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Viel Aufregung um einen hohlen Baum

Die unter Naturschutz stehende Eiche im Sauergras ist einigen seit Jahren ein Dorn im Auge. Nun ermittelt sogar die Polizei.

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© Dietmar Thomas

Von Tina Soltysiak

Waldheim. Ist der Baum, der am Dienstag im Waldheimer Sauergras in Brand geraten ist, noch standfest? Das wird sich erst nach Ostern klären, sagte Bauamtsleiter Michael Wittig am Mittwoch auf DA-Nachfrage. Revierförster Dirk Tenzler werde die Begutachtung der Eiche vornehmen.

Die Angelegenheit könnte sich zum Politikum entwickeln. Denn bereits während der jüngsten Stadtratssitzung war ausgerechnet dieser Baum Thema. Außerdem ging es um die Bank, die in unmittelbarer Nähe steht. Zumindest das, was von ihr noch übrig ist. Denn die Sitzgelegenheit ist nicht mehr komplett, es fehlen Latten. Weshalb? Das wollte Ingo Stroh vom Waldheimer Verschönerungsverein von Bürgermeister Steffen Ernst (FDP) wissen.

Aus Sicht von Ingo Stroh stellt der Baum eine Gefahr dar. „Die Eiche ist hohl und zerfällt immer mehr. Der Baum steht am Hauptfußgängerweg durchs Sauergras“, sagte der Waldheimer am Mittwoch auf DA-Nachfrage. Er ist der Meinung, es bestehe dringender Handlungsbedarf, ehe etwas passiert, der Baum umfällt.

Die Angelegenheit ist brenzlig und hat etwas mit der Verkehrssicherungspflicht im Wald zu tun. „Die Eiche gehört prinzipiell zum normalen Waldbestand, es wären keine besonderen Sicherungsmaßnahmen erforderlich“, erklärte Revierförster Tenzler auf Anfrage. Weil nun aber die Bank dort steht, ist die Situation eine andere. Dann müsste der Eigentümer der Eiche dafür Sorge tragen, dass kein Ast herab- oder gar der ganze Baum umfällt und jemand dadurch verletzt wird. Das bedeutet gleichzeitig einen höheren Pflegeaufwand. Um die Sache zu umgehen, sei die Bank zum Teil abgebaut worden.

Potenzieller Lebensraum für Käfer

Im Frühjahr des vergangenen Jahres hatte Ingo Stroh diese Eiche erstmals während einer Ratssitzung angesprochen. „Danach hat es eine Begehung gegeben und plötzlich klebte das Schild mit der Eule dran und der Baum stand unter Schutz“, erinnert er sich. Das sei für zahlreiche Waldheimer nur schwer nachvollziehbar gewesen. Schließlich habe die Eiche bereits damals einen instabilen Eindruck gemacht.

Das entsprechende gelbe Schild mit der Eule hängt noch. Dirk Tenzler hat es nicht zum Spaß angebracht. Dass der Baum als Biotop eingestuft wurde, ist einfach geltendes Gesetz. „Jeder Baum, in dem zwei Spechthöhlen zu sehen sind, gilt als Höhlenbaum und ist laut dem Naturschutzgesetz als Biotop einzustufen“, sagte er.

Höhlenbäume seien wichtig für die Vielfalt der Fauna im Wald. „Sie bilden einen potenziellen Lebensraum für den Eremiten“, sagte Dirk Tenzler. Der Eremit ist ein bis 40 Millimeter großer, schwarzer Käfer und wird auch Juchtenkäfer genannt. Die alten Bäume sind oft von Weiß- oder Braunfäule befallen und werden zunehmend hohl. In diesen, mit Mulm gefüllten Hohlräumen, leben die Larven und die Käfer. Noch im 19. Jahrhundert galt der Eremit als weit verbreitet und häufig.

Im Waldstück Bärental bei Döbeln sind Ende 2015 Tiere entdeckt worden. Das hatte die Untere Naturschutzbehörde des Landkreises bestätigt. „In Sachsen ist der Eremit stark gefährdet“, so Kreissprecherin Cornelia Kluge. Sie verwies bereits damals auf die Krux zwischen Natur- und Personenschutz: Grundsätzlich brauche der Eremit alte Bäume. Letztere würden naturgemäß auch eine gewisse Gefährdung darstellen, seien oft nicht mehr verkehrssicher. „Eremiten kommen aber häufig und gerade in alten Parks vor, die der Erholung dienen.“ Deshalb müsse abgewogen werden: Überwiegt der Schutz der Tiere oder das Wohl des Menschen? „Sollten Baumfällungen unvermeidlich sein, sollte der Baumstamm mit seinen Höhlungen so hoch wie möglich als sogenannter Hochstubben stehengelassen und vor eindringendem Regen geschützt werden“, so Cornelia Kluge.

Wie es in dem Fall der Eiche im Waldheimer Sauergras weitergeht, bleibt abzuwarten. Fakt ist: Die Stadtverwaltung hat die Polizei eingeschaltet. „So ein Baum entzündet sich ja nicht einfach von selbst“, so Michael Wittig. Die Ermittlungen laufen.