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Vom Stall zum Kulturspeicher

Ein weiteres Teil des Areals am Herrnhuter Zinzendorfschloss ist wachgeküsst. Es könnte bald europäisches Kulturerbe sein.

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© Rafael Sampedro

Von Andreas Herrmann

Hernhut. Hohes Kreuzgewölbe, heller Granit – es sieht schmuck aus im Inneren des Berthelsdorfer Schlossspeichers. Hier sollen demnächst die Gäste Konzerten lauschen, Ausstellungen oder Vorträge besuchen – erste Chancen dazu gibt es bereits in der aktuell laufenden Festwoche zur 700-Jahr-Feier Berthelsdorfs. Ein großes Fest mit Besuch aus Dresden war die Einweihung des Speichers am jüngsten Sonntag: Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) war mit Parteikollegen und Bundestagsabgeordnetem Michael Kretschmer gekommen. Gerade letzterer hatte sich vehement dafür eingesetzt, dass es Geld für die Speichersanierung gibt – schneller, als es der Freundeskreis je erwartet hatte.

Das von einem Zittauer angefertigte Modell zeigt die Anlage so, wie sie saniert aussähe: vorn das Schloss, links dahinter der Speicher und daneben weitere Gebäude, die derzeit noch unsaniert sind.
Das von einem Zittauer angefertigte Modell zeigt die Anlage so, wie sie saniert aussähe: vorn das Schloss, links dahinter der Speicher und daneben weitere Gebäude, die derzeit noch unsaniert sind. © Rafael Sampedro
Bundestagsabgeordneter Michael Kretschmer, Sachsens Innenminister Markus Ulbig und Ehepaar Taesler vom Freundeskreis (v.r.) bei der Einweihung.
Bundestagsabgeordneter Michael Kretschmer, Sachsens Innenminister Markus Ulbig und Ehepaar Taesler vom Freundeskreis (v.r.) bei der Einweihung. © Rafael Sampedro
So hell leuchtet inzwischen die Fassade des einstigen Stallgebäudes.
So hell leuchtet inzwischen die Fassade des einstigen Stallgebäudes. © Rafael Sampedro

Für Ulbig steht das Zinzendorfschloss mit dem nun restaurierten Kulturspeicher beispielhaft für den Erhalt des kulturellen Erbes in der Region und zeige, wie Denkmalschutz im 21. Jahrhundert geschehen könne. Vor rund 300 Besuchern, die am Sonntag in den rekonstruierten ehemaligen Bullenstall gekommen waren, lobte der Minister die Ausdauer und ständige Initiative des Freundeskreises Zinzendorfschloss Berthelsdorf, was die schrittweise Finanzierung des Bauvorhabens ermöglichte. Gleichzeitig stehe man vor dem europäischen Kulturerbejahr 2018 und alles, was sich mit dem Schlossareal verbinde, sei auch Teil des europäischen Kulturerbes hier in der Region. Das bedeutende Anwesen im Stil des Herrnhuter Barock soll nun über weitere Baumaßnahmen noch vollendet werden, die Restaurierung des Speichers sei dabei ein wichtiger Zwischenschritt, erklärte Ulbig.

Wie das Areal in Zukunft einmal aussehen könnte, kann man sich anhand eines Modells anschauen, das der Zittauer Bernd Sonsalla gebaut hat und das im Speicher ausgestellt ist. Für Architekt Daniel Neuer bestand bei der Kuhstall-Sanierung die größte bauliche Herausforderung in der Restaurierung des Putzes im alten Kreuzgewölbe. Dies sei anspruchsvolle und anstrengende Handarbeit gewesen – zumal alter und neuer Putz einheitlich werden mussten. Interessant hinsichtlich der Innenarchitektur ist auch der Fußboden aus Weißtanne. Dieser Baum hat gegenüber Fichte den Vorteil, dass er nicht harzt und auf einfache und traditionelle Art lediglich mit feinem, weißen Sand gepflegt werden kann, erläutert Neuer. Ein knappes Jahr dauerte die Restaurierung, bei der über 1 000 Quadratmeter Gewölbe mit Sand aus Oderwitz sowie Kalk verputzt wurden. Gemeinsam mit dem Steinmetz restaurierte und ergänzte man auch die Granitsäulen.

Ebenfalls überarbeitet wurde der Fußboden, fehlende Basaltsteine wurden ergänzt. Dort, wo die Bodensteine nun mit Weißtannenholz abgedeckt, befindet sich zudem eine ausgleichende Dämmschicht aus Schaumglasschotter. Entstanden ist damit auf 720 Quadratmetern ein Raum, der das Angebot im Zinzendorfschloss zukünftig noch erweitern und ergänzen wird. Gleichzeitig betrachten das die Berthelsdorfer als schönes Geschenk an ihren Ort anlässlich des 700. Jahrestages seiner erstmaligen Erwähnung.

Begonnen hatte die Geschichte des Speichers im Jahr 1800 mit einem Neubau von Stallungen. Das am selben Platz befindliche Vorgängergebäude wurde abgerissen. Wie der Vereinsvorsitzende des Freundeskreises, Pfarrer Andreas Taesler, während der Feierstunde berichtete, sind Aufzeichnungen über das Material und die damaligen Handwerker noch vorhanden. Architektonisch hatte das Gebäude durch sein Kreuzgewölbe, das auf mächtigen Granitpfeilern steht, schon damals bestochen.

Ursprünglich als Tiefstall ausgelegt und mit einem Basaltfußbodenversehen, fanden hier das ganze Jahr über rund 100 Kühe Platz. Tiere lebten bis in die 90er Jahre in den Mauern. Nach der Auflösung des ehemaligen Volksgutes Thomas Müntzer folgten Stillstand und Verfall. Seit 1884 zierte auch ein Türmchen mit einer Uhr die spätbarocke Anlage. Bei den Mitgliedern des Schlossvereins war die Idee, hier einen Veranstaltungsraum zu schaffen, schon lange da. Auf diese Weise sollte auf dem Schlossgelände neues Leben einziehen. Über dem Kulturspeicher erstrecken sich noch drei Speicherböden, wo bereits vorher das Dachtragwerk saniert wurde. Restauriert ist ebenfalls die Fassade des Speichers. Dabei hat der Freistaat Sachsen rund 70 Prozent der Baukosten übernommen und auch der Bund beteiligte sich mit 16 Prozent. Weitere Geldgeber waren die Sparkasse Oberlausitz sowie die Deutsche Stiftung Denkmalschutz.