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Verschwundene Dörfer wiederentdeckt

Kai Tempel entwirft Häuser für die Zukunft und forscht in der Geschichte. Seine Entdeckungen werden zum Kalender.

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© Katja Frohberg

Von Heike Sabel

Müglitztal. Meuscha gibt es noch. Als Hügel zwischen Dohna und Heidenau. Aber es war auch mal ein richtiges Dorf. Das ist verschwunden, so wie viele Dörfer. Allein in Dresden hat Kai Tempel 130 solche verschollenen Dörfer ausfindig gemacht. Und immer wenn er genügend zusammenhatte, gab es einen Kalender. Nach und nach hat der Coschützer Architekt seinen Radius erweitert, sich auch bis heute existierenden Dörfern und ihrer Geschichte gewidmet. Für 2016 heißt sein Kalender „Dörfer in Heidenau und im Müglitztal“.

Wie immer hat Kai Tempel dazu Dorfansichten gezeichnet, die Siegel bzw. Wappen dazu gestellt und Geschichtliches geschrieben. Wenn er wie für Schmorsdorf kein Siegel findet, entwirft und zeichnet er eines. Für Schmorsdorf dachte sich Tempel, passt ein stilisiertes Lindenblatt.

Das einzig Bunte in seinem Kalender sind die Sonntage, der Name des Wochentages. Diese sind rot geschrieben.

Man braucht etwas Zeit und Muse, die Texte zu lesen. Sie sind voller Jahreszahlen und Fakten, aber ohne wissenschaftlichen Anspruch, sagt Tempel. Dafür unterhaltsam. Crotta zum Beispiel hatte im letzten Jahrhundert mehr Schafe als Einwohner. Damals brachte die Falkenhainer Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft nämlich auf dem Crottaer Sonnenhof ihre Schafe unter. Heute leben in beiden Dörfern knapp 40 Menschen. Oder Mügeln. Es gehörte mal zu Pirna, mal zu Dresden, mal zu Gommern – und seit 1929 zu Heidenau. Die Mügelner Geschichte ist zudem die vieler Mühlen. Nachzulesen im Juli.

Den 56-jährigen Coschützer interessieren dörfliche Strukturen und bäuerliches Land und Leben. Für ihn ist Schönheit die Vielfalt des Einfachen. Wenn er über die Dörfer fährt, schwärmt er schnell. Von den wunderbaren Gehöften in Ploschwitz und Falkenhain, von dem vorbildlich gewachsenen Heidenau, das ja auch aus mehreren Dörfern entstand. Man könne das nicht auf das Jetzt übertragen, aber das Verständnis für Proportionen, Materialien hat er schon davon. Und aus der Vergangenheit ergeben sich Parallelen für die Gegenwart. Die Dörfer mussten sich vertragen, sonst wäre es schiefgegangen, sagt Tempel.

So ist der Kalender ein aktuelles Heimatgeschichtsbuch. Und noch etwas kann man lernen. Die altdeutschen Monatsnamen. Die meisten sind gut erkennbar, wie der Nebelung für den November und der Ernting (August), Launig und Lenzig stehen für April und Mai. Mit Hartung beginnt das Jahr, mit Dustermand endet es.

Tempels Hobby ist es, etwas zu entdecken. Draußen in den Dörfern, beim Treffen mit den Menschen, beim Zeichnen und beim Recherchieren in Archiven. So entsteht seit 14 Jahren Jahr für Jahr ein Kalender, der inzwischen einige Sammler hat.

Welche Dörfer diese in einem Jahr präsentiert bekommen, entscheidet Kai Tempel beim Zeichnen im Laufe des Jahres und „wo ich so herumsause“. Der Bereich seiner Forschungen wird immer größer, aber Gegenstand bleiben die Dörfer. Eine Idee sind die rechtselbischen Dörfer wie Birkwitz und Pratzschwitz. „Aber ich kann nichts versprechen“, sagt Tempel. Auch Tharandt sei eine Überlegung wert. Wenn das Material denn ausreicht.