauersberger. „Man verband die Fahrt in die Oper mit einem Gang zum Zahnarzt“, ist in Voigts Familienchronik vermerkt. „Ferngereiste Gäste wurden oft gleich mit zum Mittagessen eingeladen.“ Zu den markanten Gebäuden an dem Platz gehörte später auch die Redaktion der damaligen Dresdner Neuesten Nachrichten.

Kurz nach der Zerstörung Dresdens 1945 ist Rudolf Voigt, der Vater des Plauener Zahnarztes, zu seiner Praxis am Ferdinandplatz gelaufen. „Der Eingang war nicht mehr normal begehbar, nur über Leichen, Verschüttete und Sandsteinquader. Dieser Weg war das Schlimmste, was ich je erlebt habe“, schilderte er später. „Kinderleichen nackt, nur mit Schuhen bekleidet, halbverschüttete Männer, die mich anflehten zu helfen – chancenlos. Es war jämmerlich. Sämtliche Häuser bestanden nur noch aus Schuttbergen, mit Ausnahme der Treppenhäuser, die oft noch standen, und des unversehrten Gänsediebbrunnens.“

Der Brunnen des Bildhauers Robert Dietz (1844 –1922) steht jetzt auf der Weißen Gasse. Dargestellt wird der Student Thomas Plattner, der spätere Rektor der Lateinschule zu Basel. Er war als fahrender Schüler 1512 an die Kreuzschule gekommen und soll für das Abschiedsessen mit dem Schulmeister zwei Gänse gestohlen haben. Dietz hatte sich in einem Wettbewerb durchgesetzt und dafür ein Honorar von 5 000 Mark kassiert.

Nach der Wiedervereinigung wurde der Name des Ferdinandplatzes wieder aufgegriffen. Das Gelände hinter dem Karstadt-Kaufhaus wurde für lange Zeit ein großer Parkplatz. Weihnachten 2007 gastierte dort der Striezelmarkt. Auf dem Altmarkt wurde gerade gebaut.

Jetzt soll ein neuer Ferdinandplatz entstehen. Wo einst die mondänen Wohnungen, Läden und Arztpraxen der wohlhabenden Gesellschaft standen, sind jetzt Büros für 1 700 Mitarbeiter des neuen Technischen Rathauses geplant, dazu einige Wohnungen und Geschäfte. Bis 2025 soll alles fertig sein. Statt eines runden Platzes wie einst haben die Architekten eine eher verwinkelte Bebauung vorgeschlagen. Es entstehen praktisch zwei nahezu dreieckige Flächen. „Wir sind zum Teil alten Bebauungsgrenzen gefolgt und haben die historischen Blickbeziehungen wiederhergestellt“, erklärt Elisabeth Gutsche vom Rotterdamer Büro Barcode Architects. Diese Anordnung habe zudem den Vorteil, dass die Häuser mehr Fassadenfläche dem Platz zuwenden könnten als bei der runden Gestalt. Der Ferdinandplatz solle ein intimer Raum werden mit kleinen Geschäften und Cafés in der Erdgeschosszone, ein Kontrast zur großen Prager Straße nebenan. „Er soll die Mitarbeiter in den Büros in der Pause zum Shoppen einladen“, erläutert Gutsche.