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Verträgt die Oberlausitz drei Viertligisten?

Nach Bautzen und Neugersdorf könnte ab Sommer auch Bischofswerda in der Regionalliga kicken. Das sorgt für heiße Derbys – auf und neben dem Platz.

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© Peter Schatz

Von Jens Fritzsche

Eigentlich bräuchte Jürgen Neumann derzeit vier Daumen. Zwei drückt der Präsident der Bischofswerdaer Fußballer für seine Kicker; die beiden anderen für die Budissa-Spieler im 20 Kilometer entfernten Bautzen. Denn die Bautzener kicken dort, wo die Schiebocker bis zum Sommer unbedingt hinwollen: in der vierten Liga. „Auf die Derbys freue ich mich schon besonders“, sagt Jürgen Neumann – und hofft, dass Budissa die Spielklasse halten kann. Derzeit steht die Elf aus der Kreisstadt gefährlich nah an den Abstiegsrängen.

Das sagen die drei Vereine

Jürgen Neumann, Präsident Bischofswerdaer FV: „Ich denke, dass die Region drei Regionalligisten verträgt. Da ja die drei Vereine bei der Suche nach Sponsoren und auch bei der sportlichen Ausrichtung durchaus unterschiedliche Wege gehen. Neugersdorf setzt zum Beispiel durch seine Nähe zu Tschechien stark auf tschechische Spieler, wir suchen vor allem junge, entwicklungsfähige Spieler aus der Region, auch Richtung Dresden.“
Jürgen Neumann, Präsident Bischofswerdaer FV: „Ich denke, dass die Region drei Regionalligisten verträgt. Da ja die drei Vereine bei der Suche nach Sponsoren und auch bei der sportlichen Ausrichtung durchaus unterschiedliche Wege gehen. Neugersdorf setzt zum Beispiel durch seine Nähe zu Tschechien stark auf tschechische Spieler, wir suchen vor allem junge, entwicklungsfähige Spieler aus der Region, auch Richtung Dresden.“
Sven Johne, Geschäftsführer Budissa Bautzen: „So ganz unproblematisch wären drei Viertligisten auf so engem Raum sicher nicht. Auch, wenn es natürlich für die Fans gut ist, spannende Derbys zu erleben. Aber ich sehe schon eine gewisse Konkurrenz beim Thema Sponsoren und der Suche nach Spielern. Denn wo sollen die Spieler herkommen, wenn nicht aus der gesamten Region? Allein mit Bautzenern geht es nicht.“
Sven Johne, Geschäftsführer Budissa Bautzen: „So ganz unproblematisch wären drei Viertligisten auf so engem Raum sicher nicht. Auch, wenn es natürlich für die Fans gut ist, spannende Derbys zu erleben. Aber ich sehe schon eine gewisse Konkurrenz beim Thema Sponsoren und der Suche nach Spielern. Denn wo sollen die Spieler herkommen, wenn nicht aus der gesamten Region? Allein mit Bautzenern geht es nicht.“
Manfred Weidner, Trainer FC Oberlausitz Neugersdorf: „Wir würden uns wirklich sehr freuen, wenn es drei Regionalligisten in der Region geben würde. Zum einen wären die Anfahrtswege zu den Derbys kurz – auch für die Fans. Zum anderen wäre es richtig klasse für die Oberlausitz, gleich dreifach in der höchsten Amateur-Liga des deutschen Fußballs vertreten zu sein! Ich sehe eigentlich fast nur positive Effekte.“
Manfred Weidner, Trainer FC Oberlausitz Neugersdorf: „Wir würden uns wirklich sehr freuen, wenn es drei Regionalligisten in der Region geben würde. Zum einen wären die Anfahrtswege zu den Derbys kurz – auch für die Fans. Zum anderen wäre es richtig klasse für die Oberlausitz, gleich dreifach in der höchsten Amateur-Liga des deutschen Fußballs vertreten zu sein! Ich sehe eigentlich fast nur positive Effekte.“

Aber natürlich müssen auch die Bischofswerdaer den Aufstieg erst mal festmachen. Sie haben noch acht Spieltage vor der Brust, führen aber aktuell die Tabelle komfortabel an. „Vier Siege brauchen wir noch“, rechnet der Präsident vor. Und verrät, dass er trotzdem schon überlegt, wo die Aufstiegstrikots gedruckt werden. Man müsse vorbereitet sein, sagt er.

Aber ist die Region wirklich groß genug für drei Viertligisten? Denn auch im nicht weit entfernten Neugersdorf wird bekanntlich Viertligafußball gespielt. Und Fußball ist ohne finanzkräftige Partner nicht machbar. Würden sich die Vereine also das knappe Geld streitig machen? Das sieht Jürgen Neumann am Tisch seiner Rechtsanwaltskanzlei im Herzen Bischofswerdas entspannt: „Jeder der drei Vereine verfolgt ein anderes Konzept“, ist er überzeugt.

Das sieht auch Manfred Weidner so, Trainer beim FC Oberlausitz: „Ich wünsche mir sehr, dass wir bald drei Viertligisten haben.“ Während die Neugersdorfer wegen der Nähe zu Tschechien stark auf Spieler aus dem Nachbarland setzen, „haben die Schiebocker eine junge Mannschaft aufgebaut“. Man nehme sich also nichts weg.

