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Vom faulen Schüler zum Top-Absolventen

Zwei Oberschüler und vier Abiturienten aus Görlitz erhalten Auszeichnungen für ihre Traumnoten. Einige haben künftig viel vor.

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© Pawel Sosnowski/80studio.net

Von Ingo Kramer

Görlitz. Clemens Kohl sagt es ganz unverblümt: „Von der fünften bis zur zehnten Klasse war ich unglaublich faul.“ Das Ergebnis: Ein Notendurchschnitt von 2,5 am Joliot-Curie-Gymnasium und die ernsthafte Erwägung, kein Abitur zu machen. „Ich habe mich damals bei der Polizei beworben und hatte meinen Ausbildungsvertrag schon in der Tasche“, erinnert sich der heute 18-Jährige. Dann überlegte er sich das Ganze kurzfristig doch noch anders – und entschied sich fürs Abitur. Doch er sagte sich: „Wenn ich das mache, dann richtig.“ Die Faulheit legte er von heute auf morgen ab und so schaffte er das, was ihm seine Lehrer schon immer zugetraut hatten: Gleich im ersten Halbjahr der 11. Klasse einen Notendurchschnitt von 1,0 und dann bis zum Abi keine Abweichung mehr nach unten.

Alisia Smolka (l.) hat ihr Abitur am Augustum-Annen-Gymnasium mit 1,0 gemacht ...
Alisia Smolka (l.) hat ihr Abitur am Augustum-Annen-Gymnasium mit 1,0 gemacht ... © nikolaischmidt.de
... Laura Heinze ihren Abschluss an der Scultetus-Oberschule ebenfalls.
... Laura Heinze ihren Abschluss an der Scultetus-Oberschule ebenfalls. © nikolaischmidt.de

In dieser Woche ist er einer von sechs Görlitzer Schülern, die in den Landtag nach Dresden fahren und dort von Kultusministerin Brunhild Kurth (CDU) für ihre Traumnoten ausgezeichnet werden, darunter vier Abiturienten und zwei Oberschüler. Letztere waren am Montag in Dresden: Laura Heinze mit einer 1,0 und Leonie Hüter mit 1,13. Beide kommen von der Scultetus-Oberschule. Doch während Leonie gleich danach in den Urlaub gefahren ist und deshalb in diesem Artikel nicht zu Wort kommen kann, erzählt Laura, dass sie schon immer eine so gute Schülerin war. Nach den ersten vier Jahren an der Grundschule Weinhübel bekam sie deshalb die Bildungsempfehlung fürs Gymnasium. „Ich fand die Scultetus-Oberschule aber schöner“, sagt sie. Auch ihre Schwester habe dort schon gelernt. Biologie, Sport und Kunst waren Lauras Lieblingsfächer, aber eine Eins hatte sie letztlich in allen Fächern auf dem Zeugnis stehen. „Das war auch mit viel Fleiß verbunden“, sagt sie. Ab August wird sie weiter lernen: „Ich mache ein Drei-Jahres-Abitur am Berufsschulzentrum.“ Sie hat sich für den Fachbereich Soziales entschieden, der sie am meisten interessiert. Später könnte sie sich zum Beispiel vorstellen, Grundschullehrerin zu werden.

Am Augustum-Annen-Gymnasium haben Alisia Smolka und Charlotte Holz ihr Abitur mit 1,0 bestanden. Letztere hat die höhere Punktzahl – und ist auch schon im Urlaub. „Das Abitur mit diesem Durchschnitt zu schaffen, war für mich nicht schwer“, sagt sie: „Ich hatte das Glück, mir den Stoff schon im Unterricht merken zu können und leicht zu verstehen.“ Sie habe sich auch nie Druck gemacht, immer die beste Punktzahl schaffen zu müssen. Neben der Schule habe sie stets einen Ausgleich in Fußball und anderen Sportarten sowie in der Freizeit mit Freunden gesucht. Jetzt will sie Medizin in Dresden oder Leipzig studieren. „Görlitz ist meine Heimat“, sagt sie. Sie könne sich auch vorstellen, einmal wieder nach Görlitz zu ziehen.

Bei Alisia Smolka wird das schwieriger: „Ich will Biologie studieren und mich dabei auf Botanik spezialisieren, vielleicht in Berlin.“ In dem Fachbereich sei es nicht einfach, eine passende Stelle zu finden: „Da kann ich mich nicht auf einen Ort festlegen.“ Wenn es am Görlitzer Senckenberg-Museum klappen würde, hätte sie nichts dagegen. Mit dem Traumabi hat sie vorher nicht gerechnet: „Bis zur 10. Klasse stand ich maximal auf 1,4. Da war die Steigerung schon eine Überraschung.“ Nach der 10. Klasse war die Ludwigsdorferin für ein Jahr zum Schüleraustausch in Peru, hat auch Spanisch gelernt. Und jetzt, vor dem Studium, geht sie für ein Jahr mit einem Freiwilligendienst nach Indien und wird als Aushilfslehrerin an einer Schule Englisch und andere Fächer unterrichten.

Die beiden 1,0-Absolventen vom Joliot-Curie-Gymnasium hingegen haben sich für den direkten Übergang von der Schule zum Studium entschieden: Clemens Kohl für Medizin in Dresden, Annika Lehmann für Chemie in Freiberg. Chemie war schon immer ihr Lieblingsfach: „Dort ist alles logisch, und wenn man etwas richtig gemacht hat, dann ist das unumstößlich.“ Chemie habe sie immer gleich verstanden und musste nie etwas lernen. In Deutsch, ihrem anderen Leistungskurs, war auch nicht viel Arbeit nötig: „Außer natürlich, alle Bücher zu lesen.“ Jetzt grinst Clemens wieder. Kein einziges Buch habe er gelesen: „Annika war immer die Pflichtbewusstere von uns beiden.“ Doch sie hatte nicht mit einer 1,0 gerechnet: „Die 1,3 war mein Ziel.“ Letztlich habe sie dann aber nur in Sport eine Zwei gehabt, in allen anderen Fächern die Eins. Sport macht ihr trotzdem Spaß, früher hat sie ihn regelmäßig betrieben, zuletzt reichte die Zeit aber nur noch für ein großes Hobby: Sie spielt seit der 2. Klasse Akkordeon, seit fünf Jahren auch im Jugendshoworchester.

Dass sie später nach Görlitz zurückkommt, hält sie für unwahrscheinlich: Viele Stellen für Chemiker gibt es hier nicht. Bei Clemens sieht das anders aus. Als Mediziner wäre das möglich. „Ich werde nicht danach suchen, aber wenn die Umstände günstig sind, könnte ich es mir vorstellen.“ Das Studium will er erst einmal nutzen, um über Auslandssemester und sein praktisches Jahr auch etwas von der Welt zu sehen. Von der alten Faulheit ist nichts mehr übrig: „Wenn ich erst mal ein Ziel habe, bin ich sehr ehrgeizig.“ Das war schon immer so. Aber bis zur 10. Klasse hieß das Ziel eben nicht Abitur: „Da habe ich mich mehr auf das Rennrad und das Fitnessstudio konzentriert.“