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Vom Gymi in die Grundschule

Die Geschichte einer überraschenden Berufswahl: Ann-Sophie Schnitzler hat in Löbau das Abi mit 1,0 gemacht und will Lehrerin werden – für die Jüngsten.

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© Matthias Weber

Von Anja Beutler

Löbau. Wer sein Abi mit 1,0 abschließt, dem steht die Welt offen. Ann-Sophie Schnitzler lächelt. Die 18-jährige Löbauerin steht auf dem Altmarkt ihrer Heimatstadt und weiß, dass sie gleich Stirnrunzeln ernten wird: Denn sie hat sich für ein Lehrerstudium entschieden. Nicht als Wissenschaftlerin, Ärztin oder Karrierefrau sieht sich die Spitzenabiturientin in einigen Jahren – sondern als Grundschullehrerin. Haben sie die Diskussion zum Lehrermangel und zu immer neuen Herausforderungen und auch Problemen an den Schulen nicht abgeschreckt? „Im Gegenteil, das hat mich noch bestärkt“, sagt sie schlicht.

Eigentlich sei Lehrerin zu werden schon sehr lange ihr Traum, erklärt sie weiter. Nur kurzzeitig gerieten auch mal Polizistin oder Journalistin ins engere Blickfeld. „Etwas mit Kindern zu machen, hat mich schon immer gereizt“, sagt sie. Gern hat sie im Bekannten- und Verwandtenkreis auf kleinere Kinder aufgepasst, mehrere Jahre auch Nachhilfeunterricht in Musik, Französisch und Mathe gegeben. Anderen etwas beibringen, sehen, wie sich Erfolge einstellen, sei etwas Wunderbares, schwärmt sie. Und gerade im Grundschulalter könne man als Lehrer bei Kindern viel bewirken, ist sie überzeugt.

Beobachten konnte sie genau das immer wieder bei ihren Eltern: Ragnar und Angela Schnitzler sind in Löbau – und weit darüber hinaus – als Musikschullehrer für Saxofon und Akkordeon bekannt. Viele Preise haben ihre Schüler bei Wettbewerben eingesammelt – dafür verlangen sie von ihren Schützlingen aber auch ein bisschen Ehrgeiz. Begeistert war Ann-Sophie Schnitzlers Vater von der Berufswahl der Tochter aber wohl doch nicht so restlos: „Er musste das schon erst einmal verdauen“, sagt sie und lacht. Bei ihren Lehrern am Geschwister-Scholl-Gymnasium erntete sie ebenfalls mitunter ungläubige Kommentare: „Einer sagte ,Oh Gott‘ und ein anderer wünschte mir nur viel Glück.“

Einschüchtern lässt sich die lebhafte, selbstbewusste Löbauerin von den aktuellen Debatten um den Lehrerberuf nicht. Sie will – wenn es sich fügt – vielleicht in die Oberlausitz zurückkommen. „Ich bin nicht der Typ, der unbedingt ins Ausland möchte und eigentlich auch nicht der Großstadt-Mensch“, sagt sie. Auf Dresden, wo sie die nächsten Jahre studieren wird, freut sie sich trotzdem – nicht nur, weil ihr Freund schon dort ist, um Informatik zu studieren.

Er war es übrigens auch, der sie zur Bestnote angestachelt hat: „Anders als mein Freund, der immer sehr gut war, lag ich vor der Oberstufe eher im Bereich einer Zwei, vieles ist mir zugefallen, ohne großen Aufwand“, erinnert sie sich. Als sie bemerkte, dass sie mit ein bisschen mehr Energie locker auch auf Eins stehen kann, war ihr Ehrgeiz geweckt. „Ich habe mich aber nie als Streber gesehen, mir ist das Lernen leicht gefallen“, wehrt sie ab. Und über einen halben Punkt an der Eins vorbei konnte sie sich genauso ärgern wie ein anderer über eine knapp verpasste Drei.

Dass in der Freizeit Musik eine wichtige Rolle spielte, liegt bei Familie Schnitzler auf der Hand. Blockflöte, Akkordeon und Saxofon hat sie ausprobiert, bei der Querflöte ist sie am Ende länger geblieben. „Mir war immer wichtig, dass mir die Musik Spaß macht, vor Auftritten war ich meist sehr aufgeregt“, sagt sie. Musik will sie an der Grundschule später übrigens nicht unterrichten. Denn dazu müsste sie ein neues Instrument – Klavier beispielsweise – lernen. „Querflöte ist ein Melodieinstrument, das funktioniert im Unterricht nicht“, erklärt sie. Und so will sie sich neben den Fächern, die alle Grundschullehrer geben können – Mathe und Deutsch sowie Sachunterricht – auf Ethik und Philosophie im Studium konzentrieren.

Ob sie für die Arbeit mit ihren Schülern später auch ihre Lust am Tanzen und Lesen einsetzen wird, wird sich noch zeigen. Vorstellen kann sich Ann-Sophie Schnitzler aber, dass sie mit Hip-Hop und Modern Dance sicher vielen Kindern eine Freude machen könnte. Sie selbst war in Neugersdorf bei Tanzschule Lucke fünf Jahre dabei: „Das war ein super Ausgleich für mich“, sagt sie. Entspannen kann die junge Frau auch beim Lesen. Zwei bis drei Bücher pro Woche seien keine Seltenheit. „Ich lese vor allem Fantasy-Bücher und schreibe darüber Rezensionen in meinem Blog“, sagt sie. Lesen wird sie im Studium sicher eine Menge – nicht nur Fantasy-Literatur. „Ich hoffe, dass wir beim Studium auch den Unterricht mit moderner Technik lernen und erfahren, wie man beispielsweise Flüchtlingskindern das Leben erleichtern kann.“