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Von Aleppo nach Zittau

An der Mandau leben so viele Ausländer wie lange nicht, darunter 134 Syrer. Einer von ihnen ist Anas Kudeimati – der sich in der Kleinstadt wohlfühlt.

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© Matthias Weber

Von Jan Lange

Zittau. Von seiner kleinen Wohnung im Stadtzentrum läuft Anas Kudeimati jeden Tag zu Fuß bis zur Euroschule und zurück, knapp einen Kilometer ist eine Strecke lang. So frei und unbeschwert könnte sich der 23-jährige Syrer in seiner Heimatstadt Aleppo nicht bewegen. Hier herrscht seit Jahren Krieg, der Großteil der Stadt ist zerstört, viele der ehemals gut zwei Millionen Einwohner geflüchtet.

Auch Anas Kudeimati musste sein Zuhause verlassen. Im August vorigen Jahres war er zuerst in die Türkei gegangen und kam dann über Griechenland und die sogenannte Balkanroute nach Deutschland. Etwa 20 Prozent der Gesamtstrecke habe er zu Fuß zurückgelegt, den Rest mit Bus und Zug, erzählt der junge Mann.

Zuerst in Bayern gelandet, wurde er schließlich nach Sachsen geschickt. Seit einem halben Jahr lebt Anas Kudeimati nun in Zittau. So wie viele seiner Landsleute. Die Zahl der syrischen Mitbürger hat sich in den vergangenen zwölf Monaten verdoppelt. Die Syrer stellen nach den Polen und Tschechen inzwischen die drittgrößte Gruppe der Ausländer in Zittau. Überhaupt ist die Zahl der ausländischen Einwohner zuletzt stark angestiegen: Waren Anfang 2016 noch 1187 Ausländer gemeldet, sind es aktuell 1523. Das ist der höchste Stand seit Jahren.

Anas Kudeimati wird auch erst einmal in Zittau bleiben. Sein Antrag ist bewilligt, vorerst hat er einen dreijährigen Aufenthalt genehmigt bekommen. In der Vergangenheit zog es viele Syrer nach der Bewilligung ihres Asylantrages in eine größere Stadt. Anas Kudeimati zieht es nicht nach Berlin, Frankfurt oder München – auch wenn dort deutlich mehr Syrer leben als in Zittau. In einer Großstadt müsste er viel mehr für eine kleinere Wohnung bezahlen, meint der 23-Jährige. Außerdem sei dort alles anonymer. In Zittau hat er dagegen schon einige Freunde gefunden – gerade auch unter den Mitschülern des Deutschkurses an der Euroschule. Es sind keinesfalls nur Syrer, seine neuen Freunde kommen aus allen Teilen der Erde. Bei den eigenen Landsleuten ist er etwas vorsichtig, denn er weiß nie, ob nicht auch Mitglieder der syrischen Armee von Machthaber Assad darunter sind. Zumindest zu zwei jungen Syrern hat er engen Kontakt. Es sind seine beiden jüngeren Brüder. Zusammen haben sie sich auf die Flucht begeben, allerdings leben sie jetzt nicht gemeinsam unter einem Dach. Da seine Brüder, als sie nach Deutschland kamen, noch minderjährig waren, wurden sie von den Behörden woanders untergebracht. Nun wieder zusammenzuziehen, sei etwas schwierig, meint Anas. Denn er habe sich seine jetzige Wohnung erst vor vier Monaten neu eingerichtet. Und sie ist auch nicht unbedingt groß genug für drei Leute. Seine Brüder sieht er aber jeden Tag. Sie lernen ebenfalls an der Euroschule Deutsch, wenn auch nicht im gleichen Kurs.

Deutsch zu lernen, hält der 23-Jährige für sehr wichtig. Um sich hier besser zu integrieren und auch, um eine Arbeit zu finden. In Aleppo hat Anas Kudeimati Jura studiert, konnte sogar die letzte Prüfung erfolgreich absolvieren. Es sei der zweitbeste Abschluss seines Jahrgangs an der Uni gewesen, ist Anas Kudeimati schon ein wenig stolz. Arbeiten konnte er in seiner Heimat trotzdem nicht.

Der junge Syrer stammt aus jenem Teil Aleppos, der von den IS-Kämpfern besetzt ist. Deshalb ist er auch bereits seit 2012 nicht mehr im Haus der Familie gewesen. Das Gebäude gibt es mittlerweile nicht mehr. Es wurde zerbombt. Wenn der Krieg irgendwann zu Ende ist, will er es wieder mit aufbauen. Er träume ab und zu nachts von der alten Wohnung.

Seine Eltern und die beiden älteren Geschwister leben noch in Aleppo, wenn auch nicht mehr in dem alten Viertel. Immer wieder erkundigt sich Anas Kudeimati nach ihrem Wohlbefinden. „Das Netz nach Syrien ist nicht gut“, erzählt er. Erst vor wenigen Tagen konnte er aber erneut mit seiner Mutter sprechen. Und weiß, dass es den Eltern trotz der intensiven Kämpfe, die momentan in Aleppo geführt werden, gut geht. Wenn der Krieg mal zu Ende ist, will er in seine Heimat zurückkehren. Denn in Deutschland sei es schwer, als Anwalt zu arbeiten.

Doch noch ist an eine Rückkehr nicht zu denken. Und so bleibt er vorerst weiter in Zittau. Er suche hier eine Universität, wo er vielleicht weiterstudieren könne, sagt Anas Kudeimati. An der Hochschule Zittau/Görlitz gibt es allerdings keine juristische Fakultät. Recht könnte er in Dresden studieren. Davor scheut der 23-Jährige allerdings etwas zurück – auch wegen der montägliche Aufmärsche in der Stadt. In Zittau hatte er bisher noch keine Probleme.

Am kommenden Montag, um 18 Uhr, berichtet Anas Kudeimati im Weltladen Gaia, Reichenberger Straße 16, von seiner Heimat, seiner Flucht und dem Leben in Zittau. Der Eintritt zum „Länderabend: Syrien“ ist frei.