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Verteidigung fordert Freispruch

Der Tod eines Flüchtlings aus Eritrea sorgte im Januar für Schlagzeilen. Doch anders als befürchtet ist Khaled I. kein Opfer von Fremdenhass. Ein Landsmann von ihm ist angeklagt und beruft sich auf Notwehr.

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© Archivbild: dpa

Dresden. Im Strafprozess um den Tod des 20-jährigen Asylbewerbers Khaled I. haben die Verteidiger einen Freispruch gefordert. Der Angeklagte habe sich nach einem Angriff von Khaled lediglich verteidigt, argumentierten sie am Mittwoch vor dem Landgericht Dresden. Für einen Totschlag fehle es daher an einem Vorsatz, sagte die Anwältin Elena Bogdanzaliew. Der 27-jährige Asylbewerber, der wie das Opfer aus Eritrea stammt, sagte in seinem letzten Wort, er habe seinen Mitbewohner nicht töten wollen. Das Landgericht Dresden will sein Urteil am 6. November verkünden.

Zum Prozessauftakt Ende August hatte der Beschuldigte Hassan S. bereits gestanden, Khaled niedergestochen zu haben. Er sei von Khaled im Hinterhof ihres Wohnhauses angegriffen worden. Dabei habe er einen „Gegenstand“ in Khaleds Hosenbund zu fassen bekommen und damit auf den Angreifer eingeschlagen. Dass es sich dabei um ein Küchenmesser mit einer 15 Zentimeter langen Klinge handelte, sei ihm erst viel später bewusst geworden.

Die Verteidiger Elena Bogdanzaliew und Andreas Boine betonten, dass es keine weiteren Zeugen der Tat gebe und ihr Mandant stets bei seinen Aussagen geblieben sei. Hassan S. habe sich gewehrt, nachdem Khaled ihn geschlagen und umklammert habe. Angeblich ging es bei der Auseinandersetzung um das Wäschewaschen. Der Angeklagte soll Khaled zudem kritisiert haben, weil er nicht zum Deutsch-Unterricht gegangen sei und seine Mutter angelogen habe. Hassan S. bat vor Gericht um Entschuldigung und Verzeihung. „Ich schwöre bei Gott, dass ich Khaled nicht umbringen wollte.“

Die Notwehrsituation hält die Staatsanwaltschaft dagegen für unglaubwürdig und hatte bereits am Montag gefordert, den Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren wegen Totschlags zu verurteilen. Der 27-Jährige habe unverhältnismäßig auf den Angriff reagiert, hieß es. Das belegten die mindestens vier massiven Messerstiche in Hals, Brust und in den Hinterkopf. Oberstaatsanwalt Christian Avenarius sprach von einer „typischen Beziehungstat“.

Weniger typisch sei jedoch, dass die Zeugen - sechs Mitbewohner und weitere Bekannte von Täter und Opfer, die alle aus Eritrea stammen - nur sehr zurückhaltend ausgesagt hätten. „Khaled ist zu einem der bekanntesten Asylbewerber geworden, obwohl ihn kaum einer kannte. Jetzt haben wir mehrere Tage verhandelt, und er ist genauso unbekannt geblieben“, sagte Avenarius.

Der Tod des 20-jährigen Asylbewerbers hatte im Januar dieses Jahres, zur Hoch-Zeit der islamfeindlichen Pegida-Bewegung, eine politische Debatte ausgelöst. Viele fürchteten eine Tat mit fremdenfeindlichen Hintergrund. Es gab in der Folge mehrere Demonstrationen in Dresden, Migranten aus Afrika berichteten über zunehmende fremdenfeindliche Übergriffe. Politiker wie die damalige Dresdner Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU) oder Integrationsministerin Petra Köpping (SPD) sprachen mit den Mitbewohnern - auch mit dem späteren Angeklagten.

Die Polizei wurde heftig kritisiert, weil sie ein Gewaltverbrechen angeblich voreilig ausgeschlossen habe. Tatsächlich wurden bei der ersten Untersuchung der Leiche am Tatort keine Verletzungen entdeckt, die auf ein Gewaltverbrechen schließen ließen. Das bestätigten nun auch Zeugen im Prozess.

Die ersten Beamten vor Ort vermuteten, Khaled sei aus einem Fenster des Wohnhauses gestürzt. Sichtbar sei nur eine offene Wunde im Schulterbereich gewesen. Die Obduktion der Rechtsmediziner fand erst am nächsten Morgen statt, bei der die Messerstiche sofort festgestellt wurden. Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Volker Beck zeigte die Ermittler daher wegen Strafvereitelung an. (dpa)