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Vier Meter unterm Gipfel ist Schluss

Der Kopf der Empornadel im Bielatal droht einzustürzen. Kletterer müssen trotzdem nicht auf den Gipfelstieg verzichten.

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© Mike Jäger

Von Mike Jäger

Sie ist eine Herausforderung für Bergsteiger: die Empornael im böhmischen Teil des Bielatals. Doch nicht nur wegen seiner schwierigen Besteigung ist der schroffe Fels nahe Ostrov (Eiland) bekannt geworden. Er ist eine Besonderheit.

Am südlichen Dorfausgang von Eiland zweigt von der Dorfstraße links ein schmaler, steinplattenbedeckter Weg ab. Nur wenige Schritte, und man steht inmitten von hohen Felsgestalten, von denen sich eine durch ungewöhnlich schlanke Form auszeichnet: die Empornadel. Ihre Besteigung war lange Zeit heiß umkämpft, anfangs galt sie als unersteigbar. Der Ehrgeiz, als Erster auf ihrem Haupt zu stehen, mag Max Doltze und seine Gefährten vom „Taubstummen-Touristen- und Rodelklub Wolf“ veranlasst haben, nicht ganz regelkonforme Mittel anzuwenden.

Wahrscheinlich nutzten sie an ihrem geplanten Aufstieg an der Nordostkante eine Art menschlichen Steigbaum, bei dem die Kletterer in Art einer Pyramide übereinander steigen. In den Anfangszeiten der Gipfelerschließung im Elbsandsteingebirge kam es öfter zu solch unlauteren Besteigungen, die dann keine Anerkennung fanden. Der am 4. Juni 1913 begangene „Taubstummenweg“ auf die Empornadel ist im Kletterführer mit dem Hinweis „unsportlich“ verzeichnet.

Schwierige Aufstiege

Als Erste regelkonform auf dem Gipfel standen andere. Karl Beyer vom Kletterklub „Daxensteiner“ fand eine logische Kletterstrecke, indem er vom Ring an der Nordostkante nach rechts zu einem überhängenden abdrängenden Riss stieg und weiter in schwieriger Kletterei zum Gipfel. Karl Beyer mit seinen Gefährten Max Wittig und Otto Nollau hatten somit am 4. Mai 1913 den schwierigsten Gipfel Eilands bestiegen. Ihr Alter Weg steht heute mit dem Schwierigkeitsgrad VIIb im Kletterführer. Mittlerweile führen zehn teils sehr schwierige Aufstiege auf die Empornadel. Der fragile Gipfelkopf allerdings darf wegen Einsturzgefahr nicht mehr bestiegen werden. Gipfelbuch und Abseilöse befinden sich heute etwa vier Meter unterhalb des höchsten Punktes auf einem Band.

Das Klettergebiet Bielatal zählt zu den beliebtesten im Elbsandsteingebirge. Es ist gut erreichbar, der Sandstein ist griffig und fest, die Felsen sind nicht all zu hoch und übersichtlich. Der Kletterführer Bielatal verzeichnet 239 Klettergipfel mit mehreren Hundert leichten bis schwierigen Routen. Dieser Abwechslungsreichtum macht das Gebiet für Familien, Kinder, Anfänger im Klettersport und weniger versierte Kletterer attraktiv. Aber auch routinierte Bergsteiger lieben die bizarren Felsnadeln und Türme. Die wohl bekanntesten Felsen dort sind die Herkulessäulen, das Wahrzeichen des Bielatals.