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Verwunderung über Migrantenklasse

In Riesa gibt es eine 1. Klasse, in der ausschließlich ausländische Kinder lernen. Kann Integration so gelingen?

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© Symbolfoto

Von Britta Veltzke

Riesa. In der Klasse 1b der Riesaer Grundschule an der Breitscheidstraße heißen die Kinder nicht Helene oder Paul – sie tragen mehrheitlich arabische Vornamen. Beim jährlichen Abdruck der Fotos aller ersten Klassen im Verbreitungsgebiet der SZ hat das zu Verwunderung geführt: Kann Integration so gelingen?

Auf Dauer sicher nicht, sagt Jens Weichelt, Landesvorsitzender des sächsischen Lehrerverbandes. „Wir plädieren immer für eine gleichmäßige Verteilung der Schüler mit ausländischen Wurzeln auf alle Schulstandorte.“ Den Kindern werde es andernfalls erschwert, mit deutschen Mitschülern Kontakte zu schließen, so Jens Weichelt. Der sächsische Lehrerverband empfiehlt, den Kindern erst Deutsch in einer Vorbereitungsklasse beizubringen, um sie dann Stück für Stück in die anderen Klassen zu integrieren. „Ziel ist es, die Kinder so schnell wie möglich in Regelklassen zu bringen.“ Zeitlich und inhaltlich variiere dieser Prozess für das einzelne Kind – abhängig von Vorkenntnissen und Fortschritten. Die Integration soll nach den Vorstellungen des Lehrerverbandes gestaffelt vorangehen: „So dass die Kinder zunächst mal schon am normalen Sportunterricht teilnehmen, dann auch am Musik- und Kunstunterricht.“ Die Vorbereitungsklasse könne aber nur eine Übergangslösung sein, betont Weichelt. Und wenn die Anzahl der Kinder mit unzureichenden Deutschkenntnissen für zwei Klassen ausreiche, sollten diese unbedingt an zwei verschiedenen Schulstandorten angedockt werden. Denn seien die ausländischen Kinder an einer Schule konzentriert, „laufen wir Gefahr, eine Parallelkultur zu etablieren.“

Der Lehrerverband und die sächsische Bildungsagentur sind sich beim Umgang mit den ausländischen Kindern im Grunde einig. Laut Referentin Petra Nikolov passiert an den sächsischen Schulen bereits genau das, was Lehrerverbandschef Weichelt fordert – so auch derzeit in Riesa an der Breitscheidstraße. „In der ersten Stufe werden die Kinder nach einem wissenschaftlich erprobten Lehrplan ’Deutsch als Zweitsprache’ durch entsprechende Lehrkräfte unterrichtet“, erklärt Petra Nikolov. Diese seien nicht nur Fachlehrer, sondern auch Betreuungslehrer und damit wichtige Bezugspersonen, die den Kindern hilfreich und beratend zur Seite stünden. „Lassen die Deutschkenntnisse eine Teilintegration zu, so besuchen die Schüler mit Migrationshintergrund sowohl den Unterricht in der Vorbereitungsklasse als auch Unterricht mit weniger sprachintensivem Charakter. Später kommen weitere Fächer hinzu. Diese zweite Phase dauert je nach individuellem Lernfortschritt mehrere Monate“, so Nikolov. In einer Vorbereitungsklasse gelinge es den Lehrern besser, die Kinder individuell zu fördern.

Nachteile seien gegenwärtig aus dem Schulalltag nicht ersichtlich. Das „gezielte, differenzierte Arbeiten, gekoppelt mit dem Erlernen der deutschen Sprache“ habe bei den Eltern großen Anklang gefunden. „Wenn die Kinder ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache haben, werden sie vollumfänglich in den Regelunterricht integriert.“ Dies sei dann die dritte Phase der Integration. „Wichtig ist es, dass die Kenntnisse nicht nur den alltagssprachlichen, sondern auch den bildungssprachlichen Anforderungen genügen. Ist das noch nicht der Fall, kann Förderunterricht erteilt werden.“ Die Eltern könnten in der dritten Phase auch eine wohnortnahe Schule für ihre Kinder aussuchen. „Wünschen die Eltern einen Verbleib an der jetzigen Schule, ist das aber auch möglich, wenn die Kapazität vorhanden ist“, erklärt Petra Nikolov.

Die Klasse 1b an der Breitscheidstraße ist demnach nur eine Klasse auf Zeit.