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Vom längsten Motorrad der Welt

Ein Buch des Zittauer Autors Jürgen Kießlich widmet sich den Böhmerland-Zweirädern aus dem einstigen Schönlinde.

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© SZ

Von Rolf Hill

Es ist genau 90 Jahre her, da erfüllte sich der deutsche Mechaniker und geniale Konstrukteur Albin Hugo Liebisch aus dem beschaulichen Örtchen Schönlinde (heute Krásná Lípa) einen Lebenstraum. Bis 1925 hatte er in seiner Bau- und Montageschlosserei die Erprobung der ersten fünf von ihm selbst entwickelten Motorräder der Marke „Böhmerland“ beendet. Nun konnte die Produktion einer Kleinserie beginnen.

Dieses Jubiläum nahm der Zittauer Motorrad-Autor Jürgen Kießlich im vergangenen Jahr zum Anlass, um den sudetendeutschen Kraftfahrzeugpionier in einem reich mit Original-Fotos illustrierten Buch vorzustellen und zu würdigen. Schon 1922 hatte der damals 34-jährige Liebisch mit der Konstruktion eines ersten eigenen Motorrades, das den Namen „Mammut“ erhalten sollte, begonnen. Es folgten weitere Entwürfe und Maßzeichnungen bis hin zu jener ersten wirklichen „Böhmerland“. Auch seine Firma hieß fortan „Böhmerland Motorrad-Bau Albin Liebisch Schönlinde in Böhmen“.

Seine Beschäftigten waren meist kleine Landwirte und betrieben nebenbei Ackerbau und Viehzucht, berichtet Autor Jürgen Kießlich. Die Produktion bei Liebisch lief nämlich eigentlich nur im Winter, während dem Sommer der Verkauf der Motorräder gehörte. 1930 wurde der Betrieb erweitert – durch den Umzug nach Kunnersdorf (Kunratice) bei Schluckenau (Šluknov). Nach Rekonstruktion der Immobilien und des Maschinenparks begann hier die Fertigung in drei Grundmodellen, für tschechische Kunden nun auch unter der Marke „Èechie“. Jan Nìmec, Direktor des Staatlichen Kreisarchivs Dìèín (Tetschen) und Experte in Sachen „Böhmerland“, schätzt, dass um die 900 Maschinen gebaut wurden, von denen noch etwa 80 existieren könnten. Andere Quellen gehen von rund 3 000 aus. Es entstanden ein Reise-, ein Touren- und ein Volksmodell. Schon das Reisemodell war eine Sensation auf dem Motorradmarkt. Neben der Kurzrahmenvariante überraschte Liebisch die noch junge Motorradwelt mit dem ersten Drei-Sitzer. Mit Serienbeginn hatte die gewaltige Maschine eine Doppelsitzbank und die Möglichkeit, auf dem Gepäckhalter einen Sozius zu montieren. Schon damals sprach man vom „längsten Motorrad der Welt“. Ausgestattet mit einem Beiwagen, sollte es der Familie einen Kleinwagen ersetzen. Autor Jürgen Kießlich beschreibt weitere Details, so die Prototypen. Überhaupt erfährt der Oldtimer-Fan hier eine Menge über die technischen Daten, Sonderanfertigungen, weitere Erfindungen und Konstruktionen Liebischs nach seiner Vertreibung. So hatte er mit seinem Sohn einen Neustart im bayrischen Passau versucht. Jedoch blieb sein langer Roller „Böhmerland Zündapp“ ohne Verkaufserfolg. Gesundheitlich angeschlagen und unter Depressionen leidend, verstarb er nach mehreren Schlaganfällen im November 1965.

Es ist wohl das erste Mal, dass das Thema „Böhmerland – Èechie“ in deutscher Sprache derart umfangreich aufgearbeitet wurde. Historische Dokumente und 190 Fotos, davon ein Großteil vom Autor selbst, sorgen für Anschaulichkeit. Die Texte wurden in belletristischer Form verfasst, um sie besser verständlich zu machen.

„Die Èechie – Böhmerland-Motorräder – Das legendäre technische Erbe eines deutschen Kraftfahrzeugpioniers“ für 9,90 Euro. Bestellungen über www.top-speed.info