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Vom Müllfahrer zum Boxchampion

Konni Konrad kennt die Schattenseiten des Lebens. Jetzt steht er im Rampenlicht – in Dresden.

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© Robert Michael

Von Maik Schwert

Dienstagnachmittag in der Dresdner Centrum-Galerie. Auf der Eventfläche im Erdgeschoss veranstaltet das Berliner Sauerland-Team sein öffentliches Pressetraining. Es ist der erste von mehreren Terminen in der Woche vor der Boxgala am Sonnabend in der Energieverbundarena. Mittendrin: der 30-jährige Konni Konrad, Herausforderer im Hauptduell gegen Weltmeister Jürgen Brähmer. Mit diesem Fight wirbt Sauerland auch auf den Plakaten für seine Kampfnacht.

Und mit der Geschichte von Konrad – frei nach dem bekannten Motto vom Tellerwäscher zum Millionär. Sat.1 sendet sie live. Millionen Fernsehzuschauer können die Story sehen. Der Titel dieses Mal: vom Müllfahrer zum Boxchampion. In der Hauptrolle: Konni Konrad. Konni – wer? Bis 2013 schuftete Konrad bei den Abfallwirtschaftsbetrieben in Köln. 5.30 Uhr begann sein Dienst. Er arbeitete sich zum Kraftfahrer hoch und verdiente gutes Geld – etwa 2 000 Euro netto im Monat.

Trotzdem möchte Konrad sein Leben mit einem Schlag verändern. „Ich habe die Chance auf den WM-Gürtel“, sagt er. „Das ist schon jetzt wie im Märchen.“ Aber der Profi will mehr. „Ich werde der erste Boxchampion von der Müllabfuhr.“ Harte Zeiten liegen hinter ihm, und damit meint er nicht nur die Jahre bei den Abfallwirtschaftsbetrieben.

Seine Eltern verließen das bürgerkriegsgebeutelte Montenegro 1993 mit ihren fünf Kindern – wegen den politischen Wirren in der Heimat und der besseren Perspektive in Deutschland. „Anfangs hausten wir am Rand von Frechen bei Köln in einer Containersiedlung“, erzählt Konrad. Sein Vater war Maurer und das Geld knapp. „Mit meinen Brüdern hing ich jeden Tag im Jugendzentrum oder auf der Straße rum.“ 1995 hatte Konrad, der eigentlich Mevludin Cokovic heißt, erstmals Glück. Der ehemalige Boxprofi Stefan Raaff holte ihn und seine Brüder zu sich ins Kampfsportzentrum.

„Stefan erkannte mein Talent und trainierte mich als Amateur“, sagt Konrad. Sein Entdecker betreute ihn bei seinen ersten Kämpfen. „Er gab mir den Halt und das Herz, das ich brauchte – alles ehrenamtlich.“ Das Boxen half ihm, von der Straße wegzukommen und in Deutschland bleiben zu dürfen. „2000 lief unsere Aufenthaltsgenehmigung ab“, erzählt Konrad. „Wir sollten ausgewiesen werden.“ Über Raaff lernte er Roland Bebak, inzwischen sein Berater, kennen. Der bekam Wind von der drohenden Abschiebung und wandte sich an den Kölner Olympia-Beauftragten Horst Meier – mit Erfolg.

„Konni galt schon damals als großes Talent“, sagt Bebak. „Wir konnten erreichen, dass die Familie bleiben durfte.“ Dank Raaff wurde Konrad 2002 jüngster deutscher Boxprofi – mit 17 Jahren. „Nur durch Stefan bekam ich den ersten Vertrag und konnte mein Glück versuchen“, erzählt Konrad. Fortan coachte ihn Uli Mey. 2004 wurde Konrad Junioren-Weltmeister, „Damit hat Konni das Vertrauen gerechtfertigt“, sagt Bebak.

Nach dem Titel bekam Konrad zwar einen neuen Vertrag bei der Universum-Box-Promotion, einen neuen Künstlernamen fürs bessere Marketing und hatte eine goldene Zukunft vor sich, aber nur bis zur ersten Niederlage 2006. „Als Gewinner hatte ich viele Freunde und als Verlierer die Schnauze voll“, erzählt er. Konrad tauchte ab. „Ein Kumpel brachte mich später zu den Abfallwirtschaftsbetrieben.“

Er räumte anderen Leuten den Dreck weg und fand den Halt im Leben wieder. „Komisch war nur der erste Tag“, sagt Konrad. „Müllfahrer müssen immer hart arbeiten. Ich fand da viele ehrliche Jungs.“ Er hielt sich weiter fit und Kontakt zu seinem Mentor – bis zu Raaffs tragischem Tod Ende 2012. Der 45-Jährige wurde Opfer eines Eifersuchtsdramas und durch sechs Schüsse vor dem Haus seiner Lebensgefährtin heimtückisch ermordet. Der Täter sitzt eine lebenslange Freiheitsstrafe ab. Konrad ballt wütend die Hände zur Faust, als er über Raaffs Schicksal spricht.

Damals hatte Konrad auch von den Abfallwirtschaftsbetrieben genug. „Mir fehlte der Kick, die Spannung.“ Er will es noch mal wissen und ganz nach oben, boxt seit 2013 erfolgreich im Rahmenprogramm von Felix Sturm. Der erste deutsche Boxprofi, der viermal Weltmeister wurde, und sein Manager Bebak bauen ihn wieder auf. „Sie haben mir die Tür zurück geöffnet.“ Durchgehen muss Konrad jetzt allein. Das Duell gegen Brähmer ist die größte Chance seines Lebens. „Ich will auch für Stefan Weltmeister werden“, sagt der Herausforderer. „Er hat so viel für benachteiligte Kinder getan, war ein positiver Mensch und verdient es, dass man sich an ihn erinnert. Hoffentlich schaffe ich das mit dem Titel.“

Karten unter 01805-570044 und www.tickethall.de

TV-Tipp: Sat.1 überträgt Sonnabend ab 22.30 Uhr live.