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Verständnis für den Gafferbespritzer

Ein bayrischer Feuerwehrmann hat bei einem Autobahnunfall Gaffer bespritzt. Thiendorfer Wehrleiter zeigen Verständnis, raten aber von Nachahmung ab.

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© Ralf Hettler/dpa

Von Jörg Richter

Thiendorf. Rudolf Heimann aus dem niederfränkischen Waldaschaff ist zurzeit der bekannteste Feuerwehrmann Deutschlands. Bei einem Verkehrsunfall auf der A 3 platzte ihm der Kragen. Er bespritzte mit Wasser alle Gaffer, die an der Unfallstelle extra langsam vorbeifuhren, um mit ihren Handys das Unglück zu filmen. Mehrere Lkw waren am 9. November ineinander gekracht, nachdem ein Kieslaster in einem Baustellenabschnitt umgekippt war. Drei Menschen kamen ums Leben. Als einige Gaffer auch den Abtransport der Leichen filmten, reichte es Heimann. Er richtete den Feuerwehrschlauch auf die vorbeifahrenden Fahrzeuge.

Feuerwehrmann Rudi Heimann hat vor Kurzem in einem Studio des Radiosenders Antenne Bayern das Lied „Gaff’ nicht“ aufgenommen. Mit dem Song will er sich gegen Gaffer bei Unglücken einsetzen.
Feuerwehrmann Rudi Heimann hat vor Kurzem in einem Studio des Radiosenders Antenne Bayern das Lied „Gaff’ nicht“ aufgenommen. Mit dem Song will er sich gegen Gaffer bei Unglücken einsetzen. © Antenne Bayern/dpa

Diese Aktion fand in sozialen Netzwerken viele Sympathisanten. Auch der Thiendorfer Gemeindewehrleiter Friedemann Böhme fühlt eine gewisse Solidarität mit seinem bayrischen Kameraden Rudi Heimann. „Ich kann den Mann durchaus verstehen, denn Gaffer sind das Letzte, was es gibt“, sagt Böhme. „Wer sich am Leid anderer ergötzt, bei dem fehlt etwas im Oberstübchen.“ Auch die freiwilligen Feuerwehren der Gemeinde Thiendorf werden oft zu Einsätzen auf der Autobahn gerufen. Erst in der vorletzten Woche brannte in ihrem Abschnitt auf der A 13 ein Pkw. Allerdings auf dem Randstreifen. Doch die hiesigen Kameraden kennen auch richtig schwere Unfälle – und leider auch die neugierigen Gaffer.

„Jeder, der filmt, müsste bestraft werden“, sagt Böhme und fügt hinzu: „Gaffen fängt eigentlich schon mit dem Abbremsen an.“ Denn dadurch würden nachfolgende Verkehrsteilnehmer behindert. Aus diesem Grund heißt er aber auch die Aktion von Rudi Heimann nicht gut. „Nachahmen muss man das nicht“, so der Ponickauer. „Damit provoziert man nur einen nächsten Unfall.“

Tatsächlich könnte das Spritzen auf Gaffer für Heimann ein gerichtliches Nachspiel haben. Mehreren Medienberichten zufolge droht ihm eine Anzeige wegen Gefährdung im Straßenverkehr. Obwohl die Polizei in der Nähe stand und nicht eingriff. „Rein menschlich ist seine Tat verständlich“, sagt der Thiendorfer Ortswehrleiter Jörg Noack. „Aber ich würde es meinen Leuten nicht empfehlen.“ Für das Bestrafen von Gaffern sei ganz klar die Polizei zuständig. „Als Feuerwehr dürfen wir gar nicht in den Verkehr eingreifen“, betont Noack.

Das bestätigt auch Polizeisprecher Enrico Lange. In anderen Bundesländern wie in Nordrhein-Westfalen hat die Polizei damit begonnen, Gaffer von Autobahnunfällen zu filmen, um sie rechtlich verfolgen zu können. Seit diesem Jahr sieht der neue Bußgeldkatalog 20 bis 1000 Euro Strafe dafür vor. Wichtiger seien aber vorbeugende Maßnahmen, so Lange. Zum Beispiel durch mobile Faltwände, mit denen Gaffern die Sicht zu verunglückten Personen genommen wird.

Die Thiendorfer Feuerwehrleute haben da bereits ihre eigene Methode. „Wir stellen uns mit unseren Fahrzeugen vor die Unfallstelle, dann kann niemand etwas sehen“, sagt Noack. „Wenn es sein muss, machen wir dafür auch die Autobahn komplett dicht.“ Das sei nicht nur im Interesse der Pietät, sondern auch der Feuerwehrleute selbst. „Meine Leute müssen nach einem Einsatz wieder sicher nach Hause kommen“, so der Wehrleute. Erst vor wenigen Wochen waren zwei brandenburgische Feuerwehrmänner bei einem Autobahneinsatz ums Leben gekommen, als ein Lkw in die Unfallstelle raste. Das soll sich auf der A 13 bei Thiendorf nicht wiederholen.

Trotz oder gerade wegen seiner eigenmächtigen Aktion schlägt Rudolf Heimann eine deutschlandweite Sympathiewelle entgegen. Mittlerweile ist der Feuerwehrmann aus Waldaschaff so populär, dass ein Münchner Radiosender mit ihm sogar einen Anti-Gaffer-Song eingespielt hat. Im Refrain heißt es: „Am Unfallort, da gaffen nur die Affen. Zeig Opfern und Helfern deinen Respekt!“