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Verschwundene Fische

Einst vom Aussterben bedrohte Tiere leben an den Großhennersdorfer Teichen. Das verursacht nicht nur Freude.

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© Matthias Weber

Von Constanze Junghanß

Das Flair ist wie bei einer Wattwanderung: Gummistiefel staken durch graubraunen Schlamm. Kinderhände sammeln handtellergroße Teichmuscheln im Schlick ein. Das Ufer ist allerdings nicht so weit weg wie an der Nordsee. Und auch das Wasser wird in den kommenden Tagen – geregelt von Menschenhand – den offenen Boden wieder ohne Unterbrechung bedecken. An Leubners Teich in Großhennersdorf geht es um das Abfischen und dazu haben Hagen Dutschke und sein Helferteam eingeladen.

Das Abfischen ist eine kräftezehrende Arbeit, wie sich zeigt. Mit Keschern und Kisten ausstaffiert waten die Männer und Jungs vorsichtig bis zur Mitte des Teichs. Schmatzende Geräusche der Stiefel im schlierigen Modder begleiten die Schritte. Die gefangenen Karpfen, Hechte und Schleie bringen einiges an Gewicht auf die Waage. Drei bis fünf Kilogramm wiegen größere Exemplare im Schnitt. Ein Graskarpfen wird zum Spitzenreiter: Rund zehn Kilogramm ist der Fisch schwer. Der zehnjährige Maik Körner bekommt den Riesen kaum aus dem Setzbecken heraus. In einem abgetrennten Bereich sind dumpfe Plopp-Geräusche zu hören. Alle paar Minuten donnert ein Holzstiel mit Schwung auf einen Fischkopf. Betäubung rustikal und für Nichtkenner eher gewöhnungsbedürftig. Dann der Schnitt mit dem scharfen Messer. Eine blutige Angelegenheit.

Es sind einige Hundert Besucher, die beim Abfischen zuschauen und fangfrischen Fisch – geräuchert, auf Wunsch entgrätet oder im Ganzen – mit nach Hause nehmen. Regionaler und frischer geht es kaum. Manfred Bertulis streut seine „geheime Würzmischung“ auf filetierte Karpfenstücke. Kräuter aus dem eigenen Garten sind da mit drin. Seit 25 Jahren würzt er den Fisch so, wie er erzählt. „Ich kenne das alles auch schon von Kindesbeinen an“, sagt schmunzelnd Besucherin Katja Stettin. Hier direkt vor Ort die Flossentiere aus der Heimat zu kaufen, habe für sie und ihre Familie Tradition. Regionalität, so hofft die junge Mutter aus Großhennersdorf, sollte in Zukunft eine immer wichtigere Rolle im Verbraucherverhalten spielen.

Doch was passiert, wenn genau dieser Aspekt auf den Naturschutz trifft? In Hagen Dutschkes Brust schlagen da zwei Herzen. Denn so beliebt das Abfischen auch ist: In den letzten Jahren sind Probleme aufgetaucht, die kaum jemand erwartete. Und die verursachen ausgerechnet Tierarten, die teils geschützt sind. Dem Teichherrn bereitet das einiges an Kopfzerbrechen. Fischotter und Seeadler sind an den Großhennersdorfer Teichen heimisch geworden. Das zeugt von einer intakten Natur, wie Hagen Dutschke weiß. Während der Seeadler laut Naturschutzbund dank jahrzehntelanger Intensivschutzmaßnahmen nicht mehr auf der „Roten Liste“ der gefährdeten Tierarten steht, wird der Fischotter noch als gefährdet eingestuft. Zusammen mit Graureihern und Kormoranen sind sie seiner Aussagen nach jedoch inzwischen für enorme Verluste in den beiden Gewässern verantwortlich. Der 56-Jährige nennt die Zahlen: Gerade einmal 25 Prozent der sonst üblichen „Fischernte“ wurden aus dem Großen Teich Großhennersdorf geholt. Eingesetzt hatte Dutschke 1 200 Jungfische. Beim Leubner-Teich sieht das Ergebnis wohl ähnlich aus, auch wenn der Teichbesitzer vorerst nur schätzen kann: „Auf jeden Fall haben wir einen Fischverlust von mindestens der Hälfte“, sagt er. Das sind Zahlen, die sich für ihn finanziell auswirken. Zwar gebe es im besonderen Härtefall bei Schäden, die der Fischotter macht, Ausgleichzahlungen. „Die decken aber nicht die Kosten“, ist die Erfahrung von Hagen Dutschke. Ohne Fördermittel sei die Bewirtschaftung der Teiche auch kaum mehr zu stemmen. Diese Mittel würden „nicht gerade üppig“ ausfallen. „Die Teiche sind wichtige Biotope, die weiterhin gepflegt werden müssen. Wir setzen zur Fischzucht zudem nur auf natürliches Getreidefutter, verzichten vollständig auf Antibiotika“, sagt er. Das soll künftig so bleiben. Gewinn allerdings erziele man im Gegensatz zu früheren Zeiten nicht mehr. Stattdessen sei der Verlust konstant geblieben. Besserung vorerst nicht in Sicht. Trotzdem wirft der Großhennersdorfer nicht das Handtuch: Denn dass sich selbst Tierarten ansiedelten, die teilweise selten anderenorts auftauchen, wäre schon eine Besonderheit und zeuge von den gesunden Bedingungen für die Fauna rings um die Teichlandschaft.

Beim Abfischen selbst werden die Jungfische, die im Kescher landen, wieder ins Wasser gelassen. Erst ab einem Alter von drei Jahren sind sie schlachtreif. Wenn nicht ihre hungrigen Fressfeinde schneller sind.