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Vom Wind verweht

Das Klima in Oxford hat Tomomi Okuno, Martin Rotter und ihre kleinste Oper der Welt nach Dresden gebracht.

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© Sven Ellger

Von Nadja Laske

Auf Mitmachprogramm ist der Herr mit der runden Brille nicht eingestellt. Was wird gesucht? Wen soll er spielen? Nein danke. Er bleibt sitzen. Statt seiner springen zwei Frauen vom Tisch nebenan auf. Mag Mitgefühl die beiden auf die Bühne beordern oder Spaß am Laienspiel – sie machen ihre Sache großartig.

Es ist das Finale einer winzigen Oper. An diesem Abend hat das zweiköpfige Ensemble seine Taschenlampenspots auf eine Ecke des italienischen Restaurants Il Grappolo di puglia in Löbtau gerichtet. Unter dem Namen „Operamania – Die kleinste Oper der Welt“ sind dort Tomomi Okuno und Martin Rotter angekündigt. Es gibt Bruschetta Napoli und Saltimbocca alla romana. Zwischen Vorspeise und Nachtisch spielen die beiden das Stück „Der Sohn aus Zufall“, ein großes Durcheinander um unerfüllte Liebe und strenge Väter. Mal trägt Tomomi eine Schapka und spricht japanisch-russischen Akzent. Mal taucht Martin mit handtuchverhülltem Kopf auf und gibt im wienerischen Arabisch den Scheich. Etwas ungläubig schauen die Gäste drein. Doch bis zum Dessert werden die Japanerin und der Österreicher sie mit ihrem Verwirrspiel und ihrem Charme um den Finger gewickelt und viel Applaus bekommen haben.

Oper für die ganze Familie bieten sie an: Kurz und fidel. Die Idee geht auf ihr Leben in Oxford zurück. Dort mussten sie feststellen, dass Renommee allein nicht satt macht. Martin Rotter hat parallel Physik und Musik studiert. Das doppelte Pauken ließ ihm für das Wiener Studentenleben zwar nicht viel Zeit. „Aber ich konnte mich immer mit einem von beiden Fächern bei Laune halten, wenn das jeweils andere gerade nervte.“ So hält er es, seit er beide Diplome in der Tasche und Arbeit mal in der Kunst und mal in der Wissenschaft hat. An die Universität Oxford war der heute 48-Jährige als Physiker berufen worden. Doch die Bezahlung dort ist nicht so gut wie der Ruf der berühmten Uni. „Deshalb haben wir begonnen, Straßenmusik zu machen, das war sehr schön, aber auch ein bisschen gewagt.“ Denn in Oxford gebe es einen heimtückischen Wind, der puste die Notenständer fort und fege auch das Publikum davon. Kein gutes Klima für Kunst unter freiem Himmel. Da war es den beiden ganz recht, als sich am Max-Planck-Institut eine neue Beschäftigung anbot. So kamen Tomomi und Martin nach Dresden. Im Gepäck hatten sie eine Ouvertüre, eine Arie und ein Finale. Die drei Teile einer Rossini-Oper hatten sie bearbeitet, inszeniert und einstudiert. Es folgten Kinderstücke und die eher politische als kurzweilige Konferenz der Tiere.

Die Musik hat auch Tomomi durch die Welt geführt. In ihrer Heimatstadt Osaka arbeitete sie als Grundschullehrerin. Einmal wollte sie von ihren Schülern wissen, was sie später werden möchten. Schließlich fragten die Kinder zurück: Und du? Was willst du werden? Tomomi lacht. Die Frage wies ihr einen neuen Weg. „Ich habe geantwortet, dass ich gern mehr über die europäische Klassik lernen möchte. Am nächsten Tag brachte ihr ein Junge ein Buch über Deutschland mit.

Ohne die Sprache zu sprechen, begann Tomomi in Deutschland und Österreich Querflöte zu studieren, lernte nebenbei am Goethe-Institut, absolvierte Meisterkurse und spezialisierte sich auf alte Musik. Diese Leidenschaft teilt die 37-Jährige mit ihrem Mann Martin. Den lernte sie während eines Orchester-Engagements kennen. Er spielte die zweite Klarinette, sie die zweite Flöte und von da an spielten sie zumindest füreinander die erste Geige. In ihrer gemeinsamen Löbtauer Wohnung haben sie dieser Tage den Esstisch zum Arbeitsplatz einer befreundeten Künstlerin gemacht. Mit feinstem Pinsel und leuchtenden Farben malt sie Blüten und kleine Vögel auf den Holzrahmen eines Clavichordes. Das hat Martin Rotter übers Internet gefunden, ein Kleinod, das ihn ganz glücklich macht. „Damit kann ich die Kunst ganz nah ans Publikum bringen“, sagt er. Das Tasteninstrument erinnert an ein Klavier, ist aber transportabel und soll nun Dekor bekommen. Dass es bis zum nächsten größeren Einsatz fertig sein wird, freut den Klarinettisten.

Am Sonnabend geben die beiden in der Zionskirche ein Konzert. Es hat Tradition. Jedes Jahr musizieren sie mit Traversflöte und Clavichord anlässlich des Tages gegen Lärm. Dann wechseln sie mit Werken von Vivaldi, Bach und Mozart von der kleinsten Oper zur leisesten Philharmonie der Welt.

Sonnabend, 17 Uhr, Zionskirche, Bayreuther Str. 28, Der Eintritt ist frei.