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Viele Fragen zum Flüchtlingsheim

Etwa 350 Bewohner waren Montagabend in der Christuskirche in Klotzsche. Nicht alles konnte geklärt werden.

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© Christian Juppe

Von Kathrin Kupka-Hahn

Die Christuskirche am Boltenhagener Platz war Montagabend richtig voll. Nicht nur in den Bänken im Kirchenschiff saßen die Besucher dicht gedrängt. Etliche Klotzscher mussten auch auf die beiden Emporen in dem Gotteshaus ausweichen. Rund 350 Anwohner waren der Einladung zum Bürgergespräch gefolgt, um sich zum Thema Asylbewerberheim in Klotzsche sachlich auszutauschen und zu informieren. Schließlich kursieren seit Bekanntwerden der Pläne, dass auf einem städtischen Grundstück in der Karl-Marx-Straße eine Unterkunft für Flüchtlinge gebaut werden soll, viele Gerüchte und Halbwahrheiten.

Zudem haben viele Klotzscher einfach Angst – vor allem vor steigender Kriminalität und vor Übergriffen. Andere wiederum sind frustriert, da bisher keine Möglichkeit bestand, dass sie ihre Meinung sagen können und gehört werden. Somit war die Erwartungshaltung vorgestern Abend groß. Zwar konnten letztlich nicht alle dieser Erwartungen erfüllt werden, dennoch ging ein Großteil der Besucher mit wichtigen Informationen nach Hause.

Klarheit brachte zu Beginn des Bürgergesprächs Patrick Marschner von der Landeszentrale für Politische Bildung. Er stellte Informationen zu Asylrecht und Asylverfahren in Deutschland vor. Anschließend ergänzte Sylvia Bachmann vom Sozialamt mit zahlreichen Fakten zur Unterbringung von Asylbewerbern in Dresden. Abgerundet wurde die Inforunde von Stefan Szuggat, dem Leiter des Stadtplanungsamtes. Er erläuterte die Vorteile des Standortes an der Karl-Marx-Straße aus seiner stadtplanerischen Sicht. „Das Grundstück ist erschlossen und steht als städtisches Eigentum schnell zur Verfügung. Zudem kann dafür schnell Baurecht erteilt werden“, sagte er. Die sich anschließende Diskussion eröffnete die 16-jährige Carolin Hellbusch, Schülerin am Gymnasium Klotzsche.

In ihrem Statement betonte die junge Frau, dass sie und ihre Mitschüler sich nicht bedroht fühlen von den Asylbewerbern, die ab Dezember 2016 in unmittelbarer Nachbarschaft vom Gymnasium leben werden. „Wir wollen ganz bewusst den kulturellen Austausch suchen“, sagte sie. Das könne in Form von Sportkursen stattfinden, die die Flüchtlinge am Nachmittag in der Schule besuchen. Oder Hilfe bei den Französischkenntnissen sein. Hinsichtlich der befürchteten Islamisierung sagte sie: „Diese Fremden abzulehnen, wäre so, als ob die BRD die Flüchtlinge aus der DDR abgelehnt hätte, weil befürchtet werden musste, dass sie in der BRD kommunistisches Gedankengut verbreiteten.“ Es folgte kräftiger Applaus für die Rede.

Bürger wollen bei Integration helfen

In der Diskussionsrunde wollte die Klotzscherin Karin Berg wissen, ob das geplante Asylbewerberheim an der Karl-Marx-Straße ein Ersatz für die 2013 geplante Unterkunft im Gebäude Zur Wetterwarte 34 sei. Sylvia Bachmann vom Sozialamt antwortete, dass geprüft werde, das ehemalige Schulgebäude bei Bedarf als Unterkunft für Flüchtlinge umzubauen und zu nutzen. Außerdem erkundigte sich die Bewohnerin, ob der Neubau des Gymnasiums Klotzsche nun auch deshalb verschoben worden sei, weil so viele Asylbewerberunterkünfte gebaut werden müssen. Das wies der Schulleiter des Gymnasiums, Frank Haubitz, entschieden zurück. „Es wird ein neues Schulgebäude geben, für das bereits 15 Millionen Euro vorgesehen sind“, sagt er.

Ein Klotzscher kritisierte, dass die Pläne für die zwölf neuen Asylbewerberheime in der Stadt nicht schon eher bekannt gegeben wurden. Sämtliche Anwesenden stimmten ihm zu.

Schließlich wollte ein anderer Klotzscher wissen, warum keine Alternativstandorte unter anderem in den Gewerbegebieten geprüft worden seien. Stefan Szuggat vom Stadtplanungsamt sagte, dass der Bau von Flüchtlingsunterkünften im Gewerbegebiet bis Ende November rechtlich nicht möglich gewesen war. Zwar wurde inzwischen eine minimale Änderung der Gesetzeslage erwirkt. Jedoch lehnt er als Leiter des Stadtplanungsamtes den Bau dort ab. Sylvia Bachmann ergänzte, dass die Verwaltung mögliche Standorte an der Grenzstraße und in der Straße Zur Wetterwarte geprüft habe. Allerdings kann die Stadt dort nicht bereits getroffene Regelungen einfach abändern. „So gibt es beispielsweise Lieferverkehr mit 40-Tonnern morgens um drei. Da können sie nicht einfach ein Wohnheim daneben setzen.“

Eine Mutter sprach anschließend von ihren Ängsten. Sie sehe ihre beiden Kinder von den 60 alleinstehenden jungen Tunesiern bedroht, die an der Karl-Marx-Straße wohnen sollen. Daraufhin meldete sich Andreas Dettmer, der sagte: „Ich wohne seit 2009 in Klotzsche und bin ledig.“ Viele Anwesende konnten sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Schließlich meldete sich auch der Chef des Polizeireviers Nord, Thomas Wurche, zu Wort. Er versicherte den Klotzschern, dass in der Nähe von Asylbewerberheimen die Kriminalität nicht höher sei als woanders. Das zeigen die Unterkünfte in der Neustadt, im Hechtviertel und der Leipziger Vorstadt. Allerdings räumte er ein, dass seine Kollegen auch in Flüchtlingsunterkünfte kämen. „Wir fahren da genauso oft hin wie zu Diskotheken, Spielotheken oder Geburtstagsfeiern.“

Aber auch Fragen, wie die Bewohner im Dresdner Norden konkret bei der Integration der Flüchtlinge helfen können, wurden gestellt. Anja Apel (Linke), Stadträtin und Mitorganisatorin des Abends, bat um Geduld. Zunächst wollte man das Gespräch suchen, um der Spaltung Klotzsches entgegenzuwirken. Ideen nehmen sie und ihre Mitstreiter gern entgegen.

Insgesamt zog Apel ein positives Fazit von dem Abend. „Zwar sind einige unzufrieden und frustriert. Aber Ängste lassen sich nun mal nicht mit Vernunft wegreden“, sagt sie. Deshalb wird es weitere Bürgergespräche in Klotzsche geben.