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Vier Generationen unter einem Dach

Eigentlich sollte die Schlossmühle ein Pflegeheim werden. Jetzt hat sich dort von allein etabliert, was andere vergeblich versuchen.

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© Klaus-Dieter Brühl

Von Susanne Plecher

Walda. Beate Ludwig ist glücklich. Vor knapp zwei Wochen kam ihr zweiter Enkelsohn auf die Welt. Zusammen mit seinem dreijährigen Bruder Jeremy und Mutter Andrea lebt Neuankömmling Jamie jetzt im gleichen Haus wie Oma Beate – und gleich nebenan lebt Uroma Elisabeth Weinert. „Wir sind vier Generationen, die alle unter einem Dach wohnen. Wo gibt es das denn noch?“, fragt die frisch gebackene Zweifachomi und strahlt. „Der Familienzusammenhalt ist das Beste. Aber wenn jemand einmal seine Ruhe will, dann macht er einfach die Tür zu. Und keiner ist sauer.“

Das geht, weil jede der drei Parteien eine eigene Wohnung gemietet hat: in der Schlossmühle Walda. Das Haus gehört Peter Dreßler. 2001 hat er es nach dreijähriger Sanierung eröffnet. „Ursprünglich wollten wir hier ein Pflegeheim einrichten, aber damals haben wir keinen Verteilungsschlüssel dafür erhalten. Also sind wir auf die Idee mit dem altersgerechten Wohnen gekommen“, erzählt er. Fahrstuhl, barrierefreie Wohnungen, Rauchmelder und Steigleitung für die Feuerwehr, dazu die ruhige Lage und der grandiose Blick ins Grüne – alles sollte so sein, dass sich auch die eigenen Eltern wohlfühlen würden, sagt Dreßler. Das meint er auch so.

Seine betagte Mutter Elisabeth wohnt in der Schlossmühle, genau so wie er selber. Mit einem Seniorenheim hat das wenig zu tun. Jeder der rund 50 Mieter lebt eigenverantwortlich in seinem eigenen Hausstand. Wer möchte, kann Leistungen wie Putzhilfen oder Wäscheservice dazu buchen.

Bäcker, Fleischer, Gemüsehändler

Peter Dreßler fährt für seine älteren Mieter einkaufen oder löst Rezepte in der Apotheke ein. Die Volkssolidarität Glaubitz liefert für alle, die es möchten, das Mittagessen. Ein Margaritensträußchen schmückt den großen Tisch im Gemeinschaftsraum, an dem sich die Esser treffen. Viele kochen aber noch selbst und sind froh über den Minimarkt, den mobile Händler zweimal pro Woche im Hof aufbauen. Dann können sie beim Bäcker, dem Fleischer und dem Obst- und Gemüsehändler selber auswählen, was auf ihren Tellern landet. 26 Wohnungen haben die Dreßlers damals in die ehemals als Lager genutzte Mühle eingebaut. Manche haben neben Küche und Bad nur ein Zimmer, die größte aber bietet 130 Quadratmeter Wohnraum und erstreckt sich über drei Etagen. Sie füllt das Dach des markanten Turms. Eine Familie mit kleinen Kindern lebt darin.

Irgendwann, so Dreßler, hätten sich auch Jüngere für die Wohnanlage interessiert. Manche suchten eine barrierefreie Behausung. Gehbehinderung ist schließlich nicht aufs Alter abonniert. Inzwischen ist rund ein Drittel der Schlossmüller unter 40. Rechnet man den kleinen Jamie dazu, leben hier fünf Kinder. „Dass wir jetzt ein Mehrgenerationenhaus sind, hat sich einfach so ergeben“, sagt Dreßler. Da gibt es auch mal Geschrei oder Türenschlagen. „Aber dann redet man darüber und klärt es“, meint Beate Ludwig. Ihre Mutti Elisabeth, 79, schiebt den Rollator heran und nickt. „Ich bin hier sehr zufrieden. Mir wird ganz langweilig, wenn mein Urenkel mich nicht besuchen kommt“, sagt sie. Vor vier Jahren ist sie von Lauchhammer hergezogen. Alleine ist hier nur, wer es sein möchte. Unbemerkt zu versterben geht nicht. „Wir achten untereinander auf uns“, so Beate Ludwig. Und auf den Schwan, der es sich auf der Röder gleich hinten im Park komfortabel eingerichtet hat. Sein Brot bezieht er aus vielen Händen.

Zu 90 Prozent ausgelastet

Einmal im Monat gibt es Kaffee und Kuchen für alle. Im Sommer wird gegrillt. Das Geld für die Leckereien stammt aus einer Altpapiersammlung. „Da machen alle mit“, sagt Peter Dreßler, der das Papier abholen lässt und die Lebensmittel davon bezahlt. Grillen, Bowle ausschenken, Kaffee kochen: In die Arbeit teilen sich meist die Jüngeren hinein. Dass dabei auch sechs Hunde um die Beine wuseln, stört niemanden. „Wissen Sie, es geht mir um die Lebensqualität. Ich brauche zufriedene Mieter“, erklärt Peter Dreßler. Sein Haus ist durchschnittlich zu 90 Prozent ausgelastet. Und in den 15 Jahren seit der Eröffnung ist außer einer Frau niemand ausgezogen, es sei denn mit den Füßen voran.