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Von der Ersatzbank in den Gemeinderat

Hans-Ulrich Rätz ist der neue Einwechsler im Gemeinderat. Eine ungewohnte Position für den Fußballtrainer.

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© Kristin Richter

Von Jörg Richter

Priestewitz. Normalerweise gibt Hans-Ulrich Rätz den Ton an. Wenn dem Fußballtrainer des SV Traktor Priestewitz etwas nicht passt, brüllt er kurz und seine Männer machen das, was er sagt. Auf dem Fußballplatz geht es eben etwas anders zu als im Gemeinderat. Hier gehört Rätz erst seit Kurzem dazu. Der 51-Jährige ist für Tina Goldbach, die im Oktober nach Dresden gezogen ist, in den Gemeinderat nachgerückt. Quasi von der Ersatzbank aufs lokalpolitische Spielfeld.

Wie viele Stimmen er bei der letzten Kommunalwahl auf sich vereinen konnte, weiß er nicht mehr. Klar ist nur, dass er der Nächste auf der Kandidatenliste des SV Traktor Priestewitz war.

Er hätte zwar als Trainer schon genug zu tun. „Aber wenn man sich einmal zur Wahl gestellt hat, dann sollte man sich auch der Verantwortung stellen“, sagt er. Diesem Credo will er treu bleiben. Es klingt wie ein Gruß an die Berufspolitiker in Berlin, die vor der Bundestagswahl alle in die Regierung wollten, jetzt aber diesen Schritt scheuen.

Rätz ist nicht so. Er steht zu seinem Wort. Auch wenn es für ihn bedeutet, dass seine Freizeit noch geringer ausfällt, als sie jetzt schon ist. Dienstags und donnerstags trainiert er die erste Männermannschaft des SV Traktor Priestewitz. Seine Elf spielt in der Kreisoberliga zurzeit gegen den Abstieg. Da ist er nicht nur als Antreiber, sondern auch als Motivator und Psychologe gefragt. Am Wochenende, meist sonnabends, fährt er mit seinen Jungs zum Punktspiel. Da ist jedes Mal der halbe Tag weg. Gelegentlich spielt er noch selbst Fußball. Freitags steht er bei den Alten Herren des Vereins zwischen den Pfosten.

Dass jetzt auch mindestens ein Mittwochabend im Monat für die Gemeinderatssitzung draufgeht, macht das Kraut auch nicht mehr fett. „Immerhin habe ich noch Montag frei“, sagt er lächelnd.

Etwas überrascht hat ihn allerdings, dass er für Tina Goldbach auch in den Hauptausschuss nachrückt. Das bedeutet, ein weiterer Abend im Monat ist futsch. Aber er beklagt sich nicht. Das habe er mit seiner Frau abgesprochen. Und sie habe zugestimmt. – Wie in der großen Politik hat auch in der kleinen die Frau das Sagen.

Reinschnuppern in die Lokalpolitik

„Die erste Gemeinderatssitzung war für mich noch sehr ungewohnt“, sagt Rätz. „Da habe ich schon ein bisschen Respekt gekriegt, auch wenn es eher eine ruhige Versammlung war, wie mir die anderen gesagt haben.“ Der studierte Maschinenbauingenieur, der für Europas größten Markisen-Hersteller Warema als Servicetechniker arbeitet, findet es nicht schlecht, dass es bis zur nächsten Kommunalwahl nur noch anderthalb Jahre sind. „Da habe ich die Gelegenheit, in die Lokalpolitik hineinzuschnuppern“, sagt er. Danach wolle er entscheiden, ob das auch für die Zukunft etwas für ihn ist. Sich von vornherein für fünf Jahre wählen zu lassen, sei ein gewaltiger Schritt, vor dem er große Hochachtung habe, so Rätz.

Der Wolfener, der seit fast 20 Jahren in Priestewitz lebt, sagt von sich selbst, dass er ein „Kumpeltrainer“ sei. Beim Training und abseits des Fußballplatzes scherzt er gern und zeigt viel Verständnis für seine Spieler. Doch auf dem Rasen, wenn es drauf ankommt, kann er auch schreien und wütend werden. Da verlangt er von seiner Elf vollen Einsatz. Rätz sagt: „Fußball ist eben ein reiner Ergebnissport. Da zählt es nicht, ob du dich bemüht hast, sondern dass du gewinnst, sonst ist es auf die Dauer frustrierend.“

Eine Erkenntnis aus seiner ersten Gemeinderatsitzung sei, dass es hier etwas anders abläuft. „Wenn es Probleme gibt, wird erstmal eine Arbeitsgruppe gebildet. Das ist für mich noch sehr ungewöhnlich“, sagt der Fußballtrainer im Gemeinderat. Auf diese neuen Spielregeln muss er sich noch einlassen. Aber bei einer anderen Spielregel lässt er nicht mit sich diskutieren. „Ich bin für Offenheit“, sagt Rätz. Sowohl auf dem Rasen als auch im Gemeinderat.