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Vervierfachung im Zollgeschäft

Der Görlitzer Standort des schwedischen Dienstleisters KGH Customs Services soll ausgebaut werden. Und zwar kräftig.

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© Nikolai Schmidt

Von Ralph Schermann

Görlitz. Von Görlitz hatte Karl-Gerhard Hansson 1960 bestimmt noch nie etwas gehört. Der Mann lebte an der norwegisch-schwedischen Grenze. Dort beobachtete er das, was Bewohner nahe der Görlitzer Stadtbrücke Anfang der 1990er erlebten: lange Lkw-Schlangen am Grenzübergang.

Hansson unterhielt sich mit Fahrern und Zöllnern und stellte fest: Zwischen beiden Berufsgruppen bestand eine Kluft erheblicher Wissenslücken. Der Schwede erkannte Bedarf von Vermittlern – und begründete 1963 die nach den Anfangsbuchstaben seines Namens benannte KGH als entsprechendes Dienstleistungsunternehmen. Jetzt ist das sogar in Görlitz angekommen. Auf der Rauschwalder Straße 50.

Längst aber geht es nicht mehr um örtlich begrenzte kleine Grenzverkehre. Heute ist die seit 2007 KGH Customs Services heißende Gesellschaft mit 670 Mitarbeitern einer der größten europäischen Zollabfertigungsdienstleister, hat 38 Niederlassungen mit 14 000 Kunden in zehn Staaten. 2016 übernahm KGH Customs die Außenwirtschafts- und Organisationsberatung (AOB) und damit auch Zollberatungen als großes Aufgabengebiet. 2017 kam die SEK-Agentur mit ihrem starken Bereich Luftfrachtabfertigung dazu, und damit Görlitz ins Spiel. Denn die SEK war hier mit einer kleinen Filiale tätig. Der neue Betreiber indes will mehr sein, als eine kleine Nebenstelle. Zu den sieben anderen KGH-Standorten in deutschen Großstädten wie München und Hamburg soll auch Görlitz den Anspruch erfüllen, „als Zollabwicklungsdienstleister immer zur Spitze zu gehören“, sagt der KGH-Geschäftsführer für Deutschland, Konrad Kuhlman: „Deshalb bauen wir zwar alle Standorte aus, Görlitz aber in besonderem Maße.“

Der Berliner Martin Rüger, als Regionalmanager auch für den Standort Görlitz zuständig, spricht von einer Vervierfachung: „Statt jetzt acht Mitarbeitern sollen es mittelfristig wenigstens 30 werden.“ Das habe zum einen mit der weiter zunehmenden Auftragslage zu tun, soll aber „gerade auch in Zeiten der Probleme bei Siemens ein Zeichen dafür setzen, dass es lohnt, in der Region zu expandieren.“ Jetzt sei man auf der Suche nach neuen Kaufmännischen Sachbearbeitern für Zollangelegenheiten, die im Wesentlichen eingearbeitet würden, unbedingt aber gute PC- und Englisch-Kenntnisse mitbringen sollten. Ideal freilich wäre es, wenn sich Bewerber schon etwas mit Import, Export, Logistik oder Buchhaltung auskennen. Auch die polnische Sprache sei vorteilhaft, berichtet der Regionalmanager, denn auch das ist ein Grund für die Erweiterung: „Wir wollen das Zolltor gen Osten ausbauen.“ Noch fehle Polen auf der Länderliste von KGH, die Lage in Görlitz werde als viel wichtiger angesehen, als etwa Büros in Warschau oder Wroclaw. Geschäftsführer Kuhlman: „Görlitz ist für uns strategisch wichtig. Die Lage bietet viel Potenzial, das wir im Sinne unserer Kunden in Deutschland und Europa optimal fördern und nutzen möchten.“

Drei polnisch sprechende Kolleginnen und Kollegen arbeiten bereits auf der Rauschwalder Straße 50. Diese Adresse wiederum wird nicht mehr lange gelten. Um wenigstens viermal so viel Beschäftigte wie bisher unterbringen zu können, ist KGH zurzeit auf der Suche nach Räumen dafür. „Bisher sind wir zwar noch nicht fündig geworden, aber es gibt durchaus interessante Görlitzer Immobilien dafür“, sagt Martin Rüger. Er erklärt auch, was die Sachbearbeiter, meist eher Zolldeklaranten genannt, eigentlich machen: Während die Kunden ihre Ware verschicken, klären Deklaranten alle Zollformalitäten, um einen reibungslosen Grenzverkehr zu unterstützen. „Wir prüfen konform mit den verschiedenen Gesetzen alle Außenhandelsdokumente, kümmern uns um die Zollanträge, kommunizieren mit allen abfertigenden Zollämtern Deutschlands.“

Kein Wunder, dass im Zeitalter der elektronischen Vernetzung auch die Görlitzer KGH-Einrichtung Aufträge aus der gesamten Bundesrepublik bearbeitet. Der kleine Blick über nur eine Grenzbrücke ist schon lange Vergangenheit. Und doch gab so ein lokal begrenzter Blick einst den Anstoß dafür. Karl-Gerhard Hansson würde sich wundern, was aus seiner Idee geworden ist. Und bestimmt würde er auch einmal an den Standort Görlitz kommen.

www.kghcustoms.com