Bei Budissa Bautzen ist man hingegen nicht ganz so glücklich. „Natürlich bewegen wir uns bei der Suche nach Spielern und Sponsoren in derselben Region“, sagt Budissa-Geschäftsführer Sven Johne. Man werde allerdings nicht auf die Partner der anderen zugehen, um sie abzuwerben, „sondern auf das eigene Potenzial setzen und nach zusätzlichen Partnern suchen“.

Auch beim Thema Geldgeber gehe Bischofswerda einen eigenen Weg, hält Schiebock-Chef Jürgen Neumann dagegen. Anders als die Konkurrenz habe man keinen großen Hauptsponsor, „sondern das familiäre Modell mit vielen kleinen Sponsoren“. Aktuell sind es 140 Unterstützer, die den 600 000-Euro-Etat für den kompletten Verein finanzieren. „Zudem hilft uns die Nähe zu Dresden. Wir können auch nach Pirna, in die Sächsische Schweiz oder eben in Richtung Landeshauptstadt schauen“, so der Präsident. Und er macht klar, dass man sich in Schiebock auch nach einem Aufstieg nicht auf Hasard-Spiele einlässt: „Wir starten mit 700 000 Euro.“

Spiegelbild der DDR-Oberliga

Wie wichtig diese wirtschaftlichen Fragen sind, zeigt die aktuelle Lage im Ost-Fußball. Mit Rot-Weiß Erfurt und dem Chemnitzer FC haben sich gleich zwei Traditions-Clubs finanziell überhoben und mussten in der dritten Liga Insolvenz anmelden. Nun werden sie zu Gegnern in Spielklasse vier. Sportlich ist das durchaus reizvoll. Die Regionalliga Nordost wird so ein bisschen zum Spiegelbild der DDR-Oberliga. Mit Lok und Chemie Leipzig, BFC, Chemnitz, Erfurt – und Schiebock – spielen hier dann große Namen. Jürgen Neumann hofft, dass diese auch für volle Stadien sorgen. „Die Etat-Erhöhung wollen wir aus den steigenden Zuschauereinnahmen decken“, sagt er.

Ähnliche Überlegungen hat man auch bei Budissa Bautzen: „Die vielen Derbys werden locken“, glaubt Budissa-Chef Sven Johne. Und Neugersdorfs Manfred Weidner verweist auf die kurzen Wege, „die es den Fans leicht machen, diese spannenden Spiele zu erleben“. Die Vorfreude ist ihm jedenfalls schon deutlich anzumerken. Auch, „wenn wir noch ein paar Punkte brauchen, um die Klasse zu halten“.

Ein Blick in aktuelle Zuschauer-Statistiken untermauert den Optimismus durchaus. Lok Leipzig beispielsweise zieht im Durchschnitt um die 3 000 Fans. Und Noch-Drittligist Erfurt brachte trotz der schwierigen Lage jüngst immerhin noch 300 Fans mit zum Auswärtsspiel ins fast 400 Kilometer entfernte Lotte. Warum also nicht auch nach Schiebock, Bautzen oder Neugersdorf? Da steckt viel Potenzial in der Liga!

Und so hoffen die Bischofswerdaer ihren Besucherschnitt auf gut eintausend zu heben; aktuell sind es 400. Im benachbarten Bautzen schauen sich in der laufenden Saison im Durchschnitt knapp 550 Zuschauer die Spiele auf der Müllerwiese an. Und sicher wird das eine oder andere Spiel dann auch im MDR-Fernsehen live flimmern – ein nicht zu unterschätzender Werbefaktor für die Liga; aber auch für die Städte und die Region insgesamt. Auch deshalb findet Manfred Weidner, „dass es für die Oberlausitz richtig klasse wäre, gleich dreifach in der höchsten Amateur-Liga vertreten zu sein“. Gastronomen und Einzelhändler können mit einer attraktiveren vierten Liga auf zusätzliche Einnahmen hoffen. Jüngst ergab eine Umfrage, dass deutsche Fußballfans – allerdings in der Ersten Liga – durchschnittlich 42 Euro für Getränke und Speisen ausgeben. Pro Spieltag wohlgemerkt.

Positiver Effekt für Dynamo

Bleibt die Frage nach den sportlichen Sorgenfalten. Denn Budissa-Geschäftsführer Sven Johne fürchtet ein Gerangel um Spieler: „Wo sollen sie herkommen, wenn nicht aus der Region?“ Sicher werden alle gemeinsam auch in Richtung Dresden schauen, ahnt er. Jürgen Neumann ist zunächst einmal überzeugt, dass seine aktuelle Truppe das Zeug hat, in der höheren Liga zu bestehen. Das hätten zahlreiche Tests gegen höherklassige Teams gezeigt. Und vielleicht, sagt er, helfe diese neue Situation mit dann drei Viertligisten ja auch Dynamo Dresden. „Die Dresdner suchen ja Vereine, in denen ihre Anschluss-Kader auf möglichst hohem Niveau Spielpraxis sammeln können – diese neue vierte Liga wäre da perfekt“, ist er überzeugt.