Merken

Verteidigung: Mordvorwurf nicht nachweisbar

Im Prozess um Entführung und Tod der 17-jährigen Anneli-Marie aus Klipphausen haben die Verteidiger ihre Plädoyers gehalten. Zuvor fielen sehr emotionale Worte des Vaters und der Schwester des Opfers.

Teilen
Folgen
© Robert Michael

Dresden.Es waren berührende Worte, die der Vater und die Schwester der getöteten Anneli Riße am Freitag vor dem Dresdner Landgericht sprachen. Die Verteidiger der Angeklagten sahen sich danach veranlasst, ihre Rolle im Strafprozess klarzustellen. Auf Unstimmigkeiten hinzuweisen, sei nun mal sein Job, sagte Andrej Klein, der Norbert K. vertritt. Und Rolf Franek, der Markus B. verteidigt, erklärte, dass er Fragen zu stellen habe, wo kein anderer mehr fragt. Franek sagte zudem, dass es vor Gericht um Recht und nicht um Rache gehe. Die Menschheit wäre blind, würde Gerechtigkeit nach dem Prinzip Auge um Auge, Zahn um Zahn gesucht.

Einer der beiden Angeklagten, Norbert K. (M.), am 30. Mai 2016 zum Prozessauftakt in einem Verhandlungssaal im Landgericht in Dresden.
Einer der beiden Angeklagten, Norbert K. (M.), am 30. Mai 2016 zum Prozessauftakt in einem Verhandlungssaal im Landgericht in Dresden. © Archiv/dpa
In sehr emotionalen Erklärungen haben Annelis Vater (l.) und ihre Schwester (r.) die Auswirkungen des Verbrechens auf die Familie geschildert.
In sehr emotionalen Erklärungen haben Annelis Vater (l.) und ihre Schwester (r.) die Auswirkungen des Verbrechens auf die Familie geschildert. © Robert Michael

Aus Sicht der Verteidigung liegt der Fall nicht so klar auf dem Tisch wie von der Staatsanwaltschaft dargestellt. Es bestehe kein Zweifel, dass sein Mandant Markus B. sein Leben auf Lügen und Täuschungen aufgebaut hat. Jahrlang wusste nicht einmal seine Familie über seine Herkunft und seine Vermögensverhältnisse Bescheid.

Im Frühjahr 2015, als seine Frau einen neuen Job in Franken antrat und die Familie umziehen musste, habe B. vor der Wahl gestanden: die Wahrheit zu sagen oder sich Geld zu beschaffen, um seine Lügen aufrechterhalten zu können. Er habe beschlossen, auf erpresserische Weise Geld zu beschaffen. Nach zwei misslungenen Versuchen habe er den Plan gefasst, Anneli zu entführen und ihren Eltern 1,2 Millionen Euro abzupressen.

Für Franek war das ohne einen zweiten Täter „nicht durchzuführen“. So kam Norbert K. ins Spiel. Beide haben den erpresserischen Menschenraub begangen, das sei unstrittig.

Unklar sei jedoch, wie Anneli starb. War es Markus B. allein, war es Norbert K. allein, oder waren es beide? Für keine dieser Varianten gebe es objektive Beweise, so Franek, nur Indizien. So habe Markus B. die verräterischen Suchanfragen im Internet machen müssen, denn Norbert K. habe kein internetfähiges Handy besessen.

Auch an anderen Beispielen versucht die Verteidigung, wie schon in der Beweisaufnahme, den Tötungsverdacht auf den 62-jährigen Mitangeklagten zu lenken. Weil die Ermordung von Anneli nicht zweifelsfrei bewiesen werden könne, beantragte die Verteidigung lediglich 12 Jahre Haft für Markus B.

Verteidiger Andrej Klein verwies hinsichtlich seines Mandanten ebenfalls auf die schlechte objektive Beweislage. So wurde von Norbert K. nur eine einzige DNA-Spur gefunden auf dem Beifahrersitz des BMW von Markus B, dem er beim Umzug mit diesem Auto geholfen habe.

Letzte Worte unter Tränen

Entgegen der Behauptung ihrer Kollegen halten es die Verteidiger von Norbert K. sehr wohl für möglich, dass Markus B. Anneli allein getötet haben kann. Ihr Mandant sei von ihm ebenfalls ausgenutzt worden. So habe B. immer behauptet, er wolle Anneli nur betäuben, um die Geldübergabe und die Rückkehr des Mädchens bewerkstelligen zu können. Schon am Tag vor der Tat habe Norbert K. seinem Komplizen erklärt, dass er bei der Entführung nicht mitmachen wolle.

Am Tag darauf habe Markus B. verlangt, doch zu dem Feldweg bei Robschütz zu fahren, wo Anneli überwältigt wurde. B. sei nicht maskiert gewesen, weil er glaubte, nach der Betäubung mit Äther würde Anneli ihre Entführer nicht wiedererkennen. Das hatte nicht funktioniert. Die Verteidigung räumt ein, dass Norbert K. mehrfach hätte aussteigen können. Ihr Mandant sei nicht davon ausgegangen, dass Anneli sterben könnte. Heute werfe er sich vor, nicht anders gehandelt zu haben.

Klein verweist insbesondere auf den Beitrag seines Mandaten zur Aufklärung des Falls. Ohne ihn wäre nicht bekannt geworden, was Anneli widerfahren ist. Klein beantragte lediglich vier Jahre und fünf Monate Haft wegen Beihilfe zum erpresserischen Menschenraub.

Unter Tränen erklärte Norbert K. in seinen letzten Worten, dass er Tag und Nacht an Anneli denken müsse, dass B. ihn ausgenutzt habe. Nun stehe er wegen einer sinnlosen Tat vor Gericht. Schluchzend erklärte der 62-Jährige, dass ihm das alles sehr leidtue. Markus B. hatte auch am Ende des Prozesses nichts zu sagen. Nur als sein Verteidiger sprach, brach auch er in Tränen aus.