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Vier Glocken rufen zum Gebet

Die bronzene Melanchthon-Glocke ist in die Lohsaer Kirche zurückgekehrt. Die Weihe findet am Sonntag statt.

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© Andreas Kirschke

Von Andreas Kirschke

Staunend hielten die Lohsaer am 16. August am Markt inne. Anders als sonst läutete ihre Evangelische Kirche – probeweise – gleich mit vier Glocken. „Das war ein erhebender Wohlklang. Unsere vierte Glocke – die Melanchthon-Glocke – bereichert uns sehr. Sie klingt am höchsten. Sie hängt am höchsten Punkt. Direkt über der Lutherglocke,“ sagt Günter Wenk vom Gemeindekirchenrat der Evangelischen Kirchengemeinde Lohsa. Erstmals in ihrer Geschichte rufen jetzt vier Glocken bei besonderen Anlässen die Gläubigen zum Gebet.

Die große und die mittlere Glocke stammen von 1949 und bestehen aus Eisenhartguss. Die Luther-Glocke aus Bronze entstand 1921. Die Melanchthon-Glocke aus Bronze stammt von 1843. Sie wiegt 132 Kilo und klingt mit dem Nominal-Ton e. Ihr Durchmesser beträgt 608 Millimeter. Die Glockengießerei Friedrich Gruhl in Kleinwelka fertigte sie ursprünglich an.

Viele Jahre rief sie in der Lohsaer Kirche die Gläubigen zum Gebet. Eine bewegende Geschichte liegt hinter der Glocke. 1935 wurde sie zur Einweihung der dortigen Friedhofskappelle der Kommune Weißkollm geschenkt. Dort hing sie bis 1942. In jenem Jahr wurde sie abgenommen. „Alle Kirchengemeinden mussten damals Glocken zu Rüstungszwecken abgeben. Das lief nach festgelegten Modalitäten“, sagt Günter Wenk. „Doch die Melanchthon-Glocke überstand auch den Zweiten Weltkrieg.“ 1949 spürten sie Suchende auf dem Glockenfriedhof Hamburg auf. 1950 kehrte die Melanchthon-Glocke auf den Turm der Weißkollmer Friedhofskapelle zurück. Sie hing hier neben der 1949 neu gegossenen Glocke. Seit Ende der 1960er-Jahre wurde die Melanchthon-Glocke nicht mehr geläutet. Immer mehr Schäden wies sie auf. 2011 wurde sie deswegen vom Turm genommen. Die Weihnachtsausstellung „Glocken“ im Zejler-Smoler-Haus Lohsa zeigte sie zuletzt im Dezember 2011 der Öffentlichkeit. Seit 2013 bemühte sich der Gemeindekirchenrat Lohsa um die Rückführung der Glocke nach Lohsa. „Dankenswerterweise stimmte der Ortschaftsrat Weißkollm dem unter der Bedingung zu, dass sie instand gesetzt und wieder in Dienst gestellt wird“, sagt Günter Wenk.

Intensive Untersuchung

Ein Gutachten des Glockensachverständigen Arnold Rißler aus Welzow empfahl die Sanierung der Glocke. Gemeinsam mit Günter Wenk untersuchte er die baugleiche, noch im Dienst stehende Melanchthon-Glocke in der Johanniskirche Klitten. Er dokumentierte, fotografierte und analysierte intensiv ihren Klang. Diese Untersuchung war Grundlage für die Instandsetzung der Weißkollmer Melanchthon-Glocke. Fazit war: Fachleute im Glocken-Schweißwerk Lachenmeyer im bayrischen Nördlingen sollten die Glocke sanieren.

„Die Krone wurde nachgegossen und aufgeschweißt. Die beschädigten Stellen am unteren Rand, der in der Fachsprache als Schärfe bezeichnet wird, sind ergänzt“, erläutert Hubertus Neugebauer, Vorsitzender des Gemeindekirchenrates. Mit anderen Mitgliedern und mit Helfern schaffte er die Glocke mühsam wieder auf den Lohsaer Kirchturm. Der Einbau im Juli verlangte viel Geduld, viel Feinabstimmung und technischen Sachverstand. Die Melanchthon-Glocke hängt jetzt wieder am Originaljoch. Für die Luther-Glocke wurde ein neues Joch aus Eichenholz gefertigt.

Der Sachverständige Wolfgang Schönbrodt-Rühl aus Neschwitz, ein vom Sächsischen Innenministerium bestätigter Prüfingenieur für Standsicherheit – Fachgebiet Holzbau, prüfte eigens die Stabilität des gesamten Glockenstuhls. Er gab grünes Licht für den Einbau der vierten Glocke. Roland Schwaneberg aus Weißkollm erledigte die Zimmererarbeiten. Elektromeister Karl-Heinz Roblick aus Lohsa sorgte für den elektrischen Antrieb des Glockenmotors. Zudem wurde eigens ein neuer Glockencomputer für das Vierergeläut installiert.

„Der Gemeindekirchenrat ist sehr dankbar für die Rückführung der Melanchthon-Glocke, dankbar für das Verständnis des Ortschaftsrates Weißkollm, dankbar für die Zuwendung der Gemeinde Lohsa von 2 000 Euro und dankbar für sämtliche bisher eingegangenen Spenden“, unterstreicht Hubertus Neugebauer.

Spenden werden gebraucht

Die Gesamtkosten für die Restaurierung und Wiederinbetriebnahme der Melanchthon-Glocke, für die Erweiterung des Glockenstuhls, die Anfertigung eines neuen Joches, für Klöppel, Läuterad, Antriebsmotor und elektrische Steuereinrichtung liegen bei rund 8 000 Euro. Aus Eigenmit-teln der Kirchengemeinde, aus der Zuwendung der Kommune und aus Spenden wird die Maßnahme realisiert. „Doch noch klafft eine Finanzierungs-Lücke. Wir brauchen dringend weitere Spenden. Dafür sind wir sehr dankbar“, so Hubertus Neugebauer.

Der Glockensachverständige Arnold Rißler rät zum schonenden Umgang mit der Melanchthon-Glocke. Deshalb soll das Vierer-Geläut nur zu besonderen Anlässen erklingen. Zu Weihnachten, Ostern, Pfingsten sowie zu Taufen und Hochzeiten soll das sein. Der Gemeindekirchenrat legt genaue Termine fest. Entstehen soll auch eine CD mit den Klängen jeder einzelnen Glocke und mit dem Gesamtgeläut. Die Kirchengemeinde will die CD möglichst zum Weihnachtsmarkt verkaufen.

Die Weihe der zurückgekehrten Melanchthon-Glocke findet am Sonntag, dem 19. Oktober, zum Gottesdienst um 9 Uhr statt.

Spendenkonto: Evangelische Gemeinde Lohsa, Ostsächsische Sparkasse Dresden, IBAN: DE 70 8505 0300 3000 1091 28, BIC: OSDDDE81XXX, Kennwort: Spende Glocke.