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Viele Raser sind der Katzen Tod

Eine Familie aus Kalbitz verlor schon 15 Katzen. Doch nicht nur Tiere sind von der Raserei durch den kleinen Ort betroffen.

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© Sebastian Schultz

Von Jürgen Müller

Stauchitz. Pünktchen reißt sich los und flüchtet ins Haus, Elvis krallt sich ängstlich an Frauchen fest. Den beiden schwarz-weiß-braunen Katzen, es ist ein Geschwisterpärchen, ist die Straße hier in Kalbitz mit den vorbeirasenden Autos nicht geheuer. Elvis hätte das fast mit dem Leben bezahlt. Nur weil Besitzerin Ina Beer den überfahrenen Kater fand und sofort zum Tierarzt brachte, hat er überlebt. So viel Glück hatten andere Katzen der 48-jährigen Kalbitzerin nicht. Etwa 15 Tiere wurden in den vergangenen Jahren überfahren. „Die beiden haben für unsere Verhältnisse mit sechs Jahren fast ein Methusalem-Alter“, sagt Ina Beer. Als die Straße, die durch den kleinen Ort der Gemeinde Stauchitz nahe Riesa führt, noch Bundesstraße war, wurde kein Tier älter als vier Jahre. „Das Schlimmste war, dass die Katzen und Kater meist kurz nach dem Kastrieren überfahren wurden“, sagt Tochter Franziska (26).

Ina Beer stammt aus Bautzen, zog einst von Dresden in den kleinen Ort, auch, weil sie in Ruhe leben wollte, betrieb dort bis vor Kurzem einen Reiterhof. Doch mit der Ruhe wurde es nichts. „Es ist unglaublich, wie die Autos und Motorräder hier vorbeirasen, obwohl es eine Ortschaft ist, 50 Kilometer pro Stunde gefahren werden müssen. Doch kaum einer hält sich dran“, sagt sie. Vor allem abends und nachts sei es besonders schlimm, 100 Kilometer pro Stunde ist bei Motorrädern noch das Geringste. „Das zeugt davon, dass die Fahrer keinen Respekt vor den Anwohnern haben. Es ist ein Wunder, dass hier noch keiner aus der Kurve geflogen ist“, sagt die Kalbitzerin. Die beiden verbliebenen Katzen nimmt sie jetzt abends in Haus. Sie gar nicht mehr ins Freie zu lassen, ist für sie kein Thema. „Das wäre nicht artgerecht. Außerdem sind es Gebrauchskatzen, die aus dem Pferdestall die Mäuse wegfangen“ , sagt sie.

Besonders tragisch wurde es, wenn Kinder auf dem Reiterhof waren. Die hatten die Katzen liebgewonnen. „Ich erinnere mich, wie ich einmal mit der Schubkarre um die Ecke kam und sah, wie ein Pkw voll auf eine unserer Katzen draufhielt. Ich musste mich beeilen, um das tote Tier von der Straße zu kratzen, damit die Kinder nichts mitkriegen“, sagt sie.

Doch nicht nur für Tiere ist es hier gefährlich, auch für Kinder. In dem Ort gibt es keinen Fußweg. „Ich bin schon mal von einem Lkw gestreift worden, obwohl ich ganz rechts lief. Der Lkw hatte Gegenverkehr, dachte aber gar nicht daran, anzuhalten“, sagt Franziska Beer. Jetzt hätten die Kinder wenigstens eine Bushaltestelle.

Die Anwohner haben sich mehrfach dafür eingesetzt, dass in dem Ort Geschwindigkeitskontrollen durchgeführt werden. „Uns wurde gesagt, einen stationären Blitzer müssen wir selbst bezahlen, so wie im Nachbarort Ragewitz“, sagt Ina Beer. Sporadisch sei die Polizei da gewesen und habe gelasert. Das war es dann aber auch.

Allerdings ist es mit dem Blitzen auf dem kurzen Abschnitt problematisch. Theoretisch gilt zwar ab Ortseingangsschild eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 50 Kilometern je Stunde, praktisch aber eine Empfehlung des sächsischen Innenministeriums, erst 150 Meter nach der Begrenzung die Geschwindigkeit zu messen. Halten sich die Kontrolleure daran, ist eine Messung gar nicht möglich. Denn die Ortsdurchfahrt ist gerade mal 200 Meter lang, zudem ist die Strecke kurvig und hat einen Anstieg. Besonders wenn die Beers aus ihrem Grundstück fahren wollen, wird es schwierig. Nach links haben sie so gut wie keine Sicht, weil die Autos einen Anstieg hinaufkommen. Wenn sich dann Fahrer nicht ans Tempolimit halten, ist es nur eine Frage der Zeit, bis es kracht.

„Seit es die neue B 169 gibt, unsere Straße keine Bundesstraße mehr, sondern nur noch eine Kreisstraße ist, wurde es zwar deutlich weniger Verkehr. Doch die Raserei hat nicht aufgehört“, sagt Ina Beer. Sie hätte einige Vorschläge, die das ändern könnten. Dazu gehört eine Verkehrsinsel auf der Mitte der Straße, damit die Fahrzeuge abbremsen und herumfahren müssen. Oder Schwellen in der Fahrbahn, um sie zu geringerer Geschwindigkeit zu zwingen. Doch für den kleinen Ort mit der kurzen Ortsdurchfahrt und den wenigen Einwohnern scheint sich das nicht zu lohnen. Auch ein Verbot für Lkws mit einem Gesamtgewicht von mehr als 7,5 Tonnen lässt sich nicht durchsetzen.

Für Familie Beer hat der Ärger bald ein Ende. In diesem Jahr wird sie aus Kalbitz wegziehen. Und hofft, dass ihre beiden verbliebenen Katzen die Raserei bis dahin überleben werden.