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Von Coswig ins Weltall

Die Firma HTS hat schon Kindersitze hergestellt und Züge ausgebaut. Manche Erfindungen haben es sogar ins All geschafft. Weitere sollen folgen.

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© Arvid Müller

Von Peggy Zill

Coswig. „Unsere Arbeit ist erfolgreich zerschellt“, freut sich Wolfgang Göhler, als es um das Ende der Kometenmission Rosetta geht. Am Freitag ist die Raumsonde der europäischen Weltraumbehörde Esa auf dem Kometen Tschurjumow-Gerassimenko gelandet. Quasi als Geburtstagsgeschenk für seine Firma Hochtechnologiesysteme GmbH (HTS) in Coswig, die an der Entwicklung beteiligt war und an diesem Tag ihr 20-jähriges Bestehen feierte.

Die Rosetta-Mission gehörte zu den Höhepunkten der Firmengeschichte. Auch wenn bei der Landung das meiste kaputtgegangen sein wird. Die Antennen der Rosetta und der Mechanismus, der diese steuerte, wurde in Coswig mit entworfen.

In der Werkstatt gibt es außerdem aufrollbare Dünnschicht-Solarzellen zu sehen. Die sind aber nicht weltraumtauglich. Zusammen mit der TU Dresden hat HTS einen Sensor entwickelt, der den atomaren Sauerstoff misst. Auch dafür gab es bisher keine große Nachfrage. Unterm Strich geht es bei den Anfragen immer um Dinge, die es so noch nicht gibt. Die Prototypen bauen die Ingenieure der HTS dann größtenteils selbst.

Aktuell sind die Coswiger nicht im Weltall vertreten. Sie arbeiten aber an den nächsten Projekten für Satellitenmissionen. Projektmanager Tilo Schmidt präsentiert zwei Mechanismen, die bereits auf ihre Alltauglichkeit getestet werden. Auch wenn die Geräte nicht so aussehen: Sie sind vereinfachte Modelle, mit denen die Qualifikationstests durchgeführt werden. Kunde ist das Münchner Raumfahrtunternehmen OHB. Die Auftraggeber müssen überzeugt werden, dass die Entwicklungen unter allen Bedingungen funktionieren. Bis die Geräte wirklich ins All geschossen werden, vergehen deshalb meist Jahre, so Schmidt. Die Konstruktion und Qualifikation der Bauteile ist kompliziert und kostspielig. „Vom Konzept bis zur Flugbereitschaft sind es zwei bis drei Jahre. Und ob es dann wirklich fliegt, ist eine andere Sache“, sagt der Maschinenbauer, der seit 20 Jahren für die HTS arbeitet. Er wurde, wie viele seiner Kollegen, direkt von der TU Dresden rekrutiert.

Satelliten vom Fließband

Geschäftsführer Wolfgang Göhler gibt zu, anfangs keine Ahnung von der Raumfahrt gehabt zu haben, deshalb wurde ihm Klaus Seifart, ebenfalls Absolvent der TU Dresden, empfohlen, mit dem er die Geschäfte in Coswig nun gemeinsam führt. Die Belegschaft ist von drei Mitarbeitern 1996 auf heute 33 gewachsen. Schon immer war die Firma sehr breit aufgestellt und sich nicht allein auf die Luft- und Raumfahrt verlassen. „Wir haben den Cursor für das erste Navigationsgerät für den Audi konstruiert, Kindersitze und Anlagen zum Herstellen von Glasfaserkabeln gebaut“, zählt Wolfgang Göhler auf. HTS übernimmt auch Entwicklungsaufträge für den Schienenfahrzeugbau, die Elektrotechnik sowie den Maschinen- und Sondermaschinenbau. Von der Raumfahrt allein könne man nicht leben. „Wir sind nie schnell, aber kontinuierlich gewachsen“, so Göhler. Das wolle man die nächsten 20 Jahre mit der Schweizer Firma Ruag Space.

Im Mai hat der Technologiekonzern das Coswiger Unternehmen komplett übernommen. Die Schweizer waren seit 2002 Teilhaber und erhoffen sich nun einen besseren Zugang zum deutschen Markt. Alle Mitarbeiter und die Geschäftsführung wurden übernommen. Man werde nun das Raumfahrt-Geschäft der Coswiger Firma ausbauen, kündigte die Ruag an. Für die Zukunft sei geplant, gemeinsam neue Produkte zu entwickeln, unter anderem Sensoren und Auslösemechanismen für die Raumfahrt aber auch Dinge, die anderswo eingesetzt werden. Der Branche stehe die Industrialisierung bevor, sagt Axel Roenneke von der Ruag zum HTS-Jubiläum am Freitag. „Wir müssen weg von der wissenschaftlichen Aura hin zur industriellen Fertigung.“ Satelliten würden in Zukunft am Fließband produziert werden.