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Volles Gefängnis

In der JVA Waldheim sind die Plätze fast alle belegt. Seit 2015 steigt die Zahl der inhaftierten Ausländer.

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© Dietmar Thomas/Archiv

Von Maria Fricke

Waldheim. Sachsens Gefängnisse sind voll. Da bildet auch die Waldheimer Justizvollzugsanstalt (JVA) keine Ausnahme. Exakt 379 Plätze im geschlossenen Vollzug waren am 8. Juni belegt. Bleibt noch Luft nach oben, wenn auch nur geringfügig. Kritisch ist der Zustand trotzdem. Denn laut Sachsens Justizminister Sebastian Gemkow (CDU) gilt eine Haftanstalt ab einer Auslastung von 90 Prozent als voll belegt. Diese hatte die JVA Waldheim im März geknackt. Seitdem scheinen die Zahlen der Inhaftierten zu steigen. Waren es Ende März noch 351 im geschlossenen Vollzug, liegt die Zahl aktuell bei fast 380. Geringfügig gesunken von 24 auf 20 ist die Zahl der Inhaftierten im offenen Vollzug. Kapazität in dem Bereich ist für 18 Gefangene. Zwei sind demnach aktuell eigentlich zu viel.

Möglich ist diese Überbelegung zum einen durch die Umnutzung von Räumen im offenen Vollzug, erklärt Michaela Tiepner, die Sprecherin der Waldheimer JVA. Zum anderen seien einige Hafträume von entsprechender Größe um ein zweites Bett erweitert worden. „Eine gemeinsame Unterbringung erfolgt mit Zustimmung der Gefangenen. Sie ist nur vorübergehend und aus zwingenden Gründen zulässig“, heißt es in einer Antwort von Sachsens Justizminister Gemkow auf eine Kleine Anfrage des Landtagsabgeordneten André Schollbach (Die Linke). Das bestätigt auch Tiepner. „Es handelt sich in diesem Bereich um Notfallplätze, die in der Belegungsfähigkeit der Anstalt nicht erfasst werden“, klärt die Sprecherin auf. In den Bereichen des offenen Vollzuges sind nur vermindert Vorkehrungen gegen eine mögliche Flucht vorgesehen. „Die Unterbringung im offenen Vollzug erfordert von den Inhaftierten ein hohes Maß an Einordnungsbereitschaft und Selbstdisziplin“, so Tiepner.

Rund 90 ausländische Gefangene

Die Überbelegung im offenen Vollzug bestehe schon seit einiger Zeit. Pläne, um die Kapazität der JVA zu erweitern, gibt es derzeit aber trotzdem nicht. Auch die Umlagerung von Gefangenen in ein anderes Gefängnis kann nicht die Lösung sein. Denn ein solcher Umzug ist so ohne Weiteres nicht möglich. „Prinzipiell besteht im Rahmen einer Einzelfallprüfung die Möglichkeit, einen Belegausgleich zwischen den Anstalten zu organisieren“, berichtet die JVA-Sprecherin. Abhängig sei dies immer vom Bedarf und den Erfordernissen der abgebenden und aufnehmenden Einrichtung. Viel Platz ist ohnehin nicht in den neun anderen sächsischen Gefängnissen. Besonders die JVA in Chemnitz und Dresden sind im geschlossenen Vollzug deutlich überbelegt. So besteht in Chemnitz eine Kapazität von 241 Gefangenen, Ende März waren über 40 Gefangene mehr in dem gesicherten Bereich untergebracht. Damit war die Diskrepanz zwischen Kapazität und Belegung Ende März in Chemnitz im Vergleich mit den anderen sächsischen Anstalten am größten.

Ein Grund für die zunehmende Auslastung auch in Waldheim könnte die Zahl der inhaftierten Ausländer sein. Etwa seit 2015 verzeichne die JVA einen kontinuierlichen Anstieg von ausländischen Gefangenen, berichtet Michaela Tiepner. Ursprünglich betrug der Anteil der Ausländer in der JVA zwölf Prozent. Aktuell liegt der Satz bei 23,5 Prozent (89 Gefangene zum 1. Mai). In den sächsischen JVA liegt der Anteil insgesamt bei 26,1 Prozent. Bei den Herkunftsländern überwiegen in Waldheim Tunesien, Vietnam und Marokko.

Wie gut die Gefangenen aus Deutschland und anderen Ländern zusammenleben, bleibt unklar. „Bedingt durch die generell höhere Auslastung der Justizvollzugsanstalten steigert sich auch die Wahrscheinlichkeit von Konflikten von Inhaftieren“, äußert sich Michaela Tiepner zu diesem Thema. Einen Einblick in den Alltag hinter Waldheimer Gitter hat ein Prozess Anfang Mai vor dem Chemnitzer Landgericht gegeben. Dort wurde die Revision eines Urteils verhandelt, bei dem ein Vietnamese schuldig gesprochen wurde, einen Mitgefangenen mit einem Nudelholz angegriffen zu haben. Im Rahmen des Prozesses hatte ein Beamter, der in Waldheim arbeitet, ausgesagt, die Verhältnisse in der JVA seien im Allgemeinen „ruhig“. Dem Angriff mit dem Nudelholz war offenbar eine Beleidigung durch einen deutschen Inhaftierten, der den Vietnamesen als „Ladyboy“ bezeichnet haben soll, vorausgegangen.

Ganz andere Erfahrungen hat Marco Bras Dos Santos, Sprecher der Soligruppe Leipzig der Gefangenen Gewerkschaft gemacht. „Das Zusammenleben funktioniert in der Regel sehr gut. Viele Nazis leben im Knast das Kuriosum Solidarität“, sagt der Leipziger. Sie helfen den ausländischen Mitgefangenen zum Beispiel beim Ausfüllen von Anträgen. Dass die JVA durch die Ausländer überlastet sind, hält er für eine Schutzbehauptung. Der Gefangenenvertreter bemängelt, dass es zu wenig Personal in den JVA gibt. Der Krankenstand sei sehr hoch. Er fordert mehr Plätze für den offenen Vollzug. Entlastung würde es auch bringen, wenn für Ersatzfreiheitsstrafen für den Fall, dass der Verurteilte eine Geldstrafe nicht zahlen kann, sowie für Kurzstrafen Alternativen gefunden werden.