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Vom Dienstwagen zum Sammlerstück

DDR-Oldtimer sind angesagt: Wer jedoch Trabi und wer Barkas bevorzugt, scheint eine Frage der Philosophie.

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© André Braun

Von Marcus Möller

Döbeln. Es bedarf eines ordentlichen Schwungs, um die Tür des Framo-Gefährts von Gunter Kinast zu schließen. Vor 20 Jahren hatte er das Fahrzeug restauriert, war durch Zufall in seinen Besitz gelangt: „Ein Nachbar wollte ihn entsorgen“, sagt Kinast. So kam dann eines zum anderen. Die Bastelei und die Framo-Treffen wurden zum Hobby, mittlerweile sind sie für Kinast vielleicht sogar eine Tradition – und mehr noch: ein Lebensgefühl.

80 Kilometer pro Stunde schafft der Wagen mit vier Gängen maximal – dann ist Schluss. Diese für heutige Verhältnisse schwache Leistung hinderte den 56-Jährigen nicht, von Neugersdorf bei Zittau bis zum Framo-Treffen nach Döbeln etwa 150 Kilometer zu tuckern. Bei Eingabe der Route Neugersdorf-Döbeln in die Google-Maps-Navigation wird eine Fahrzeit von einer Stunde und 35 Minuten berechnet – bei guter Verkehrslage und Fahren der schnellsten Route. Kinast hat wohl etwas länger gebraucht, stört sich aber keineswegs daran: „Das Ganze wirkt total entschleunigend.“ Tuckern statt Rasen, das Fahrgefühl genießen. Hin und wieder tue ihm das gut, für den Alltagsgebrauch habe er natürlich auch ein modernes Auto. „Zum Baumarkt geht es ab und zu trotzdem ganz gut mit dem Barkas.“

Barkas, das seien zu DDR-Zeiten die Wagen von Handwerkern und geschäftigen Leuten gewesen. Aber auch Krankenhauswagen und zu verleihende Umzugsautos waren typischerweise Barkas.

Das Pfingsttreffen in Döbeln veranstalten die Framo-Liebhaber nun schon zum zehnten Mal. Vorher fand es bereits zehn Jahre lang vor dem Barkas-Museum in Frankenberg statt.

Gunter Kinast nahm eine der weitesten Anreisen auf sich. In drei Wochen allerdings werden sie alle noch viel weiter fahren: Gemeinsam mit Veranstalter Lutz Kunert wird dann in zwei Tagesetappen eine Framo-Kolonne von Zittau bis nach Saßnitz auf Rügen touren.

Beim Pfingstreffen seien es um die zwölf Stammgäste, die mittlerweile eine lose Freundesgemeinschaft bilden, sagt Lutz Kunert. „Es gibt da aber sehr viel mehr Leute und Gemeinschaften.“ Auch Kunert fiel sein Framo 1994 quasi in die Hände, bevor er ausrangiert werden sollte. So sei es bei den meisten Barkasfahrern. Und die, die die Muße hatten, aus dem „Scheunenfund“ ein Hobby zu machen, fände man nun eben bei Treffen wie diesem.

Das Ehepaar Gutting ist gar aus Brandenburg angereist. Constanze und Michael können sich seit acht Jahren Simsonfahrer nennen. Sie nehmen an fünf bis sechs Treffen pro Jahr teil. „Sonntagnachmittags fahren wir damit aber auch gern mal zur Eisdiele.“ Michael hat eine Simson Typ Schwalbe, Baujahr 1965, mit Drei-Gang-Handschaltung. Kenner, sagt er, würden schon wissen, dass das etwas Seltenes sei.

Aber auch für Nichtkenner lässt sich erahnen, was hinter diesem Lebensgefühl steckt: Mobil sein und trotzdem entschleunigen – mit Tempo 60 mal eben zur Lieblingseisdiele. Auch die Rügenfahrt wird indes entspannt angegangen werden: „80? So schnell werden wir nicht fahren“, sagt Lutz Kunert diesbezüglich.

Doch eine Frage bleibt noch offen: Trabi oder Barkas? Was ist eigentlich angesagter? „Das kommt darauf an, wer auf was steht, eine Typfrage“, sagt Lutz Kunert. Auch Constanze Gutting hält das für reine Geschmackssache. Beim Barkas habe es natürlich schon seinen Charme, dass er früher der typische Dienstwagen gewesen sei. Der Trabi sei dafür wiederum der Klassiker. Aber ob Trabi, Barkas oder Simson,- die DDR-Oldtimer sind in der heutigen Zeit vor allem eines: nostalgische Entschleuniger.