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Vier Infinus-Angeklagte nun frei

Der frühere Hausjurist der Finanzgruppe wirft dem Gericht eine vorgefertigte Meinung vor.

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© Robert Michael

Von Ulrich Wolf

Dresden. Die von den früheren Infinus-Managern belegten Zellen leeren sich. Nach rund 60 Verhandlungstagen sitzen nur noch der Hauptangeklagte und Firmengründer Jörg Biehl (54) sowie Vertriebsdirektor Rudolf Ott (55) in Untersuchungshaft. Auch Letzterer könnte schon frei sein, nach SZ-Informationen ist es ihm allerdings noch nicht gelungen, die geforderte Kaution von 300 000 Euro aufzutreiben.

Bereits am vorigen Donnerstag war Otts Vertriebskollege Kewan Kadhkodai freigekommen; der 50-Jährige musste 50 000 Euro hinterlegen. Zudem wurde in der vorigen Woche der Haftbefehl gegen den früheren Rechtsberater der Infinus-Gruppe, Siegfried Bullin, ebenfalls 50, außer Vollzug gesetzt. Der lediglich wegen Beihilfe angeklagte Ex-Infinus-Manager Andreas Kison (47) war bereits Ostern freigekommen, Chefbuchhalter Jens Pardeike noch während der laufenden Ermittlungen im Februar 2014. Die Anwälte der Beschuldigten hatten mehrfach Haftbeschwerden eingelegt und letztlich vor dem Sächsischen Verfassungsgericht obsiegt. Die Entscheidung über den Verbleib von Biehl in der Untersuchungshaft steht noch aus.

Alle sechs Angeklagten waren im November 2013 verhaftet worden. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen gewerbsmäßigen Kapitalanlagebetrug vor. Dabei sollen allein zwischen November 2011 und November 2013 rund 22 000 Anleger um mindestens 156 Millionen Euro geschädigt worden sein.

Am Montag wies nunmehr der vierte Angeklagte vor dem Landgericht Dresden diese Vorwürfe vehement zurück. Siegfried Bullin, ehemaliger Rechtsberater von Infinus und selbst Anwalt, sagte, er könne sich des Eindrucks nicht erwehren, die Große Wirtschaftsstrafkammer habe bereits eine „vorgefertigte Meinung“. In Richtung des Vorsitzenden Richters sagte er, in dem seit November 2015 laufenden Verfahren zeige sich wieder einmal, dass der Fisch vom Kopf stinke. Die Staatsanwaltschaft verdrehe bewusst Tatsachen, das aber werde nicht genügend hinterfragt. Dass der Wirtschaftsprüfer der Infinus-Gruppe gewisse Risiken nicht so negativ bewertet habe wie die Anklage, das sei doch kein Verbrechen der Beschuldigten. „Das ist ein absurder Vorwurf“, sagte Bullin in seiner akribisch vorbereiteten und emotional vorgetragenen, mehrstündigen Einlassung. Ihm werde in dem Verfahren viel zu vieles als anrüchig dargestellt.

Im Fokus stand aber nicht nur Kritik an Richter und Ankläger, auch mit dem gesondert verfolgten Wirtschaftsprüfer von Infinus ging Bullin hart ins Gericht. Dessen detaillierte Prüfberichte hätten ihm als ehemaligem Aufsichtsrat immer nur sehr kurzfristig, mitunter auch erst Wochen nach den Hauptversammlungen vorgelegen. „Da bekam ich damals mittelprächtige Wutanfälle, meine Kontrollmöglichkeiten wurden eingeschränkt.“

Er streite nicht ab, dass er gewisse Dinge vielleicht weiter hätte hinterfragen müssen; allerdings sei er kein Infinus-Manager gewesen. „Ich war wirklich nur ein Externer, der juristisch gebraucht wurde.“ Er habe weder ein eigenes Büro bei Infinus gehabt, geschweige denn eine Sekretärin oder einen Dienstwagen. „2013 habe ich höchstens etwas mehr als die Hälfte meiner Arbeitszeit für Infinus aufgewendet“, sagte Bullin. Für seine Tätigkeiten als juristischer Berater und Aufsichtsratschef habe er monatlich zwischen 3 000 und 5 000 Euro netto erhalten. Trotz seiner Differenzen mit dem Wirtschaftsprüfer habe er bis zuletzt den Eindruck gehabt: „Da arbeitet ein grundsolides Unternehmen mit qualifiziertem Personal und einem lückenlos geführten Controlling.“

Ein Ende des Prozesses ist noch nicht absehbar. Die nächsten 23 Termine bis Ende November stehen bereits fest.