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Vom Armeleute-Essen zur Delikatesse

Früher waren Wasserrüben nicht wegzudenken aus der Lausitz. In Boxberg gibt es die heute seltene Wurzel noch.

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© Joachim Rehle

Von Sabine Ohlenbusch

Boxberg. Doris Robel hat von ihren Eltern eine besondere Tradition übernommen. Familie Schneider zieht seit Jahrzehnten im Boxberger Ortsteil Dürrbach ihre eigenen Wasserrüben. Dazu vermehren sie immer wieder ihr eigenes Saatgut. Früher haben die Rüben als Viehfutter gedient. Im Mittelalter sollen sie sogar so etwas wie der Vorläufer der Kartoffel gewesen sein. Heute aber sind die Wasserrüben von Familie Schneider ein besonderer Leckerbissen, auf den sich die Klittener immer zum Fischerfest am Maximilianteich freuen können.

Die Wasserrübe ist als Pflanze deshalb in der Region so erfolgreich gewesen, weil sie gut mit Sandböden auskommt. Die weißen Wurzeln können ins Violette spielen und tragen je nach Sorte und Herkunft den Namen Mairübe, Stoppelrübe, Herbstrübe oder Teltower Rübchen. Auch im November finden Kunden Wasserrüben wieder im Supermarkt, meist allerdings unter dem missverständlichen Namen Mairübe – einfach weil er sich eingebürgert hat.

Familie Schneider ist von einer Nachbarin darauf gebracht worden, dass ihre Wasserrüben etwas besonderes sind, die sich mit Pflanzen auskennt. Petra Gebauer ist Managerin der Pflanzensammlung im Senckenbergmuseum für Naturkunde in Görlitz. Sie erzählt, dass damals die Wasserrübe als Zwischenfrucht von den Bauern im Herbst angebaut worden ist. Daher auch einer ihrer Namen: Stoppelrübe. Denn die Pflanze fühlt sich auch nach der Ernte zwischen den abgemähten Getreidehalmen wohl. Vor allem genutzt wurde sie als Viehfutter. Auch Wildtiere äsen gerne dass Blattgrün ab und warten bis zum Winter, bis sie auch die Rüben fressen.

Noch genauer kennt sich Ulrike Lohwasser mit Feldfrüchten aus. Die promovierte Biologin forscht am Leibniz-Institut für Pflanzengenetik in Gatersleben in Sachsen-Anhalt. Sie erklärt, dass die Wasserrüben zum Beispiel nicht mit der Möhre verwandt ist. Eher gehören da Brokkoli oder Blumenkohl zur Familie: Die Wasserrübe gehört zu den Kohlgewächsen. Noch näher dran sind Rettich, Kohlrabi oder Radieschen. Der Geschmack erinnert denn auch an eine Mischung aus diesen dreien.

Aber nicht nur die Wurzeln, auch die Blätter der Pflanze sind essbar. Die in der spielen ins Säuerliche. Mit den rohen oder gekochten Wurzeln zusammen ergibt der grüne Teil einen abwechslungsreichen Herbstsalat. In Nordrhein-Westfalen sind sie unter dem Namen Rübstiel auch als gedünstetes Gemüse oder Beigabe in das Kartoffelpüree eine kulinarische Tradition.

Ulrike Lohwasser hat insgesamt das Gefühl, dass die Wasserrüben dabei sind, sich den Gemüsemarkt zurückzuerobern. „Die Sorte ist für einige Zeit ganz weg gewesen“, erinnert sie sich, „aber mittlerweile ist sie wieder zu bekommen.“ Vielleicht knüpft die Rübe ja wieder an ihre alten Glanzzeiten an.

Die kleine Schwester der Wasserrübe hat dies schon geschafft: Das Teltower Rübchen aus Brandenburg ist zur Wende in dieses Jahrtausend wieder groß rausgekommen, nachdem es im 18. und 19. Jahrhundert schon einmal sehr beliebt gewesen ist. Das Patent auf diesen Namen ist seit Anfang der Neunzigerjahre als Herkunftsbezeichnung eingetragen. Dann folgte ein Förderverein für die Teltower Rübchen. Im Jahr vor dem Millennium wurden die Rübchen auf der Grünen Woche in Berlin präsentiert, der wichtigsten Landwirtschaftsmesse weltweit.

Für den ökologischen Landbau können die Feldfrüchte auch als natürliches Mittel gegen Schädlinge eingesetzt werden. Das sogenannte Senföl gibt ihnen den herben Geschmack und wirkt außerdem abstoßend gegen Krankheitserreger im Boden. Die Rüben werden dann angebaut, um untergepflügt zu werden.