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Vom Stadion in den Klassenraum

Der einstige Profifußballer Uwe Kuhl sagt dem Sport ade. Er wird Unternehmer – mit der Schülerhilfe Freital.

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© Karl-Ludwig Oberthür

Von Thomas Morgenroth

Freital. „Kuhl ist cool“, war auf einigen Spruchbändern zu lesen, mit denen sich die Fans des Fußball-Oberligisten Chemie Leipzig in diesem Frühjahr von ihrem Sportdirektor verabschiedeten. „Das hat mich schon berührt“, sagt Uwe Kuhl, der als ehemaliger Tormann von Dynamo Dresden, dem „Erzfeind“, anfangs in Leipzig nicht von allen gelitten war. Erst am 1. April 2015 hatte der gebürtige Potschappler, der zuletzt Trainer bei Blau-Weiß Stahl Freital war, das Amt bei der BSG angetreten. „Ich wäre gern geblieben“, betont Kuhl. „Aber der Verein hat mir keinen Vertrag mit einer akzeptablen Laufzeit angeboten.“ Mit 52, sagt er, brauche er eine Perspektive und vor allem finanzielle Sicherheiten. Die sieht er nun außerhalb des Sports, mit dem er ein Leben lang verbunden war. Der Abschied in Leipzig ist insofern der wohl gravierendste Einschnitt in seiner beruflichen Karriere. Nicht nur, weil er damit dem Fußball, seiner Leidenschaft, entsagt, sondern auch, weil Kuhl jetzt zum ersten Mal kein Angestellter mehr ist, sondern Unternehmer mit einer eigenen Firma.

Dieses Foto vom 9. Januar 1986, das in Vorbereitung auf das Viertelfinale des Fußball-Europacups der Pokalsieger gegen Bayer Uerdingen entstand, zeigt Uwe Kuhl (mittlere Reihe, 3.v.l.) als Teil der Oberligamannschaft von Dynamo Dresden mit Hans-Jürgen Dör
Dieses Foto vom 9. Januar 1986, das in Vorbereitung auf das Viertelfinale des Fußball-Europacups der Pokalsieger gegen Bayer Uerdingen entstand, zeigt Uwe Kuhl (mittlere Reihe, 3.v.l.) als Teil der Oberligamannschaft von Dynamo Dresden mit Hans-Jürgen Dör © Bundesarchiv

Drei eigene und drei Pflegekinder

Uwe Kuhl eröffnet am Mittwoch in Hainsberg die Schülerhilfe Freital, als Franchise-Partner der 1974 gegründeten Schülerhilfe in Gelsenkirchen. Die bundesweit und in Österreich tätige Nachhilfeorganisation hat insgesamt mehr als 1 100 Schulen, an denen jährlich 100  000 Schüler unterrichtet werden. Kuhl profitiert von der etablierten Marke, er nimmt an Schulungen teil, bekommt Lehrmaterial und Programme für den Rechner. Dafür bezahlt er eine jährliche Lizenzgebühr. Das ist eine in der Wirtschaft gängige Praxis, auf deren Basis Ketten in unterschiedlichsten Branchen funktionieren, wie McDonald's, Apollo-Optik, Obi-Baumärkte oder die auch in Freital vertretene Musikschule Fröhlich.

Kuhl hat sich den Schritt in die Selbstständigkeit genau überlegt: „Es sollte etwas Dauerhaftes sein, also, etwas, das ich bis zu meiner Rente machen kann, eine Aufgabe, die mir Spaß macht, und eine Tätigkeit, bei der ich mit Kindern und Jugendlichen zu tun habe.“ Die Idee mit der Schülerhilfe, sagt Kuhl, habe nach ausgiebigem Googeln im Internet schließlich seine Frau Ina gehabt, mit der er seit fünfzehn Jahren verheiratet ist. „Pirna – wir wohnen im Stadtteil Jessen – war bereits vergeben, aber Freital, meine einstige Heimatstadt, war noch frei“, erzählt er. „Da habe ich mit der Zentrale Kontakt aufgenommen, bin hingefahren und wurde für geeignet befunden.“

