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Viele Bäume sollen weichen

Wissenschaftler haben den Wald der Herrnhuter Brüder-Unität untersucht. Das Ergebnis: Ein bereits ausgestorbener Baum kehrt zurück.

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Von Susanne Sodan

Schlechte Nachrichten für die Fichten rund um Herrnhut: Die Brüder-Unität darf in ihrem Wald künftig deutlich mehr Bäume fällen, beinahe doppelt so viel. „Das überrascht mich“, sagt Revierförster Matthias Clemens. In den vergangenen drei Monaten haben zwei Forstwissenschaftler den Wald der Evengelischen Brüder-Unität untersucht und arbeiten jetzt an einem Plan, wie das Gebiet künftig bewirtschaftet werden soll. Für Matthias Clemens gibt es noch mehr Überraschungen.

Dass externe Forstwissenschaftler vom Staatsbetrieb Sachsenforst seinen Wald unter die Lupe nehmen, ist ein übliches Vorgehen. „Der Plan, den sie erstellen, nennt sich Forsteinrichtung“, erklärt Clemens. „Das wird alle zehn Jahre gemacht.“ Er sieht es positiv. „Dadurch bekomme ich einen Blick von außen, mit dem ich bisher immer gut arbeiten konnte.“ Dafür waren die beiden Sachsenforst-Referendare Tobias Hamm und Martin Schubert von August bis Oktober in dem 720-Hektar-Wald unterwegs. Sie haben ermittelt, wie viele Bäume von welcher Art und welchem Alter dort wachsen. Daraus ergibt sich der Fahrplan für die Zukunft: Wie viele Bäume dürfen geschlagen werden? Welche Arten sollten gepflanzt werden?

Insgesamt ist Martin Schubert zufrieden mit dem Unitätswald. „Gerade das südliche Gebiet ist landschaftlich sehr schön“, erzählt er. Trotzdem gibt es noch Arbeit – wegen der vielen Fichten. Etwa die Hälfte aller Bäume im Unitätswald sind Fichten. Aber der Baum passt nicht mehr so recht zu den heutigen Witterungsbedingen. Die Flachwurzler kommen bei langer Trockenheit nicht an genügend Wasser und werden dadurch anfällig für den Borkenkäfer. „Ein hoher Fichtenanteil ist allerdings kein reines Herrnhuter Phänomen“, erklärt Martin Schubert. Der Bestand gründet oft auf die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Wegen der Holznot wurden in der Oberlausitz deshalb viele schnell wachsende Bäume gepflanzt. Heute kommen noch andere Faktoren dazu: Der Anteil an Kohlendioxid in der Luft ist gestiegen, die Winter waren oft kurz, die Vegetationsperioden länger. All das hat die Bäume schneller wachsen lassen. „Aber ich hätte nicht gedacht, dass bei uns ein solcher Holzvorrat gewachsen ist“, sagt Clemens. Von einem Hektar Wald hat die Brüder-Unität pro Jahr bisher etwa 4,5 Festmeter, also Kubikmeter, gefällt. Der Anteil soll, so das Ergebnis der Forstwissenschaftler, auf fast neun Festmeter steigen.

Schädlich für den Wald sei das nicht, erklärt Martin Schubert. „Die Bäume stehen in Konkurrenz zueinander.“ Sind es zu viele auf zu dichtem Raum, ergibt sich folgendes Bild: nackte hohe Stämme mit ein wenig Grün irgendwo weit oben. Mehr Platz bedeutet dagegen weniger Konkurrenz ums Licht, mehr Grün, tiefere Kronen und damit mehr Stabilität. Auch für die Kasse der Brüder-Unität ist der neue Plan nicht schädlich: Das Holz wird größtenteils ans Sägewerk Kodersdorf verkauft. Für Clemens bedeutet es mehr Arbeit – und einen stärkeren Einsatz schwerer Maschinen auf den Waldwegen. „Mal sehen, was unsere Spaziergänger dazu sagen.“

Dafür sollen neue Bäume gepflanzt werden, um einen ausgewogenen Mix zu erreichen. Das ist die zweite Überraschung für Clemens: Die Forstwissenschaftler schlagen die Weißtanne vor. „Der Baum passt besser zum heutigen Klima“, sagt Clemens. „Aber wir hatten sie trotzdem gar nicht im Blick.“ Zumal die Weißtanne schon einmal ausgestorben war, durch falschen Anbau. „Ich bin noch etwas skeptisch. Wir arbeiten hier gerne mit dem, was die Natur uns gibt.“ Im Momentsind das Fichten, Pappeln, Buchen, Eichen. „Die Tanne ist dagegen eine der anspruchsvollsten Baumarten.“ Eine, die langsamer wachse und in jungen Jahren Schatten und mehr Schutz vor Wild brauche. Und trotzdem wird sie im Unitätswald künftig gepflanzt – weil der Klimawandel für sie spricht, sagt Clemens. „Deshalb werden wir die Weißtanne stärker einbringen.“ Aber er gibt Entwarnung für die Fichte: „Sie wird unser Brotbaum bleiben.“