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Verwunschene Buchen

Etwa 150 Jahre alt sind die seltenen Süntelbuchen bei Kurort Hartha im Tharandter Wald. Bevor sie absterben, will sie ein Verein gemeinsam mit dem Forstgarten retten.

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© Karl-Ludwig Oberthuer

Von Franz Werfel

Kurort Hartha. Es gibt sie nur etwa 200-mal in ganz Deutschland. Die geheimnisvollen Süntelbuchen mit ihren verschlungenen, knorrigen Ästen und scharfen Umschwüngen haben sich in deutschen Wäldern nie weit verbreiten können. Sie sind ein Streich der Natur und wegen ihrer vielen Windungen für die Forstwirtschaft ungeeignet. Doch in Tharandt gibt es gleich drei Exemplare. Eine kleine Süntelbuche steht im Forstbotanischen Garten, zwei weitere in der Nähe des alten Kurhauses in Kurort Hartha, nur 100 Meter vom Waldrand entfernt.

Dass die seltenen Buchen genau hier, an der Schneise Sechs des Tharandter Waldes wachsen, ist kein Wunder. Sie wurden einst im Internationalen Phänologischen Garten gepflanzt. Der Forschungsgarten befindet sich noch immer in Kurort Hartha und dient heute als Beobachtungsstation für Meteorologen der Technischen Universität Dresden. Die Forscher untersuchen in langjährigen Experimenten, wie sich das Klima auf den Pflanzenbestand auswirkt. Einst standen hier drei Süntelbuchen. Eine ist vor etwa 20 Jahren abgestorben.

Dafür, dass die seltsamen Buchen weiterhin hier stehen können, setzt sich der Harthaer Gunter Baumann ein. Bei einer Wanderung hatte der 56-jährige Lehrer ein Erweckungserlebnis. „Ich bin hier aufgewachsen und kenne die Süntelbuchen schon mein ganzes Leben lang. Sie gehörten immer dazu“, erzählt er. „Im September habe ich bemerkt, dass sich die Buchen stark verändert haben“, so Baumann. „Heute erkennt ja jeder, dass es den Bäumen schlecht geht.“ Süntelbuchen können nur zwischen 150 und 200 Jahren alt werden. Durch ihren krummen Wuchs sind sie anfälliger für Pilze und andere Bakterien als Bäume, die gerade nach oben wachsen.

Kindergarten für Süntelbuchen

In seiner Freizeit ist Gunter Baumann der stellvertretende Vorsitzende des Verkehrs- und Verschönerungsvereins Kurort Hartha. Mit seinen Vereinskollegen beschließt er, die Bäume zu retten. Er beliest sich im Internet über diese seltsame Buchen-Mutation. Er stellt fest, dass es wohl nur noch knapp 200 Süntelbuchen in Deutschland gibt. Und er reist nach Bad Nenndorf in Niedersachsen. Dort bestaunt er die einmalige Süntelbuchen-Allee, die direkt am Süntel, einem kleinen Höhenzug im Weserbergland, liegt. Dem Süntel verdanken die Buchen auch ihren Namen.

„Ich habe Bucheckern gesammelt, um sie zu Hause auszupflanzen“, erzählt Baumann. Er nimmt Kontakt mit dem Forstgarten in Tharandt auf. Dort rät man ihm von dem Bucheckernexperiment ab. Warum, erklärt Ulrich Pietzarka, der Kustos des Forstgartens: „Wenn man Glück hat, kann aus einer von 5 000 bis 10 000 Bucheckern eine Buche werden.“ Doch auch dann gäbe es keine Garantie dafür, dass es wieder eine Süntelbuche würde.

Allein bei dieser Aussage soll es aber nicht bleiben. Der Forstgarten beschließt, Gunter Baumann bei der Rettung der Süntelbuchen zu helfen. „Voraussichtlich im März werden wir von den Bäumen 20 starke Reiser schneiden“, sagt Ulrich Pietzarka. Noch am selben Tag werden diese frischen Zweiglein an je einen gesunden, herkömmlichen Rotbuchenspross gewickelt. Mit der Zeit – so die Hoffnung – wachsen die beiden Reiser zusammen und eine neue Süntelbuche kann daraus erwachsen. „Diese sogenannte Veredelung ist ein gängiges Verfahren mit hohen Trefferquoten. Obstbauern etwa praktizieren sie ständig, um sortenreine Früchte zu erhalten“, so Pietzarka. Im Forstgarten sollen die Süntelbuchen etwa fünf bis 20 Jahre in Ruhe wachsen. Dann könnten sie wieder im Tharandter Wald ausgesetzt werden.

Vielleicht finden sich auch andere Interessenten, die Lust haben, so einen kleinen Steckling in ihren Garten zu pflanzen, sagt Ulrich Pietzarka. „Es gibt bestimmt Leute, die die Süntelbuchen auch witzig finden.“