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Verunsicherung im Sorbenland

Unbekannte sollen in mehreren Fällen Jugendliche der Minderheit bedroht haben – jetzt ermittelt der Staatsschutz.

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© Uwe Soeder

Von Stefan Schramm

Das Dreieck zwischen Bautzen, Kamenz und Wittichenau gilt als Kernland der Oberlausitzer Sorben. Wegkreuze und gepflegte Kapellen sind hier Ausdruck gelebter Volksfrömmigkeit, die der slawischen Minderheit half, ihre Identität bis in die Gegenwart zu bewahren. Vor sechs Jahren waren die Kruzifixe ins Visier mutmaßlicher Sorbenfeinde geraten, wurden zum Ziel von Dieben oder Randalierern. Heute sind es die Sorben selbst, die sich mehrfach Hassattacken ausgesetzt sahen und nur wegen ihrer Identität bedroht wurden.

Bereits vor einem halben Jahr hatte das für den polizeilichen Staatsschutz verantwortliche Operative Abwehrzentrum (OAZ) Leipzig die Ermittlungen übergenommen, nachdem Unbekannte auf Ortseingangstafeln und Wegweisern sorbische Ortsnamen mit Farbe übersprüht hatten. Betroffen davon waren unter anderem Nebelschütz, Räckelwitz, Schmeckwitz, Crostwitz und Panschwitz-Kuckau. Insgesamt seien vier Strafanzeigen eingegangen. Das Ortseingangsschild von Großröhrsdorf war mit dem Schriftzug „Juden“, zwei Davidsternen und einem Hakenkreuz beschmiert worden. „Dadurch ist von einem gezielten rechtsextremen Angriff auf Sorben auszugehen“, sagte gestern Rüdiger Zwickirsch vom OAZ.

Fünfköpfige Soko ermittelt

Jetzt ermittelt eine fünfköpfige Sonderkommission auch wegen Bedrohung, Nötigung und Beleidigung sorbischer Jugendlicher. Zehn bis 15 schwarz gekleidete Unbekannte hatten am 17. Oktober bei einer Discoveranstaltung in Schönau die sorbischen Besucher eingeschüchtert. Auf dem Flur hatten die Angreifer Augenzeugen zufolge zunächst gelauscht, wer sorbisch spricht. Dann hätten sie sich maskiert, antisorbische Parolen gerufen und seien auf mit Personen besetzte Autos losgegangen. Verletzt wurde niemand. Noch vor Eintreffen der Polizei waren die Angreifer weg.

„Die Ermittlungen zu möglichen Tatverdächtigen werden derzeit intensiv geführt“, berichtet Rüdiger Zwickirsch. Polizeipräsident Bernd Merbitz äußerte, sie seien „sehr weit vorangeschritten“. Mit Auskünften zu Betroffenen oder Verdächtigen halten sich die Beamten unter Verweis auf ermittlungstaktische Gründe derzeit zurück. Berichte mehrerer Medien, wonach Neonazis Schüler brutal zusammengeschlagen haben sollen, hätten den Ermittlern zufolge bislang nicht verifiziert werden können. Ebenso fehlen ihnen Erkenntnisse dazu, dass die Täter einer organisierten Neonazigruppierung angehören.

Polizei verstärkt Bestreifung

Die Polizeidirektion Görlitz und OAZ-Beamte führen im Raum Bautzen Präventionsmaßnahmen durch, „um weiteren aggressiven Konfrontationen gegenüber sorbischen Jugendlichen vorzubeugen“, so Rüdiger Zwickirsch. Unter anderem werde die Streifentätigkeit verstärkt. Bereits eine Woche zuvor, in der Nacht zum 12. Oktober, hatte es im benachbarten Cunnewitz einen ähnlichen Vorfall gegeben. Dort sollen 15 teils Vermummte sorbische Jugendliche bedroht haben. Die Ermittlungen der Polizei in diesem Fall verliefen jedoch im Sande. Anfang Oktober hatten Unbekannte zudem am Bautzener Dompfarramt und dem Dom sorbische Wörter übermalt.

„Wir verurteilen die Bedrohungen auf das Schärfste. Niemand in unserem Land darf aufgrund seiner Sprache oder Nationalität auf irgendeine Weise belästigt, verfolgt oder verhöhnt werden“, sagt der Domowina-Vorsitzende David Statnik. Die Übergriffe erinnerten ihn schmerzlich an das Schicksal des sorbischen Volkes im Nationalsozialismus. Statnik bat um Hinweise ans OAZ zur Aufklärung der Taten, „damit diesem Spuk ein Ende bereitet wird“. Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich, selbst Sorbe, erklärte: „Sorben und Deutsche leben seit mehr als 1000 Jahren friedlich zusammen. Die zunehmenden Angriffe werden von keinem toleriert.“ Die Polizei werde Tillich zufolge mit ihrem Einsatz dazu beitragen, dass die Täter schnellstmöglich gefasst werden.