Kein Wunder: Mit Kindern und deren Befindlichkeiten in der Schule kennt sich der Sportwissenschaftler und Marketingmanager Uwe Kuhl bestens aus. Sein ältester Sohn Patrick ist dreißig Jahre alt und Polizist am deutschen Konsulat in Istanbul, Tochter Emily wird jetzt 18 und lernt am Herder-Gymnasium in Pirna-Copitz, und Nesthäkchen Marlen ist sechs und gerade in Graupa in die Schule gekommen. Aber damit nicht genug: Zu seiner Familie gehören auch die drei Pflegekinder Luise, Marit und Lina, 21, 14 und sechs Jahre alt. Ja, und dann hat seine Frau, die in der Verwaltung der Uniklinik Dresden arbeitet, noch einen 27-jährigen Sohn aus erster Ehe.

„Volles Programm also“, sagt Kuhl und schmunzelt. „Viele Probleme kenne ich aus eigener Erfahrung.“ So wie er mit seinen Kindern das Spektrum von der ersten bis zur zwölften Klasse abdeckt, soll es das auch die Schülerhilfe. Wobei diese nicht allein leistungsschwache Schüler unterstützen will, sondern zum Beispiel auch Abiturienten, die höchste Punktzahlen in einigen Fächern brauchen, um ihren gewünschten Studienplatz zu bekommen. Um Leistung allein geht es Kuhl aber nicht: „Für mich ist auch die soziale Komponente wichtig, das Lernen in kleinen Gruppen.“

Uwe Kuhl, er ist der einzige Festangestellte seiner Firma, geht von langfristig etwa dreißig Schülern aus, die bei ihm wochentags zwischen 14 und 18.30 Uhr unterrichtet werden. Nicht von ihm persönlich, sondern von Pädagogen, Studenten und Lehrern, die eigentlich keine sind, aber das nötige Fachwissen haben und es auch vermitteln können. Den Schüler kostet eine Unterrichtsstunde ab 7,40 Euro. Verträge werden mit einer Laufzeit von mindestens einem halben Jahr geschlossen.

Schwieriger als gedacht gestaltete sich für Kuhl die Suche nach geeigneten Räumen. Zunächst hatte er die ehemalige Volksbank in Potschappel ins Auge gefasst, dort aber, sagt er, hätte er zu große Umbauten vornehmen müssen. Schließlich mietete er von der Freitaler Bedachung eine leerstehende Arztpraxis, in der er sich nun auf gut 140 Quadratmetern eingerichtet hat. Den Tipp für die Räume gab ihm übrigens Lutz Niebel, der Präsident des Fußballvereins Blau-Weiß Stahl Freital, wo 1973 Uwe Kuhls Karriere als Fußballer begann.

Acht Jahre bei Dynamo Dresden

1978 kam er als Torhüter zu Dynamo Dresden und stand dort bis 1986 unter Vertrag – allerdings nur als Nummer zwei oder drei. Mit Dynamo hatte Kuhl nur einen einzigen Einsatz in der Oberliga, am 29. März 1986 gegen den BFC Dynamo. Die Dresdner verloren 2:5. Kuhl verletzte sich und wechselte zu Stahl Riesa, wurde dort 1988 die Nummer eins im Tor. In der Folgezeit spielte er unter anderem für den VfL Pirna-Copitz, in Bischofswerda, für Budissa Bautzen, den Dresdner SC und Borea Dresden. Dann war er Trainer, Manager und Geschäftsstellenleiter beim Heidenauer SV, arbeitete als Übungsleiter in Niesky und Freital. Bis ihn Chemie Leipzig als Sportdirektor holte – und seinen Vertrag nicht verlängerte.

Nun ist Kuhl sein eigener Chef, der mit der Schülerhilfe einen Vertrag über zehn Jahre abgeschlossen hat, mit der Option, diesen um fünf Jahre verlängern zu können. Dann ist der Pirnaer 67 Jahre alt und darf in Rente gehen. Vielleicht verabschieden ihn seine ehemaligen Schüler im Jahre 2031 mit dem gleichen Spruch wie es die Leipziger Fußballer 2016 taten: „Kuhl ist cool.“ Dann, meint Uwe Kuhl, hätte er wahrscheinlich alles richtig gemacht.

www.schuelerhilfe.de