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Vielfraß-Schnecke erobert Görlitz

Die Spanische Wegschnecke verdrängt einheimische Arten. Und macht Gärtnern das Leben schwer.

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© Nikolai Schmidt

Von Jenny Thümmler

Sie mähen alles nieder. Kartoffelpflanzen, Salat, Radieschen. Kleingärtner stehen oft fassungslos vor den kümmerlichen Resten. Schuld ist die Spanische Wegschnecke. Seit Jahren breitet sie sich rasant in Deutschland aus und hat sich inzwischen zu einer wahren Plage entwickelt. Gerade in Sommern wie diesem: nach einem milden Winter und immer wieder mit Regen.

Das noch größere Problem: Die Schnecke verdrängt einheimische Arten. Die Rote Wegschnecke, die viele als die typische schwarze Nacktschnecke kennen, gibt es hier kaum noch. Das hat ein Team um Heike Reise, die in Görlitz die Weichtierforschung der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung leitet, herausgefunden. Die Wissenschaftlerin zeigt deutliche Grafiken, wie die einheimische Art immer weiter verschwand. Heute sind im Stadtgebiet von Görlitz keine mehr zu finden. Nur in naturnahen Wäldern wie Loenscher Park oder Landeskrone. Überall sonst hat die eingeschleppte Art das Zepter übernommen. „Die Spanische Wegschnecke werden wir nicht mehr los“, sagt Heike Reise.

Auf Müllplatz entdeckt

Diese Art breitet sich seit Jahrzehnten von Westeuropa ausgehend aus. Woher genau sie stammt, wissen Wissenschaftler noch nicht. Fakt ist, dass sie inzwischen bis nach Lettland und Litauen gekommen ist. Und überall Schäden anrichtet. Äußerlich ist sie von der Roten Wegschnecke nicht zu unterscheiden. Von Experten nicht und von Laien schon gar nicht. Beide Tierarten weisen unterschiedliche Färbungen von Rotbraun bis Schwarz auf. Erst der Blick auf die Geschlechtsorgane nach dem Aufschneiden offenbart Genaueres.

In Görlitz lebt die Schadart seit 1994. Auf dem Müllplatz eines Rauschwalder Friedhofs wurde die erste Schnecke entdeckt. Ein typischer Fundort, wie Heike Reise erklärt. „Diese Art liebt nicht so sehr das Naturnahe, sondern gestörte Flächen wie Müllplätze, Gartencenter, Kleingärten. Dort wird sie zuerst eingeschleppt.“ In den folgenden Jahren wurde ihr Siegeszug gegen die einheimische Rote Wegschnecke immer deutlicher. Seit 1998 in der Innenstadt, 2001 in Zgorzelec, seit 2007 flächendeckend in ganz Görlitz. Sie ist erkundungsfreudiger, nicht so wählerisch bei der Nahrung und hat widerstandsfähigere Eier. Damit befassen sich die Görlitzer Wissenschaftler aktuell. Plötzlich tauchen Zwischenformen auf, die schwer einzuordnen sind. Dass sich beide Arten verpaaren, wurde in Laborexperimenten schon bewiesen. Wie es im Freiland läuft, wird jetzt erforscht. Auch, ob die Hybriden unfruchtbar sind, und was das für die Rote Wegschnecke bedeutet. „Es ist im Tierreich nicht selten, dass eingeschleppte Arten einheimische auslöschen.“ Die Ergebnisse von Monitoringflächen an der Rutschung P am Berzdorfer See, im Stadtpark und im Ölberggarten werden bald veröffentlicht.

Die Schneckenforscher haben entdeckt, dass die Neiße eine sehr gute Barriere für die Ausbreitung der eingewanderten Art war. In Polen fand die Verdrängung der einheimischen Schnecke zeitversetzt statt. Mittlerweile gibt es zwar in Zgorzelec auch keine reine Population der Roten Wegschnecke mehr, ein Stück weiter östlich haben die Wissenschaftler aber eine gefunden. Dort beobachten sie nun genau das Aufeinandertreffen der beiden Arten. Seit vorigem Jahr gibt es ein Monitoring, von dem sie sich neue Erkenntnisse erhoffen.

Im Klo runterspülen

Und was kann der geplagte Gärtner nun tun? Schnecken aufsammeln und töten, sagt Heike Reise. Nicht zum Nachbarn hinüberwerfen, weil sie wiederkommen. Und auf keinen Fall lebend in die Mülltonne werfen. „Damit trägt man sogar noch zur Ausbreitung bei, weil die Schnecke so transportiert wird.“ Besser sei, sie mit kochendem Wasser zu übergießen und im Garten zu vergraben, in der Toilette herunterzuspülen oder auf den Kompost zu werfen – wobei Letzteres neue Schnecken anlockt. Dann müsse man konsequent sein und wieder aufsammeln. Wer Pflanzenabfälle, Erde oder Bauschutt im Wald entsorgt, unterstützt die weitere Ausbreitung und hilft der Art, auch in naturnahe Lebensräume einzudringen.

Von zu viel Schneckenkorn rät die Wissenschaftlerin ab. Denn das töte alle Schnecken, nicht nur die Plagen. Nacktschnecken wie Bier- und Tigerschnegel seien keine Gefahr für Gartenpflanzen. Ersterer steht in Sachsen sogar auf der Roten Liste.

Und ansonsten sollten Kleingärtner laut Heike Reise experimentieren. In ihrem heimischen Garten hat sie schon Pflanzen gefunden, die die Wegschnecken in Ruhe lassen. Gurken und Kürbis mit ihren stachligen Stielen zum Beispiel, auch Bohnen und Erbsen. „Kritisch ist es dann nur bei den ganz jungen Pflanzen. Aber da hilft ein über Nacht darübergestülpter Eimer.“