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Vom Ende einer Ära

Im Kalkbergwerk in Hermsdorf geht zum Jahresende das Licht aus. Die Vorräte sind erschöpft, die Kumpel bangen.

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© Archiv Geomin

Von Jane Jannke

Osterzgebirge. Es war einmal eine Zeit, als der Bergbau im Osterzgebirge noch der bedeutsamste Industriezweig war. Zum Jahresausklang wird zumindest die lange Tradition des Untertage-Abbaus zwischen Altenberg und Freiberg ein vorläufiges Ende finden. Die Schließung der letzten noch betriebenen Grube in Hermsdorf/Erzgebirge ist beschlossene Sache. Das bestätigte die Betreiberfirma Geomin erzgebirgische Kalkwerke GmbH mit Sitz in Lengefeld auf Anfrage.

Geomin-Chef Achim Stöck vor der Grubeneinfahrt im Hermsdorfer Werk. Für Stöck liegt die Zukunft des Unternehmens in Hammerunterwiesenthal.
Geomin-Chef Achim Stöck vor der Grubeneinfahrt im Hermsdorfer Werk. Für Stöck liegt die Zukunft des Unternehmens in Hammerunterwiesenthal. © Egbert Kamprath

Schon im vergangenen Jahr war gemunkelt worden, dass in Hermsdorf bald Schluss sein könnte. Nun ist es amtlich. Seit dem 16. Jahrhundert wurde hier Marmor gewonnen; doch die Vorräte sind erschöpft. Ende der 1990er-Jahre plante man noch vorsichtig mit acht Jahren – es wurden 18 daraus. „Nun sind wir an einem Punkt angelangt, an dem sich der Abbau bei den geringen Restmengen einfach nicht mehr rentiert“, sagt Geschäftsführer Achim Stöck. Aus demselben Grunde war bereits Ende 2014 die Marmorgewinnung im Werk in Lengefeld eingestellt worden – neben Hermsdorf einer von drei Standorten von Geomin im Erzgebirge.

Untertagebau wie in Hermsdorf oder Lengefeld ist aufwendig und damit teuer. Je geringer die Vorräte werden, desto unwirtschaftlicher der Abbau. „Es ist aber auch eine Qualitätsfrage, denn je weniger da ist, desto schwieriger wird es, hochwertiges Material zu fördern“, erklärt Achim Stöck. 60 000 Tonnen feinsten Marmors brachten insgesamt 20 Kumpel in Hermsdorf noch im Jahr 2013 aus dem Berg, damals noch im Zweischichtbetrieb. Ganze sieben von ihnen sind heute geblieben.

Die beiden noch existenten Förderstandorte in Hermsdorf und Hammerunterwiesenthal, einem Ortsteil Oberwiesenthals, brachten es im Jahr 2015 gemeinsam noch auf etwa 140 000 Tonnen Marmor. Bereits da lag aber mit 110 000 Tonnen der Mammutanteil beim Werk in Hammerunterwiesenthal. Hier startete die Gewinnung im Tiefbau im Oktober 2013 – und hier liegt Achim Stöck zufolge auch die Zukunft für Geomin. Für 50 Jahre sollen die Vorräte mindestens reichen. Schon jetzt arbeiten dort mehr als doppelt so viele Kumpel unter Tage wie in Hermsdorf. Einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag investiert Geomin in den Ausbau der dortigen Förderung. Spätestens ab 2017 soll im sogenannten „Schlösselweglager“ parallel auch der Abbau über Tage beginnen, derzeit läuft die Auffahrung des Tagebaus. Geplant ist zudem ein neues Aufbereitungswerk.

Bis in Hammerunterwiesenthal der Aufbauprozess vollständig abgeschlossen sein wird, werden noch bis zu zehn Jahre vergehen. So lange sollen weder in Hermsdorf noch in Lengefeld die Lichter ganz ausgehen. Zwar endet da die Förderung, allerdings bleiben die Aufbereitungsanlagen weiter in Betrieb. Dort wird der in Hammerunterwiesenthal gewonnene Marmor für die Weiterverarbeitung etwa in der Farben- oder der Bauindustrie aufbereitet. Parallel laufen derzeit Verfüllungs- und Altlastensanierungsarbeiten.

Gedrückte Stimmung im Werk

Aber was wird jetzt aus den Kumpeln unter Tage? „Einige scheiden aus Altersgründen aus“, sagt Achim Stock. Einige der Lengefelder seien in der Aufbereitung untergekommen, andere für den Tiefbau nach Hammerunterwiesenthal übernommen worden. Ähnliches peile man nun für die Hermsdorfer Arbeiter an. Allerdings werde man sich dort von zwei Kumpeln definitiv trennen müssen, das Schicksal von drei weiteren sei noch ungewiss. „Hier müssen andere Lösungen geschaffen werden“, so Stöck. Wer keinen Platz in der Förderung findet, könnte etwa vorübergehend mit in der Altbergbausanierung arbeiten.

Im Werk selbst ist die Stimmung entsprechend gedrückt. Wer übernommen wird, muss künftig vier Tage die Woche zur Montage nach Hammerunterwiesenthal oder Lengefeld. „Das ist schon eine Riesenumstellung nach 30 Jahren in der Grube“, sagt Ralph Preußler (62). Der Betriebsrat konnte zwar bessere Konditionen erkämpfen, aber die Situation an sich nicht ändern: „Was will man denn machen, wenn die Vorräte zur Neige gehen?“, so Preußler. Die zuständige Gewerkschaft IG Bergbau Chemie Energie sitzt mit am Tisch, äußerte sich allerdings auf Nachfrage nicht weitergehend zum Sachverhalt.

Offenbar hängt das Schicksal so manchen Mitarbeiters an einem Bescheid des Freistaates Sachsen. So auch das von Ralph Preußler, der nach Lengefeld in die Untertagebereinigung soll. Das Ministerium für Umwelt und Landwirtschaft prüft Unternehmensangaben zufolge derzeit, inwiefern ein Altlastenfreistellungsbescheid für Geomin aus dem Jahr 1998 weiterhin gilt. Bliebe es dabei, könnte Geomin weiter Bergbaualtlasten auf Kosten des Freistaates beseitigen. „Dazu würden wir unsere eigenen Leute gerne halten“, sagt Achim Stöck. Allerdings müsste dafür ein möglichst fließender Übergang nach der Einstellung der Förderung in Hermsdorf zum Jahresende erfolgen. Eine schnelle Entscheidung helfe daher, Stellenabbau zu vermeiden, macht Stöck Druck.

Wenn jedoch in Hammerunterwiesenthal erst das neue Aufbereitungswerk steht und unter Tage die letzten Löcher verfüllt sind, wird es gänzlich still werden in Hermsdorf und Lengefeld. Dann werden Arbeitsplätze, die jetzt noch erhalten bleiben, endgültig wegfallen. Ralph Preussler wird dann bereits in Rente sein.