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Versuchter Mord erneut vor Gericht

Der Bundesgerichtshof hat ein Urteil des Landgerichtes Görlitz im Fall einer Zittauer Altenpflegerin aufgehoben, die eine 85-Jährige gedrosselt und ausgeraubt haben soll.

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© Peter Steffen/dpa

Von Matthias Klaus

Görlitz. Der Fall der Altenpflegerin Ricarda F. wegen versuchten Mordes wird vor Gericht neu aufgerollt. Das hat der Bundesgerichtshof beschlossen. Vorausgegangen war eine Revision der Angeklagten. Das Landgericht Görlitz hatte die Frau im März dieses Jahres zu einer Haftstrafe von acht Jahren verurteilt. Die Angeklagte, 1984 in Zittau geboren, soll demnach eine 85-Jährige aus Weinhübel mit einer Schnur gedrosselt und deren Geld geraubt haben.

Der Fall werde nun an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichtes zu einer neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen, heißt es vom Bundesgerichtshof. Ausgenommen von der Entscheidung sei das „objektive Tatgeschehen“. Diese Feststellungen bleiben demnach aufrechterhalten. Der Bundesgerichtshof kritisiert, dass das Landgericht von einem falschen rechtlichen Maßstab ausgegangen sei, als es prüfte, ob ein „beendeter oder unbeendeter“ Tötungsversuch vorgelegen habe. Dieser Rechtsfehler führe zur Aufhebung des gesamten Schuldspruches. Das Landgericht Görlitz hatte mit seinem Urteil im März deutlich über der Forderung von Oberstaatsanwalt Sebastian Matthieu gelegen. Er hatte auf eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten plädiert. Verteidigerin Yvonne Haußer-Knabe aus Zittau sprach sich damals für eine Strafe „nicht über drei Jahre“ Gefängnis aus.

Versuchter Mord, schwerer Raub und gefährliche Körperverletzung – diese drei Taten fasste der Vorsitzende Richter der Schwurgerichtskammer, Theo Dahm, zu einem Urteil zusammen. Das Gericht, bestehend aus dem Vorsitzenden, zwei beisitzenden Richtern und zwei Schöffen, nahm sich dafür viel Zeit. Erst eine halbe Stunde nach dem angesetzten Termin wurde es verkündet. Dr. Thomas Reuster, Chefarzt für Psychiatrie und Psychotherapie am Städtischen Klinikum Görlitz, trug sein Gutachten vor.

Es zeigte vor allem eine bewegte Lebensgeschichte der Angeklagten. Als Adoptivkind wuchs sie auf, der Kontakt zu den Pflegeeltern blieb eher kühl. Innerhalb der Familie ausgegrenzt, so beschrieb es der Gutachter. Einen Kontakt zu den leiblichen Eltern herzustellen, misslang. Nach dem Schulabschluss folgte eine Ausbildung zur Fremdsprachensekretärin – und eine Schwangerschaft. Ricarda F. gerät in finanzielle Probleme. Als angebliche Pflegedienst-Mitarbeiterin verschaffte sie sich Zugang zur Wohnung des Opfers, drosselte die alte Dame bis zur Bewusstlosigkeit, stiehlt drei Portemonnaies mit 140 Euro. Zwei Geldbörsen findet die Polizei später im Ablauf am Nordufer des Berzdorfer Sees wieder. Die Angeklagte hatte den Beamten den Weg gezeigt.

Oberstaatsanwalt Sebastian Matthieu sah die Merkmale eines versuchten Mordes erfüllt, ebenso die eines schweren Raubes. Anders Verteidigerin Yvonne Haußer-Knabe: Sie ging von einer spontanen Tat aus, die eigentlich nicht zum Charakter ihrer Mandantin passt. Richter Theo Dahm hingegen sagte: „Es war der Angeklagten bewusst, dass ihr Opfer sterben kann.“ Es habe andere Möglichkeiten für Ricarda F. gegeben, an Geld zu gelangen, legale, vom Amt. Für das Gericht wog der schwere Raub als wichtigstes Delikt, nach dem sich die Höhe der Strafe bemaß.

Manches Detail blieb ungeklärt. Etwa das zum Tatwerkzeug. Hing die Schnur in der Garderobe des Opfers? Oder hatte sie Ricarda F. mitgebracht? Trotz Suche der Polizei wurde die Schnur nie gefunden.