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Vertreiben Wanderer die Uhus?

Im linkselbischen Elbsandstein soll ein Trekkingpfad etabliert werden. Das freut nicht jeden.

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© Ulrich Augst

Von Gunnar Klehm

Sächsische Schweiz. Die Route für den neuen Trekkingpfad „Forststeig“ im linkselbischen Bereich der Sächsischen Schweiz steht. Es ist das größte touristische Projekt des Forstbezirks Neustadt, das gegenwärtig umgesetzt wird. Die neu eingerichteten Biwak-Plätze werden zum spartanischen Übernachten im Wald schon rege genutzt. Das Walderlebnis liegt voll im Trend. Offiziell soll der Forststeig nächstes Jahr eröffnet und dann auch entsprechend beworben werden. Für welke Flecken auf dem Vorschusslorbeer sorgt nun jedoch Ulrich Augst. Der Mitarbeiter Artenschutz in der Nationalparkverwaltung Sächsische Schweiz hat nichts gegen das Erleben der Natur an sich. Ganz im Gegenteil. Er macht jedoch darauf aufmerksam, dass die Routenführung auch negative Konsequenzen für die Tierwelt hat. „Der Forststeig führt die neugierigen Wanderer auch durch Gebiete, welche früher nur selten der Förster oder einsame Pilzsucher betraten. Mitunter führt der Weg auch durch Gebiete, in die es bis dahin keinen Weg gab, außer ein paar ausgetretenen Wildwechseln“, schrieb er an die SZ.

Schwarzstörche verabschieden sich

Weil jährlich Millionen Besucher den Nationalpark rechts der Elbe besuchen und dort entsprechend viel Unruhe für Tiere herrscht, haben sich störungsanfällige Tierarten in den ruhigeren linkselbischen Bereich zurückgezogen. „Aber das ist ja nun vorbei“, sagt Augst. Er sorgt sich wegen der nächtlichen Störungen, die von den Trekkinghütten und Biwakplätzen ausgehen. „Wie unsere sensible Tierwelt darauf reagieren wird, bleibt abzuwarten. Sicher nicht positiv“, erklärt Augst.

Der Artenschutzexperte belegt das mit Zahlen. „Von den einst sechs bekannten Schwarzstorchpaaren im Elbsandsteingebirge haben sich bereits vier verabschiedet“, sagt er. Für ihn sei eindeutig, dass stete Unruhe im Gebiet – verursacht durch den Forst aber auch durch zunehmenden gewollten Tourismus – die Vögel zur Aufgabe ihrer Brutplätze zwang. Ähnliches berichtet er vom Uhu. Aktuell ist nur noch ein Platz von ehemals fünf bekannten im linkselbischen Gebiet der Sächsischen Schweiz beflogen. Augst fragt sich, wie lange noch. Die Route gehe mitten durchs Revier. Allein dem Wanderfalken werde der neue Trekkingpfad nicht viel ausmachen, mutmaßt der Wildvogelexperte. Der Wanderfalke passt sich eher an urbane Strukturen an. Das Gegenteil gelte für Waldvogelarten wie Wespenbussard, Habicht, Sperber oder den Tannenhäher. „Die werden es schwerer haben, ruhige Brutplätze zu finden, sind sie doch durch Holzeinschlag ohnehin gestresst genug“, erklärt Augst.

Der Sachsenforst findet die Kritik an der Wegeführung schwer nachvollziehbar, schließlich sei die Nationalparkverwaltung von Anfang an mit eingebunden gewesen. „Darüber hinaus haben wir das Projekt auch ehrenamtlichen Naturschutzhelfern sowie weiteren Naturschutzexperten regelmäßig in Beratungen und Exkursionen vorgestellt“, erklärt Kai Noritzsch, der Sachbearbeiter Waldökologie und Naturschutz im Forstbezirk Neustadt. Bei der Wegeplanung seien aktuelle Brutstandorte und verlassene, potenzielle Neststandorte berücksichtigt worden, an denen vereinzelt Uhu oder Wanderfalke gebrütet hatten. „Zu diesen Örtlichkeiten wurde von uns ein Mindestabstand eingehalten“, erklärt Kai Noritzsch. So sollte eine Wiederbelebung solcher alten Neststandorte möglich sein.

Boofer sollen umgelenkt werden

Geändert wurde die Wegeführung bereits. So werden erosionsgefährdete Bereiche am Großen Zschirnstein und am Lampertstein gemieden und das Flächennaturdenkmal „Kochemoor“ oder das seltene Vorkommen des Waldläusekrautes bei Bielatal umgangen. Ziel der Einrichtung des Forststeigs sei es ja gerade, Störungen im Wald zu verringern, heißt es vom Sachsenforst. Mit einer entsprechenden Kommunikation würde eine gezielte Besucherlenkung erreicht. So wolle man das wilde Boofen und Campen im Wald eindämmen. „Damit wird die Beunruhigung von Tieren sowie die Verschmutzung von Biotopen verhindert“, sagt Kai Noritzsch. Die neu eingerichteten Trekkinghütten und Biwakplätze seien viel naturverträglicher. Zudem sei die Kapazität auf maximal fünf Zwei-Mann-Zelte pro Platz begrenzt. „Wenn sich die Trekker konzentriert auf dem Forststeig bewegen und nicht abweichen, können sich das Wild sowie die scheuen Wildvögel schnell daran gewöhnen, dass von diesen Leuten keine Gefahr ausgeht“, so Noritzsch.

Man werbe ja auch nur von April bis Oktober für das Wandern auf dem Forststeig. Außerhalb der Zeit seien die Übernachtungsplätze geschlossen. Das Balz-, Paarungs- und Brutgeschäft des Uhus beginne aber bereits im Winter. Und sollten mal neue Brutstandorte festgestellt werden, seien genauso wie in anderen Teilen der Sächsischen Schweiz zeitweise Wegsperrung und Umleitungen möglich.