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Volksfest für Gasfußenthusiasten

Der Saisonauftakt am Matschenberg bei Cunewalde beweist: Autocross ist ein großer Spaß für Jung und Alt.

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© Carmen Schumann

Von Franziska Springer

Cunewalde. Autocross ist ein Familiensport, sagt Georg Hoffmann lachend. Der dunkelhaarige Mann mit den strahlend blauen Augen ist Fahrer beim MC Oberlausitzer Bergland und an diesem Sonnabend ganz offensichtlich voll in seinem Element. Es ist Saisonauftakt auf der Rennstrecke am Matschenberg bei Cunewalde und ich, allenfalls ein interessierter Laie, habe mich auf den Weg zum Schnuppertag des Vereins gemacht, um dem Phänomen Autocross auf die Spur zu kommen.

Kurz vor dem Selbstversuch: Franziska Springer vertraut den fahrerischen Künsten von Georg Hoffmann auf dem Matschenberg.
Kurz vor dem Selbstversuch: Franziska Springer vertraut den fahrerischen Künsten von Georg Hoffmann auf dem Matschenberg. © Carmen Schumann

Zugegeben – die Szenerie, die sich mir auf den ersten Blick offenbart, entspricht meinen Erwartungen nur bedingt. Anstelle von ölverschmierten, adrenalingepeitschten Autofreaks sehe ich fröhlich lachende Familien mit kleinen Kindern, die sich auf Biertischgarnituren in der Sonne tummeln. Was diese Veranstaltung von einem Volksfest unterscheidet, wird allerdings schnell klar: Fast jeder hier trägt ein T-Shirt mit der Aufschrift eines Rennstalls, und schon die Kleinsten werden ausgestattet mit riesigen Ohrenschützern, auf denen gut lesbar die Zahl 46 prangt – die Startnummer des Motorradrennfahrers Valentino Rossi, den man hier gottgleich verehrt.

Heulende Motoren

Auch der Geräuschpegel ist ein unverkennbares Unterscheidungsmerkmal. Schon vom Fahrerlager aus hört man die Motoren heulen. Einmal am Startplatz angekommen, ist eine Unterhaltung nur noch schreiend möglich. Im Minutentakt starten Tourenwagen und Spezialcrosser auf die etwa achthundert Meter lange Strecke. In den vergangenen Tagen hat es keinen Tropfen geregnet. Der lose Streckenbelag ist trocken und neben dem aufgewirbelten Staub, der sich in Windeseile auf Kleidung und Schleimhäute legt, schicken die Fahrer auch Grüße in Form umherfliegenden Gerölls aus den Kurven an all jene, die sich allzu nah an der Leitplanke aufhalten.

Um dem Erlebnis Autocross noch näher zu kommen, gibt es nur einen Weg: selbst mitfahren. Einmal im Jahr gibt es diese Möglichkeit – und die war am Sonnabend. Also überlege ich nicht lange und finde mich unversehens in einem kleinen Peugeot 205 GTI wieder. Eine Straßenzulassung würde der 200 PS starke Flitzer von Georg Hoffmann nicht mehr bekommen: „Zu wenige Komponenten sind noch darin verbaut“, erklären seine Mechaniker schmunzelnd. Leicht muss das Auto sein, das vor Beginn der Saison ein neues Fahrwerk und eine neue Abgasanlage bekommen hat. Gut verschnürt mittels Vierpunktgurt und behütet von einem Helm, den zu tragen in der Hitze der Mittagssonne schnell zur Tortur wird, vertraue ich dem 20 Jahre alten Auto und seinem Fahrer mein Leben an.

Der Adrenalinspiegel steigt

Während der quälend langen Minuten bis zur Startfreigabe gibt Hoffmann mir Instruktionen. Gut festhalten soll ich mich, aufpassen, dass ich mit meinen Füßen weder dem Kühlmittelbehälter noch dem Tunnel in der Mitte des Fahrzeugs zu nahe komme, der bei der großen Hitzeentwicklung kochend heiß wird. Dann schwingt der Streckenposten die Fahne und es geht los. Schon, als wir nach kurzem Anstieg den Sprunghügel überqueren und die einsetzende Fliehkraft mein Herz in meine Füße katapultiert, wird mir bewusst, dass das Erlebnis am Rand der Rennstrecke sich fundamental von dem im Auto unterscheidet.

Hoffmann arbeitet voller Konzentration, reißt immer wieder das Lenkrad herum, wenn die Leitplanke gefährlich nah zu kommen scheint und wir mit dem Fahrzeug den staubigen Hügel hinabdriften. Drei Runden lang werde ich im Inneren des Tourenwagens herumgeschleudert, und mit jeder Kurve steigt mein Vertrauen in die Fahrkünste des 32-jährigen Beiersdorfers. Genau wie mein Adrenalinspiegel. Als ich aussteige und gefragt werde, wie es war, kann ich nur mit einem breiten Grinsen antworten.

Während mir noch die Knie zittern, geht es auf der Rennstrecke schon weiter: Die Crosskarts starten ihren Rundkurs. Mit bis zu 100 Kilometern pro Stunde donnern darin schon die Jüngsten über die Strecke. Deren Eltern betrachten das Geschehen völlig entspannt vom Rand der Rennstrecke aus. Kein Wunder, die meisten von ihnen sind früher selbst Autocross gefahren und haben das Benzin im Blut an ihre Kinder weitergegeben. Autocross ist ein Generationenprojekt. Dass dieser Sport ohne Leidenschaft und Rückhalt der ganzen Familie nicht möglich ist, zeigt der Terminplan, den die zehnjährige Lilli und ihr vier Jahre älterer Bruder Ben vom Team Heinrich in dieser Saison vor sich haben: Beide wollen sowohl beim Lausitzpokal als auch bei den Deutschen Meisterschaften an den Start gehen. In Summe liegen 14 Rennwochenenden vor ihnen. Das kostet Zeit und Geld. Beides ist auch bei Georg Hoffmann rar gesät, seit er vor drei Jahren Vater wurde. „Früher konnte ich den Kitt aus den Fenstern essen. Das war mir egal, solange ich nur fahren konnte“, sagt er. Heute steht sein Sohn an erster Stelle. Wenn es nach Georg Hoffmann geht, sitzt auch der schon bald im Crosskart. „Aber das soll er allein entscheiden.“

Nächstes Ziel: Europameisterschaft

Bis es so weit ist, halten die aktuell 15 Fahrer des MC Oberlausitzer Berglandes und deren Rennsportfamilien die Fahne des Motorsports weiter hoch und werden bis zum Start der Europameisterschaft im brandenburgischen Seelow am 26. Mai sicher noch einiges an Enthusiasmus in ihre Fahrzeuge stecken. Auf dem Matschenberg geht es ab 23. Juni wieder rund, wenn die Europameisterschaft die Rennstrecke in der Oberlausitz das nächste Mal zum familientauglichen Ausflugsziel für all jene macht, die lieber Motoren heulen als Vögel zwitschern hören.

Matschenberg Offroad Arena: 23./24.6. European Autocross Championship; 29./30.9. Deutsche Meisterschaft im Autocross und Interessengemeinschaft Lausitzpokal