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Von der Nackedei-Kulisse zum Eigenheim

Ein Syrer hat das Forsthaus der Wettiner gekauft. Der letzte Bewohner räumt mit alten Bordell-Gerüchten auf.

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© Anne Hübschmann

Von Jörg Richter

Weißig am Raschütz. Jahrelang war es still gewesen um das Forsthaus der Wettiner in Weißig am Raschütz. Jetzt soll endlich wieder Leben einziehen. Der Dresdner Statiker Dr. Marwan Hamdan hat das historische Gebäude gekauft, um es von Grund auf zu sanieren. „Ich bin für meine Familie schon lange auf der Suche nach einem Haus mit großem Grundstück gewesen“, erzählt der gebürtige Syrer. Er lebt bereits seit 1984 in Sachsen, studierte Bauingenieurwesen an der TU Dresden und promovierte hier anschließend. Mit seiner zweiten Frau und den fünf Kindern möchte er in dem Forsthaus, das eigentlich ein Herrensitz ist und einst dem sächsischen Königshaus gehörte, leben. Mit 13 200 Quadratmetern bietet das Anwesen auch reichlich Platz für eine große Familie.

… wo noch vor wenigen Jahren dieses Aktfoto geschossen wurde.
… wo noch vor wenigen Jahren dieses Aktfoto geschossen wurde. © Andreas Schmidt

In dieser Woche war Hamdan mit zwei befreundeten deutschen Baugutachtern vor Ort, um sich gemeinsam mit ihnen ein Bild vom Zustand des mehr als 200 Jahre alten Gebäudes zu machen. „Der Vorbesitzer hat 13 Jahre nichts getan. Darf man denn das eigentlich?“ fragt Hamdan kopfschüttelnd. Vor allem vor dem Hintergrund, dass das Forsthaus der Wettiner denkmalgeschützt ist. Der Statiker hat reichlich Erfahrung mit der Sanierungsplanung alter Schlösser, u. a. in Weistropp und Lungkwitz. Er weiß, dass es viel Mühe und Geld kosten wird, es wieder bewohnbar zu machen.

Der vorhergehende Besitzer Mario Klinger hatte das Forsthaus der Wettiner 1999 gekauft. Der Nürnberger Kunsthändler baute darin Ferienwohnungen aus. Angeblich soll er dafür 125 000 Euro investiert haben. Doch wer heute einen Blick in das Herrenhaus wirft, zweifelt daran, dass jemals Leute hier freiwillig ihren Urlaub verbracht haben sollen. Aber der Fotograf Andreas Schmidt kann das tatsächlich bestätigen. Der heute 59-Jährige war der letzte Bewohner des Wettiner Forsthauses. Er lebte und arbeitete hier von 2002 bis 2012. „In diesen zehn Jahren hatte ich aber nur dreimal Gäste, meist zu Silvester“, erinnert sich Schmidt. Er war anfangs mit Klinger befreundet, begleitete ihn als Profifotograf zu Buchmessen, aber auch zu Erotikmessen. Dort wollte Klinger hochwertige erotische Literatur und Bildbände an den Mann bringen.

Der neue Forsthaus-Besitzer Dr. Hamdan hat beim Entrümpeln kistenweise solcher erotischen Bücher entdeckt. Er hat von Anwohnern gehört, dass das Herrenhaus ein Bordell gewesen sein soll. Die Bildbände scheinen dieses Gerücht zu bestätigen. Es kursiert schon lange im Dorf. „Aber an diesem Gerücht ist nichts dran“, sagt Schmidt. Es sei wohl durch seine Arbeit als Akt-Fotograf entstanden. „Da sind junge Damen nackt durch den Garten gerannt“, erzählt er. „Das haben wohl ein paar Nachbarn gesehen und sich ihren Reim drauf gemacht.“

Einmal habe Schmidt eines seiner Models nackt auf einem Pferd durch Weißig reiten lassen. Das habe für reichlich Aufsehen gesorgt und die Gerüchteküche weiter angeheizt. Schmidt: „Ich kann aber versichern, wir haben nur Fotos gemacht. Das Forsthaus ist nie ein Puff gewesen.“ Dafür gibt es einen simplen Grund: die mäßige Wohnqualität. „Im Winter waren die Räume nie wärmer als 16 Grad“, erzählt der Fotograf, der heute in der Nähe von Stauchitz lebt. Und außerdem seien viele Holzbalken schon damals vom Hausschwamm durchfressen gewesen. „Immer wieder haben Besucher gesagt, dass es dort wie in einer Champignon-Zucht rieche“, so Schmidt.

Dass der Hausschwamm tatsächlich einer der Hauptprobleme bei der Sanierung des Forsthauses ist, können der Bauingenieur Hamdan und seine Gutachter bestätigen. „Wir müssen erst sehen, welche Überraschungen hier noch auf uns warten“, sagt Hamdan. Dann könne man auch konkret sagen, was die Sanierung kostet. Mehrere Fußböden in den Obergeschossen sind schief. Sie sind mit den darunterliegenden Holzdecken verbunden, an denen in den vergangenen Jahren offensichtlich Baufehler begangen wurden. „Wenn wir die Decken in den Griff kriegen, ist der Aufwand überschaubar“, hofft Hamdan, schließlich handele es sich nur um ein Herrenhaus und nicht um ein Schloss. Mindestens zwei Jahre würde die Sanierung dauern.