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Vom Aschenputtel zur Prinzessin

Christin Tronicke aus Rödern wurde gestern vors Narrengericht gebracht und musste beim Faschingsumzug mitfahren. Und alles nur, weil sie heiraten will.

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© Klaus-Dieter Brühl

Radeburg/Rödern. Wer so eine Familie und Freunde wie die 26-jährige Rödernerin hat, der muss sich um Überraschungen im Leben keine Sorgen machen. Ziemlich verblüfft stand Christin Tronicke gestern Morgen in der Tür, als die Narrenpolizei des Radeburger Carnevalclubs RCC bei ihr klingelte. Es half nichts, sie musste mit in die Faschingshochburg, hinein ins Festzelt und vors morgendliche Narrengericht.

Christin Tronicke aus Rödern als Aschenputtel vorm Narrengericht.
Christin Tronicke aus Rödern als Aschenputtel vorm Narrengericht. © Klaus-Dieter Brühl

Nicht, dass die lustige Christin mit Karneval nichts am Hut hätte – sie geht immer gern zu den Veranstaltungen. Auch jetzt hat sie eine rote Perücke auf. Aber nun muss sie sich als Erste den fünf Herren in Robe stellen. Die haben schon angekündigt, keinen freizusprechen. Der Vorwurf an Christin, die beim Jobcenter in Radebeul arbeitet, ist hart: „Die Firma Dole will Anzeige erstatten, weil Sie sich zum Obst gemacht haben“, sagt Richter Ronny Ferl schelmisch. Christin war tatsächlich als Ananas verkleidet bei einer Faschingsfeier. Oberrichter Horst Richert findet: Sie hätte als einheimische Frucht gehen müssen! Und dann noch die Sache in Tschechien. Da hat sich wohl ihr angehender Bräutigam Benjamin aus Blattersleben einiges geleistet. Den will sie wirklich ehelichen?

Die närrische Strafe für Christin hat sich gewaschen: Die junge Rödernerin wird in einen Jutesack gesteckt und muss ein Kopftuch umbinden (echte tschechische Handarbeit). Jetzt fühlt sie sich wie zu Hause auf dem Bauernhof, entgegnet Christin im Festzelt kess. Noch ein Bärenfell um und Rosalie, die Handpuppen-Eule um den Hals – schon ist Aschenputtel perfekt. „Ich hab euch alle ganz toll lieb“, ruft die junge Frau in Publikum. Christins jüngere Schwester Clara und zahlreiche Freundinnen amüsierten sich köstlich über den gelungenen Scherz.

„Der Gedanke kam uns, als Christin und Benjamin verkündeten, dass sie am 3. September heiraten und in Moritzburg feiern wollen“, erinnert sich Clara Tronicke. Da dachte sie sofort an Aschenputtel und den berühmten Haselnussfilm. Zum ersten Mal begannen die Röderner und Freundinnen aus der Großenhainer Tanzgruppe „Lasixdies“ deshalb mit den Vorbereitungen für ein Bild im großen Faschingsumzug. Passend zum Hochzeitsdatum erhielten sie die Startnummer 39. „Ein Prinz mit einem rechten Schuh, wo ist nur die Frau dazu? Sie ist heute kurz entwischt und amüsier sich königlich“ haben sie es deshalb genannt. „Auf, auf zur letzten Jagd, heut ist Junggesellentag“, rufen die als Jägerinnen verkleideten Damen durchs Festzelt.

Doch wer den deutsch-tschechischen Film kennt weiß, dass es einiger Herausforderungen bedarf, bevor aus Aschenputtel eine Prinzessin wird. So ging es für Christin Tronicke nach dem Narrengericht nach Moritzburg ans Schloss. Dort wurde nicht nur gefrühstückt, dort gab es auch drei Haselnüsse und drei Aufgaben: Bogenschießen, auf einem Steckenpferd reiten und tanzen. „Das hat Spaß gemacht, und drei Geschenke habe ich auch dafür bekommen“, strahlt die 26-Jährige übers ganze Gesicht und zeigt ihr Festkleid, das Diadem und ihre neue tolle Frisur. So kann sie sich als Prinzessin sehen lassen. Den Wagen des Bildes fährt Vater Frank, Mutter Ines läuft als klein Röschen mit.

Nachdem sie schon im Lößnitzdackel von Moritzburg nach Radeburg Aufsehen erregten, kamen die Röderner pünktlich zum Aufstellen des Zuges wieder in der Zillestadt an. „Das ist wohl der erste Junggesellinnen-Abschied während eines Faschingsumzuges in der nördlichen Hemisphäre“, kommentiert Holger Umlauft, der Umzugsverantwortliche vom Radeburger Faschingsverein. Dabei war alles echt, obwohl das diesjährige RCC-Faschingsmotto ja eigentlich die Olympiade der Plagiate ist.